Ein Rollenspiel mit gewöhnlichen Figuren, mittelmäßiger Geschichte
und bekannten Spielmechaniken – das trotzdem Spaß macht.
Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt kaum ein Literatur-Genre, das einfallslosere Titel hervorbringt als Fantasy. Ein Blick in die Amazon-Bestsellerliste offenbart neben den Wälzern von George R. R. Martin und J. R. R. Tolkien Werke mit Namen wie „VampireWolfe: Schwarze Vergangenheit“, „Nachtschattenherz“ oder „Die Macht der Magier“. Allein deshalb meide ich solche Bücher. Bei Spielen ist das nicht immer ganz so einfach, denn häufig verbirgt sich selbst hinter einfallslosen Fantasy-Namen ein spielerisches Meisterwerk – Dragon Age dürfte eines der besten Beispiele sein. Lords of Xulima erschien beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit und es hat einen ähnlich generischen Namen. Trotzdem hat es Spaß gemacht.
Das Spiel stammt vom kleinen spanischen Entwickler Numantian Games. Auf Kickstarter wollte das Team ursprünglich 10.000 Dollar einsammeln, um ein zweidimensionales, isometrisches und rundenbasiertes Rollenspiel zu entwickeln. Komplett mit großer Welt, einer Party aus sechs Charakteren, neun verschiedenen Klassen und über 30 Dungeons. Ihr Ziel übertrafen die Entwickler am Ende um ein Vielfaches – rund 35.000 Dollar kamen zusammen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Nach einer zwar episch angelegten, aber im Ergebnis eher unbedeutend erscheinenden Einleitung über irgendwelche alten Götter und einen großen Krieg, findet sich der Spieler mitsamt seiner Gruppe am Strand eines riesigen Kontinents wieder: Xulima. Sprich: Dgschulima.
Dann geht es ans Erkunden der hübsch gezeichneten Welt. Kämpfe geschehen teils zufällig, teils sind die Gegner auf der Karte sichtbar. Der eigentliche Kampf findet in einem gesonderten Bildschirm statt. Die eigene Gruppe wird in zwei Reihen vor dem Gegner platziert, dann dürfen die einzelnen Charaktere nacheinander angreifen, eine Fähigkeit einsetzen, sich heilen. Der Gegner macht das gleiche. Zwischendurch gibts in bewohnten Gefilden neue Quests, wobei das Spiel mich gerade am Anfang nicht damit überhäuft hat. Eher schon wanderte ich etwas orientierungslos durch die riesige Spielwelt und fragte mich, was ich als nächstes tun sollte. Zu tun gibt es aber letztlich immer etwas und wenn es das Ausräumen einer nahen Spinnenhöhle ist oder das Aufstöbern eines Banditenlagers. Die eigentliche Geschichte gerät bei solchen Erkundungstouren allerdings schnell in den Hintergrund. Viel lieber sammle ich Kräuter, mit denen ich mir dann Tränke braue oder ich grase die Welt nach wertvollem Plunder ab, der sich in der nahen Stadt zu Geld machen lässt.
Nach den ersten paar Dungeons zieht dann der Schwierigkeitsgrad merklich an. Freies Erkunden wird dadurch erschwert, dass es Gegenden mit besonders starken Gegnern gibt, die Partys auf niedrigem Level tunlichst meiden sollten. Als besonders störend empfinde ich das nicht, schließlich gehört das behutsame Aufleveln einer Party zu einem klassischen Rollenspiel wie diesem. Lords of Xulima hat ein anderes Problem: Es ist furchtbar gewöhnlich. Das Setting ist einfallslos, die Charaktere wirken wie Abziehbilder. Da ist der bärtige Magier, die hübsche und mütterliche Heilerin, der verschlagene Dieb. Da sind Bösewichte in Form von feindlichen Truppen, die Wegzoll von mir verlangen. Und da sind Gegner wie Spinnen, Wölfe, Fledermäuse. Alles schon gesehen.
Dennoch: Was Lords of Xulima macht, macht es gut. Das Kampfsystem ist fordernd, aber fair, die Welt ist weitläufig und bildhübsch, 60 Stunden und mehr lassen sich in ihre Erkundung investieren. Das Ausrüsten und Einsetzen neuer Gegenstände funktioniert intuitiv. Immer wenn ein Charakter aufsteigt und der Spieler so neue Fähigkeiten erwerben kann, ist das eine kleine Herausforderung, denn meist gibt es die Wahl zwischen verschiedenen neuen Skills, von denen jeder gerade dringend gebraucht wird. Geld ist ebenfalls knapp und wer nicht genug Nahrung mit sich führt, kann möglicherweise nicht mehr rasten und wird in der Wildnis von Wölfen gefressen. All das macht diese allzu gewöhnlich wirkende Fantasy-Welt dann doch wieder spannend. Lords of Xulima ist zwar nicht der neue Indie-Hit des Jahres, sicher aber ein netter Geheimtipp für alle, die Divinity: Original Sin schon gespielt haben und jetzt auf der Suche nach Nachschub sind.