The Real Texas

The Real Texas

Ich war bisher nie in den Vereinigten Staaten, habe beim Gedanken an Texas aber sofort eine Collage aus Cowboyhüten, Staub, Kakteen und schlechtem mexikanischen Essen vor Augen. Eine Verrücktheit des Staates des einsamen Sterns, wie sie das historisch sicherlich vollkommen akkurate The Real Texas wiedergibt, hätte ich mir aber nicht einmal im Traum ausmalen können.

Sam hat sich stets ein abenteuerliches Leben als waschechter Cowboy erhofft, fristet sein Dasein tatsächlich aber größtenteils am Schreibtisch. Um zumindest für einen kleinen Tapetenwechsel zu sorgen, bricht er zur Schlossbesichtigung nach England auf, wird kurz nach seiner Ankunft aber von einem mysteriösen blauen Portal verschluckt, das ihn in Strange, einer mindestens so verrückten wie farbenfrohen Ortschaft in “Texas” wieder ausspuckt. Startschuss für ein Fiebertraum-ähnliches Abenteuer voller Dungeons, Rätsel, Kugelhagel und Hühnerkoteletts.

Rein mechanisch ist The Real Texas sehr simpel, aber innovativ: Mit WASD wird Sam durch die 3D-Welt gesteuert, mit der Maus werden Menüs navigiert und Gegner sowie Items anvisiert. Sobald gefeuert wird, bleibt Sam an Ort und Stelle stehen. Interaktion in Dialogmenüs mit Einwohnern und Gegenständen ist erforderlich, allerdings können neben den Standardoptionen eigene Befehle eingegeben werden, um beispielsweise einen Charakter nach einem bestimmten Thema auszufragen oder eine Maschine durch gezieltes Treten in Betrieb zu setzen.

Das texanische Wunderland, das stilistisch irgendwo zwischen Proteus und Minecraft angesiedelt ist, ist bis zum Rand voll mit Menschen, deren Probleme vom Abenteuer wider Willen gelöst werden müssen. Fiese Schleimmonster verpesten das Land, ein Zauberer verbarrikadiert sich in einem Schloss, ein sprechendes Pferd sehnt sich nach Freiheit, der Dorf-Rapper vermisst eine Boombox. Jeder einzelne Charakter hat etwas zu erzählen und trägt seinen Teil zur Geschichte bei, die Sam immer weiter verwirrt nach und nach Erklärungen für sein absurdes Schicksal liefert.

Nach einer kurzen Einführung wird schnell klar: Nichts ist linear, alles ist möglich. Einige Bereiche sind anfangs in Metroidvania-Manier unzugänglich, es gilt es also herauszufinden, wie man sich wo Zugang verschafft. Kleidung im Inventar wechseln, Items erwerben, Schlüssel und Amulette sammeln. The Real Texas findet stets eine schöne Balance zwischen der Erkundung der seltsamen Stadt, dem Lösen von Problemen der Einwohner und wilden Schießereien in Dungeons. Spielerisch fühlt sich das ganze dann an wie eine Mischung aus Zelda: A Link to the Past und Ultima VI.

Would the Real Texas please stand up?

Aber das sieht alles so unglaublich hässlich aus, Dom!, wird der ein oder andere einwenden. Und ja, dieses Spiel ist nicht perfekt. Die Kamera verhält sich stellenweise merkwürdig und kann sich häufig nicht entscheiden, ob ein Objekt transparent sein darf oder nicht. Die Welt wird beim Laufen nur stückweise und leicht verzögert aufgedeckt, Speicherpunkte sind teilweise sehr unfair gesetzt (wodurch ich jüngst durch Unachtsamkeit mehrere Stunden Fortschritt verlor).

Und dennoch rate ich jedem, dem auch nur annähernd der Sinn nach RPGs, Abenteuer und Verrücktheit steht, darüber nachzudenken, ob The Real Texas nicht vielleicht genau das Richtige für ihn oder sie ist. Denn selbst wenn ab und zu irgendetwas nicht so ganz funktioniert wie es soll, trägt das meist nur zum genialen Wahnsinn bei. Die Dialoge sind durchweg hervorragend geschrieben und zeugen vom exzentrischen Humor des Entwicklers Calvin French. Offensichtlicher Slapstick wird mit subtilen Anspielungen auf Klassiker und Inspirationen wie Lord British oder Terry Pratchett gepaart, trotz aller Albernheit weiß die Story, den Spieler durch ihre vielen Geheimnisse in ihren Bann zu ziehen.

Durchgespielt habe ich The Real Texas bislang nicht, doch kann ich schon nach drei bis vier Stunden Spielzeit von mir behaupten, als Frau verkleidet im Bett des Mechanikers geschlafen, ein Menschenkatapult gebaut, Möhrchen gepflückt und gegen einen Magier gewrestled zu haben. Und schenkt man all den ungeöffneten Türen Glauben, gibt es noch viel mehr, wo all das herkam.

The Real Texas ist für Windows, Mac und Linux für $14.95 bis morgen im Launch-Sale für $7.95 direkt beim Entwickler erhältlich. Wer auf Bugs stößt oder nicht weiter weiß, ist im offiziellen Forum gut aufgehoben.

Wir verlosen außerdem drei Exemplare von The Real Texas unter allen, die ein Gedicht inklusive der Worte “Cowboy”, “Unterwäsche” und “Fabu” in die Kommentare schreiben. Die Gewinner werden mittels total zufälligem Zufallsverfahren ermittelt. Der Rechtsweg mistet gerade den Stall aus.

Das Gewinnspiel ist beendet. Teo, Scheinprobleme und Konrad sind jetzt waschechte Cowboys. Herzlichen Glückwunsch!