Proteus

Nachdem Dennis gestern mit Auditorium bereits ein zeitgemäßes Musikspiel vorgestellt hat, möchte ich nun ein weiteres Experiment des Genres in eure süßen Synapsen pflanzen. Obwohl sich das nachfolgende Werk technisch auf einem anderen Planeten bewegt, verspreche ich eine fühlbare Erregung eurer auditiven und visuellen Wahrnehmungsfähigkeiten. Willkommen in der Welt von Proteus!

Das Abenteuer beginnt auf einer Insel mit pixeligem Boden, wo mit Maus und Pfeiltasten die Gegend erkundet wird. Dort begegnet man wippenden Gewächsen in einer unberührten Landschaft, erklimmt Berge und durchquert die Jahreszeiten. Mit jedem Schritt schwirren Töne aus Wiesen und Baumkronen und entfalten sich im Laufe des Spaziergangs zu einer fortlaufenden Komposition. Sobald man sich neuen Gegenständen nähert, stoßen weitere Klänge hinzu. Jedes Element erzeugt einen individuellen Sound und fügt sich in die Melodie ein, um sie seicht in eine neue Richtung zu bewegen. Regen und Wind rauschen und plätschern, Bäume werfen knischelnd ihre Blätter ins Gras und klotzige Lebewesen tummeln sich geräuschvoll zwischen Blumen und Gewässern. Je nachdem, wo man sich aufhält und mit welchen Objekten man interagiert, erklingen scheppernde, summende oder eulige Laute – mit dem Wandel der Umgebung entfaltet sich ein dynamischer Soundtrack.
(In der Bibliothek von David Kanaga können Freunde elektronischer Klänge weiterwildern.)

Optisch ist Proteus bewusst reduziert gehalten und erinnert an Brotkasten-Maßstäbe. Dennoch wirkt die Spielwelt niemals statisch, sondern schafft es, durch das Zusammenspiel von Natur und Musik eine überraschende Lebendigkeit zu kreieren. Wenn man nachts nicht damit beschäftigt ist, schmetterlingshafte Glühwürmchen zu verfolgen, laden Sternenhimmel und Sonnenaufgang zum Verweilen ein. Wer an solchen Stellen die Wucht von Skyrim oder die Magie von Minecraft vermisst, wird sich vermutlich nicht mit Proteus anfreunden können. Oder hat den Kern nie verstanden:

There’s something strangely hypnotic about the ‘game’, like being a psychedelic tourist in a retro digital holiday resort“

Die Motivation lebt vom persönlichen Entdecken, die Faszination von subjektiven Empfindungen. In Proteus existieren keine Aufgaben, Ziele oder Gegner, die der Idylle in die Quere kommen. Menschen mit Fantasie und der Fähigkeit zu träumen werden definitiv mit einem außergewöhnlichen audiovisuellen Adventure belohnt.

Proteus befindet sich noch in der Alpha, ist für Vorbesteller aber bereits verfügbar. Für knapp 6€ erhält man außerdem frühzeitigen Zugang zur Beta und eine exklusive EP mit inspirierter Musik. Das Spiel hat bereits im letzten Jahr beim Indiecade in der Kategorie Audio gewonnen und schaffte es mit seiner ungewöhnlichen Umsetzung ins Finale des diesjährigen IGFs. Entwickler Ed Key verspricht für die finale Version mehr Optionen, sodass etwa Austausch und Begegnungen mit anderen Entdeckern möglich werden.