Re: Re: Tiny Tower
Fabu teilte seine Gedanken zu dem iOS-Titel Tiny Tower von NimbleBit an dieser Stelle, und ich wollte just in diesem Moment in Form eines Kommentars antworten. Da dieser aber immer länger wurde, verbacke ich ihn jetzt einfach in einen Artikel.
Im Grunde stimme ich auch mit seiner Meinung überein, doch der Tatsache, dass das Spiel keine relevante Herausforderung bietet, kann ich nicht zustimmen.
Die Herausforderung liegt darin, der Beste zu sein, derjenige mit dem höchsten Tower. Dafür gibt es ja auch die nette Funktion, sich die Türme seiner Freunde anzuschauen. Wie Nele schon beschrieben hat:
“Von den letzten drei Tagen habe ich sicher insgesamt einen Tag emsig-psychotisch damit verbracht, dich und Jeremy zu überholen”
Dank der “Vergleiche meinen Penis mit dem Penis meiner Freunde-Funktion” bleibt man über den Fortschritt seiner Gamecenter-Buddies stets auf dem Laufenden.
Das halte ich für eine durchaus relevante Herausforderung, die schon seit Jahren genutzt wird. Frühe Arcade-Games wie Donkey Kong oder PacMan hatten theoretisch auch kein Ende (Split-Screen-Level 256, anyone?), die Competition erfolgte über die Heyscore-Systeme, die direkt an den Ehrgeiz appellierten – vergleichbar mit den Stockwerken von Tiny Towers.
Das Erreichen des Ende eines Spieles, welches für gewöhnlich einfach an das Abschließen des finalen Kapitels eines Handlungsstranges gebunden ist, führt in meinen Augen zu einer deutlich geringeren Befriedigung als der direkte Wettkampf unter Spielern. So habe ich zwar das Spiel geschlagen, möchte ich doch im nächsten Moment aber die Menschen schlagen, die ebenfalls schon die Software bezwungen haben.
Viele Spiele und Gaming-Systeme der Neuzeit haben begonnen unterschiedlichste “Belohnungssysteme” in ihre Software einzubauen, um den Spieler bei Laune zu halten. So kann auch bei strikten Single-Player-Games ohne Multiplayer-Komponente ein Wettkampf unter den Spielern erfolgen, obwohl die grundlegende Spielmechanik dies nicht unbedingt vorgesehen hat. Firmen wie Microsoft und Zynga haben solche System schon bis zur Perfektion verfeinert.
Eine weitere Möglichkeit ist die integration von Gegenständen, welche der Spieler einsammeln kann. Dies funktioniert sowohl Off- als auch Online und führt über kurz oder lang wieder zu einem Wettkampf – wer hat das wertvollste/seltenste/tollste Ding und wie kann ich es ihm wegnehmen, um im direkten Vergleich besser zu sein als er. Wie ernst eine solche Competition werden kann, hat jüngst der Aufschrei in der Eve-Community gezeigt.
Die Kombination aus Achivements, Upgrades, Items und Wasweißichnochalles wird dann von Firmen wie DICE, Valve oder Infinity Ward praktiziert und mündet in Produkten wie dem CoD Modern Warfare Multiplayermodus.
Oder um einen Vergleich aus der realen Welt heranzuziehen – so funktioniert wohl jede Sportart. Wer fährt die schnellste Runde, wer schießt die meisten Tore, wer springt am weitesten, wer schreibt den längsten Artikel (ich), wer hat den größten Tower.
Vereinfacht ausgedrückt geht es also darum, der Beste in einer Sache zu sein. Dies kann ein Spiel, eine Sportart oder ein Beruf sein. Denn der Beste zu sein hat mit Erfolg zu tun, Erfolg möglicherweise mit Geld und sehr wahrscheinlich auch mit Frauen und Sex und überhaupt wird mit der Tatsache, dass man der Beste ist, alles besser und eigentlich wollen wir doch alle nur geliebt werden. ♥
Doch besonders in Videospielen wird diese “Wer ist der Beste”-Mechanik immer stärker genutzt. Es gibt wahrscheinlich nur noch wenig Software, die zumindest nicht auf oberster Ebene an unsere Urzeit-Instinkte appellieren und uns einen imaginären Penis vorgaukeln, den es gilt zu hegen und zu pflegen, damit er der Längste und Stärkste im ganzen Netz wird. Spontan würden mir da jetzt nur ein paar Adventure-Titel wie Sword & Sworcery einfallen, bei denen es eher darum geht ein Abenteuer, eine gute Geschichte zu erleben. Vielleicht fällt auch Minecraft in diese Kategorie, wobei die Motivation der Spieler wohl so unterschiedlich wie in kaum einem anderen Spiel ist. Möglicherweise fallen euch da noch ein paar mehr Titel ein.
Die Relevanz solcher Herausforderungen, Erfolge und Spiele hängt zum einem natürlich vom Individuum ab. So gibt es Leute, denen der direkte Vergleich mit anderen Spielern am Arsch vorbeigeht und die mehr Wert auf die eigentliche Spielerfahrung legen. Leute, die sich beim Aufleuchten des Achievement-Icons aus ihrem Spielfluss gerissen fühlen.
Zum anderen wird die Herausforderung aber auch durch die Mitspieler bestimmt. Sollte Tiny Towers nur von vier Leuten (Fabu, Jeremy, Nele und Kristin) gespielt werden, könnten diese zwar die abgefahrensten Cock-Battles austragen, würden in der Masse aber jedoch untergehen und von Außenstehenden nur schief beäugt. Kommt es jedoch zu der Bildung einer entsprechenden Community, entwickeln sich schnell Wettkämpfe, Gewinner und Verlierer, Relevanz. Die Spielermasse bildet einen Nährboden für Helden und Ikonen und das Game kann schnell zu einem wichtigen Bestandteil des eigenen Lebens werden. Soweit ist Tiny Tower noch nicht und so weit wird es möglicherweise auf Grund fehlender Mechaniken auch nicht kommen, doch eine relevante Herausforderung ist durchaus gegeben.
Davon mal abgesehen halte ich Tiny Tower für ein schrecklich langweiliges Spiel. Es dauert mir irgendwie alles viel zu lange, die ganze Zeit Leute den Aufzug rauf und runter zu kutschieren empfinde ich als lästig, und die Möglichkeit, mir Credits durch Realgeld hinzuzukaufen, versaut bei mir dann auch den letzten Funken an Competition.
Dann doch lieber Schlauchshooter. Shadows of the Damned ist übrigens meine Empfehlung für diesen Monat.