Press Reset: The Story of Polygon

Wer sich für Technik und Netzkultur interessiert und Techblogs konsumiert, wird sehr wahrscheinlich früher oder später auf The Verge stoßen. Das erst im letzten Jahr gestartete Projekt aus dem Hause Vox Media konnte sich recht schnell im Netz etablieren. Im April 2012 wurde bekanntgegeben, dass sich die dort betriebene Gaming-Sparte im Laufe des Jahres abgespaltet und unter dem Namen Polygon betrieben werden soll. Schön. Für dieses Vorhaben konnten zahlreiche renommierte Spielejournalisten angeworben werden, die bereits für bekannte Seiten wie beispielweise Joystiq, Kotaku, The Escapist und GamersGlobal IGN tätig waren.

Sowohl The Verge als auch Polygon hatten meine volle Sympathie, weil ich es äußerst löblich finde, wenn Menschen als Team über sich hinauswachsen und etwas mit einer Ersthaftigkeit betreiben, die man sich von vielen anderen auch wünscht. So weit, so gut. Vor drei Tagen wurden nun zwei Trailer veröffentlicht, die eine mehrteilige Dokumentation über die Entstehungsphase von Polygon.com bewerben. Ich sah mir die beiden Trailer an, …

… legte meine Stirn in Falten und …

… fragte mich ersthaft, ob ich gerade einer gut inszenierten Satire auf den Leim ging. Scheinbar nicht.

“These documentary trailers are ridiculous.” — John Walker

Was zur Hölle geht in den Köpfen der Macher vor? Bei aller wünschenswerten Ernsthaftigkeit, wurde hier dermaßen der Bogen überspannt und offensichtlich auf Selbstreflektion gänzlich verzichtet. Ich finde es vollkommen legitim, sich und seiner Tätigkeit eine gewisse Wichtigkeit zuzusprechen. Aber bricht man es runter, agiert man als Spieleblogger oder -journalist lediglich als Vermittler zwischen Produzenten und Konsumenten. Das ist weder Kunst noch Revolution noch weltbewegend. Die Trailer lassen vermuten, dass die Grenze zwischen ‘etwas ernst nehmen’ und ‘sich zu ernst nehmen’ merklich überschritten wurde.

Zum Glück bin ich nicht der Einzige, der das so empfindet. Der von mir sehr geschätzte John Walker (Rock Paper Shotgun) erklärt in seinem Artikel ausführlich, warum ihm die Trailer sauer aufstoßen. Jim Sterling (The Escapist) wählte den humoristischen Weg und warf eine Parodie ins Netz.

Es ist schon fast tragisch. Da möchte man mit einem Doku-Trailer möglichst viel Sympathie erzeugen und erntet massenhaft Antipathie. Sowas erwarte ich vielleicht von irgendwelchen drittklassigen, unreflektierten Hobbybloggern — aber wenn man bedenkt, was für eine geballte Fachkompetenz für das Projekt Pate steht, möchte ich eigentlich nur noch stundenlang mit meinem Kopf auf die Schreibtischplatte schlagen. Vielleicht bedarf es ja einer Gehirnerschütterung, um der Irrationalität der Inszenierung etwas abgewinnen zu können.