Giana’s Return

Das Jump’n’Run Giana Sisters (1987) dürfte jedem der “Generation C64” ein Begriff sein. Trotz (oder auch wegen) der Ähnlichkeit zum Vorbild Super Mario Bros. genießt das Spiel Kultstatus. Ein paar engagierte Entwickler arbeiten seit geraumer Zeit an einem inoffiziellen Sequel mit dem Titel Giana’s Return. Shahzad Sahaib, Organisator und Leveleditor des Projektes, stand mir im folgenden Interview Rede und Antwort.

Hallo Shahzad. Bevor wir zum Projekt kommen, stelle dich bitte kurz vor.

Mein Name ist Shahzad Sahaib, den meisten werde ich aber als “Kojote” bekannt sein. Ich wohne in der Mozartstadt Salzburg und arbeite, wenn nicht gerade an Giana’s Return, in einer amerikanischen NGO Bildungseinrichtung. Ich bin aktiv in der Demoszene und Mitglied in der Demogruppe Speckdrumm, des weiteren bin ich auch Founder und Webmaster von PDRoms.de, einer Seite die sich mit legaler Konsolen und Handheldsoftware beschäftigt.

Du fungierst bei “Giana’s Return” Organisator und Leveleditor. Welche Personen sind neben dir in das Projekt mit welchen Aufgaben involviert?

Wir haben aufgrund diverser Vorkomnisse sehr viele involvierte Personen im Team gehabt, ich beschränke mich kurz auf das Kernteam. Der Programmierer ist ein Franzose und heisst Rodolphe Boixel (bekannt als Thor). Er ist mir seit langer Zeit bekannt unter anderem wegen seiner independant Neo Geo Pocket Color und GP32 homebrews. Von Ihm ist die von Grund auf neu programmierte C/SDL Engine. Für die Grafik haben wir mehrere Herrschaften, darunter auch eine sehr talentierte Dame namens Jane Mumford (bekannt als Jayne) die für die wunderbaren handgezeichneten Hintergründe und die Storyline verantwortlich ist. Die Herren der Grafik-Schöpfung sind Adam Karl (bekannt als Wizzard), Simon Butler – ein Grafik-Urgestein seit den Anfängen der 80iger, Virgil Metier (bekannt als tHUG) sowie Christian Hildenbrand (bekannt als DayDream). Simon war für die Sprites verantwortlich, Wizzard, tHUG und DayDream für die Tilegrafik. Für die musikalische Untermalung sorgen Alexander Oldemeier (bekannt als Operator) und David Wuttke (bekannt als AM-FM). Last but not least, unser Haupt-Beta-Tester Denny Müller (bekannt als Mulle) der bei uns dafür sorgt, dass das finale Spiel bei euch fehlerfrei ankommen wird. Mehr als die Hälfte des Teams hat Wurzeln in der Demoszene.

Wann fiel der Startschuss zu “Giana’s Return” und was war der Auslöser?

Die Geschichte fing eigentlich schon 1998 an als Rainer Sinsch (bekannt als Myth) einen “The Great Giana Sisters” Clone für DOS entwickelte, der sich durch seine Größe von ledigliche 32kb auszeichnete. Dieses Spiel wurde im Rahmen einer 32kb Game Coding Competition auf der Demoszene Party “Mekka & Symposium” 1998 abgeben, wo es auch glatt den ersten Platz belegte. Es folgte eine weiter entwickelte DOS Version mit mehrere Levels und auch der Aufruf einen Leveldesigner zu benötigen. Hier kam es dann letztlich zum Kontakt zwischen mir und Rainer. Der nächste Clou war eine Windows Version mit DirectX Unterstützung, für die ich alle Levels kreiert hatte. Das Spiel ist bekannt als “Giana Worlds” wurde dann aber aus rechtlichen Gründen in “Giant Worlds” umbenannt. Die Erstveröffentlichung von Giant Worlds war wieder auf einer Demoparty und zwar auf der “Evoke” 1999. Das Spiel erreichte recht schnell eine gewisse Berühmtheit, sodass es sich bald auch auf CDs diverser Computermagazinen wieder fand. Eines Tages wurde Rainer von Armin Gessert kontaktiert. Armin hatte letztendlich kein Problem mehr mit dem Spiel, sofern es Freeware bleiben würde und keiner Geld damit verdient. Rainer war von dieser Begegnung irgendwie doch geschockt, obwohl es ein Happy-End war und hat die Entwicklung eingestellt wobei eine Vielzahl der neuen Levels noch gar nicht in der letzten Beta integriert waren. Da ich persönlich einen Drang zur Komplettierung von Dingen habe, habe ich mich dann des Projekts angenommen, allerdings ohne Rainer’s Quellcode, da dieser Wohl nicht räpresentative für dritte war. 2002 war es dann soweit — nach langem Quälen war ein neuer Programmier gefunden. Christian Nowak (bekannt als CHN) nahm sich des Projekts an und es entwickelte sich prächtig. Auch viele Teile des Spiels wurden umgeworfen und neu gestaltet, wie zum Beispiel Musik und Grafik. 2004 gab es eine öffentliche Version für Dreamcast, GP32 und Windows, die allerdings unter ein paar Kinderkrankheiten leidete. Kurz vor der Komplettierung des Spiels verschwand CHN und Kontaktversuche waren nicht von Erfolg gekrönt. Nun hatten wir ein Spiel, sogut wie fertig, aber mit kleinen Fehlern — das ganze konnte natürlich nicht so bleiben und wir haben abermals einen neuen Programmierer gesucht, womit wir zu Thor kamen. Kurz auf den Punkt gebracht: Perfektion war der Auslöser.

Ihr betitelt das Spiel als Sequel. Was ist in der Zwischenzeit mit Giana passiert und wie geht’s weiter?

Das Spiel soll in der Tat eine inoffizielle Fortführung sein um den mittlerweile großen Kindern von damals ein Stück Geschichte zurück zu bringen. Ein Klon hätte es auf alle Fälle nicht getan, deshalb die aufwändige Neuinszinierung. Unser Spiel wurde von Anfang an als Single-Player-Spiel ausgelegt, wir wollten aber nicht auf Maria verzichten, kurzerhand kidnappt ein Sumpfmonster Maria und Giana rettet Ihre Schwester hoffentlich — aber das Happy-End obliegt in des Spielers Hand. Das ganze geht über sieben Welten mit jeweils einem Endboss. Mittlerweile haben Armin Gessert mit seiner Firma Spellbound selbst für einen offiziellen Nachfolger gesorgt, den wir auch wärmstens Empfehlen können.

Mich persönlich stört ein wenig die geringe Auflösung (320×240) des Spiels. Warum habt ihr euch für dieses Format entschieden?

Das Spiel war eigentlich nicht wirklich für Desktop-Rechner entwickelt sondern seit meiner Projektübernahme immer nur auf Handhelds und Konsolen ausgelegt, im speziellen auf die Koreaner GP32 und GP2x. Diese Handhelds verfügen über eine Auflösung von eben 320×240 Bildpunkten. Ein Hochskalieren ist im übrigen meistens problemloser als umgekehrt, außerdem kann man mit Anti-Aliasing mögliche unschönen Ecken kaschieren. Ein weiter Punkt ist natürlich, dass wir uns in weiten Teilen an das Original gehalten haben und die Auflösung am Amiga ist nur geringfügig anders – Pixelgrafik ist ein wunderbares Stilelement, auch wenn die Mehrheit der jüngeren auf hochauflösende 3D Grafik steht.

Was waren die größten Hürden bei der Entwicklung des Spiels?

Das größte Problem waren Mitarbeiter, die ohne Vorwarnung verschwinden und sich nicht mehr melden. Natürlich hat jeder Prioritäten, aber man sollte so fair sein, anderen zu sagen, dass man (temporär) nicht mehr zur Verfügung steht. Wir hatten eine Unmenge an Personen die meinten uns in diversen Bereichen zu unterstützen, geworden ist es in den meisten Fällen nichts. Eine Entscheidung zu fällen ob man jetzt wartet, bis diese Person wieder ein Lebenszeichen von sich gibt, ist nicht einfach. Somit hat sich das Spiel auch entsprechend immer wieder in die Zukunft verschoben. Primär waren es die Künstler, besonders im grafischen Bereich, die öfters weggefallen sind. Oft gab es zum Beispiel ein paar grafische Entwürfe, die eigentlich sehr gut waren und nur noch wenige Objekte bzw. minimale Veränderungen wie Farbanpassungen benötigten. Es war immer wieder ein Jammer wegen “Peanuts” zurück zu fallen.

Fan-Projekte wie “Giana’s Return” laufen auch immer Gefahr, den Zorn der Rechteinhaber auf sich zu ziehen. Habt ihr im Vorfeld Kontakt zu Spellbound aufgenommen?

Wir sind mit Spellbound in Kontakt und glücklicherweise sehen Sie keinerlei Konkurrenz zu uns. Wir wollen auch nicht mit einer Firma in den Kampf treten sondern lediglich den Fans mehr qualitatives Spielefutter bieten und dies tun wir auch völlig selbstlos, das Spiel wird keinen einzigen Cent kosten. Eine sehr frühe Windows Version wurde sogar persönlich von Armin Gessert sowie Manfred Trenz angespielt und sie haben uns sogar Ihre Meinung mitgeteilt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass wir uns auch selbst limitieren und nur für tote oder wirtschaftlich unrentable Systeme portieren werden — somit gibt es wirklich keinerlei Angriffspunkt mehr und dies sollte unsere nicht kommerziellen Absichten unterstreichen. Bisher gabe es keinerlei Probleme und es sind auch keine zu erwarten.

Wenn ich mir den Werdegang von Manfred Trenz vor Augen führe, überkommt mich eine gewisse Wehmut. Früher Giana Sisters und Turrican, heute DS-Portierungen von Germany’s Next Topmodel und Meine Tierpension.

Manfred Trenz macht nichts anders als wie jeder von uns. Er versucht seine Brötchen mit etwas zu verdienen, dass von anderen Leuten auch gekauft und konsumiert wird. Die komplette Wahrnehmung und Medienstruktur hat sich verändert und dies spiegelt sich dann natürlich auch in den Produkten die produziert, angeboten und verkauft werden wieder. Vor gut 20 Jahren gab es nur wenige wirklich auf heranwachsende Kinder und Jugendliche zugeschnittene Spiele, mittlerweile sieht die Sache anders aus. Der Tribut dafür ist, dass Videospiellegenden für den heutigen aktuellen Markt produzieren müssen um Ihre Familie ernähren zu können. Kommerziell gesehen war gestern einfach gestern und auch die vielen 3D verwöhnten Spieler von heute, wissen eine Pixelgrafik selten zu würdigen. In Zeiten von World Of Warcraft wird man als Retro-Freund oft nur noch belächelt. Angenommen Manfred Trenz würde einen neuen Teil von Katakis schreiben, gäb es vermutlich nur wenige tausend Personen die dafür auch Geld bezahlen würden. Der Aufwand wäre die Einnahmen nicht Wert, somit kann man seine Existenz nicht mehr sichern.

Bis vor wenigen Monaten hielt ich Pixelstyle und 2D für eine aussterbende Kunst, aber seitdem ich mich intensiver mit Indiegames beschäftige, kann ich das so nicht mehr bestätigen. Nitrome und Blurst sind durchaus erfolgreich. Und auch Spiele wie Braid oder World of Goo finden zahlreiche Käufer. Beweist das nicht, dass ein Spiel auch ohne mächtige Technik kommerziell erfolgreich sein kann?

Hinter Indiegames stehen meist kleine Teams mit limitierten Resourcen, daher wohl der Weg des bewährten und bekannten 2D. Ob ein Spiel erfolgreich ist, hängt eigentlich meistens nur vom Marketing ab — Präsentiert man gut, “verkauft” man gut.

In der Vergangenheit wurde desöfteren versucht, Kultspiele der 80er und 90er im neuen Gewand zu präsentieren. Spontan fallen wir z.B. Speedball, Ports of Call und Defender of the Crown ein. Leider waren diese Neuaufgüsse meistens herbe Enttäuschungen. Warum ist es so schwierig, den Kult von früher in die Gegenwart zu transportieren?

Viele Leute verstehen einfach nicht mehr, dass weniger mehr ist. Sobald zum Beispiel echtes 3D in ein Spiel einfließt ist das komplette Flair anders. Man versucht auch oft nicht mehr den Spirit einzufangen, sondern einer alten Kuh einfach nochmal Milch abzuringen. Lizenzen von alten Spielen sind oft günstig zu erhalten und viele Firmen versuchen einfach Ihr Glück mit einer Neuinzinierung einen Erfolg zu verbuchen. Wenn ich 3D möchte, muss ich zuerst 2D verstehen und nicht umgekehrt.

Mal angenommen, du hättest die freie Wahl — von welchem Spiel würdest du dir eine Neuauflage wünschen?

Auf alle Fälle Turrican, aber da gibt es zum Glück auch einige Sequels und Klone mit unterschiedlicher Qualität. Natürlich wäre soetwas aber von offizieller Seite ganz toll.

“Giana’s Return” wird in abgesehbarer Zeit fertig sein. Ist bereits ein Folgeprojekt in Planung?

Gott sei Dank sind wir mit Giana’s Return in der Finetuning-Phase, welche sich allerdings als schwieriger herausstellt als gedacht. Mit dem Perfektionsfetisch im Kopf ist das ganze nochmal um einen Tick mühsamer, aber ohne Schweiß geht es bekanntlich nicht.

Wir haben bereits ein Folgeprojekt in Planung. Natürlich möchten wir wieder auf unserer bisher bewährten Giana-Engine aufbauen, was die Entwicklungszeit drastisch verkürzen soll. Dieses mal wird es allerdings kein Sequel sondern etwas selbstständiges – Projektname “LB” wird mit Sicherheit nicht Jahre auf sich warten lassen. Momentan dümpelt alles etwas vor sich hin, aber nach Giana’s Return und einer angemessenen Ruhepause, packen wir “LB” mit beiden Händen an.

Welche Frage müsste ich dir stellen, damit die Antwort kurz und knapp “Ja!” hieße?

Wird Giana’s Return ein gutes Spiel?

Wird Giana’s Return ein gutes Spiel?

Ja!

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommem hast.