Blast from the Past: California Games

California Games

Kalifornien – auf der Flagge ein Grizzly

Für die einen mag es Tupac und seine California Love, für die anderen California Dreaming von dieser einen Zottelband sein – MEINE Lieblings-Erinnerung an Kalifornien ist ein Spiel: California Games. Diese vielportierte (von A wie Amiga bis Z wie ZX Spectrum ist fast alles dabei) Spieleperle landete 1989 auf meiner ersten Videospielkonsole, dem Sega Master System, das ich ein Jahr zuvor zur Kommunion – München liegt immer noch in Bayern – von meiner Großmutter geschenkt bekommen hatte.

Von Männern und Mythen

Ende der 1980er war das Spielen … irgendwie undogmatischer. Gut, NES-Besitzer waren generell Vollpfosten und spielten lieber mit einer übergewichtigen Rassismus-Pointe statt mit einem flotten Igel, aber sonst spiegelten die Titel noch eine gewisse liebevolle Naivität wider. Oder sagen wir so: Heutzutage müsste man, um Califonia Games legitim spielen zu können, ein postmodernes, Surfermythen dekonstruierendes T-Shirt mit dem Aufdruck “Real surfers don’t say DUDE!” tragen. Seinerzeit reichte uns bereits eine Tüte Billigkartoffelchips für 99 Pfennig (aka “Die Währung vor Eurer Zeit”).

Mutter, der Mann mit den Games ist da

Also, rein in das Spiel. Für seinen Extrem-, Fun- oder SonstigeNomenklatur-Sportler einen Namen überlegen, sich einen übercoolen Sponsor aussuchen (im Zweifelsfall immer Santa Cruz, das klang damals schon reichlich verwegen-trendy), die zu absolvierenden Events aussuchen und loslegen: ein Pad, zwei Buttons und ein Steuerkreuz. Und natürlich beten, dass die lieben Eltern nicht auf die absurde Idee kommen, das TV-Gerät benutzen zu wollen. Angstschweiß. Manchmal Zittern. Noch keine Magenschmerzen. Die kommen angeblich mit 40 (noch fünf Jahre).

Blast from the Past: California Games

Go! Trasher! Hang! Ten!

Zurück zum goldenen Westküsten-Goodfeeling-Game. Echte “Joypadakrobaten” (so die Videospiel-Printpresse gerne in den 1980ern und 1990ern) versuchen sich in den folgenden Disziplinen, die allesamt Juveniles ausstrahlen: Skaten in der Half-Pipe, Rollschuh-Laufen am Strand, BMX-Stunts in einem speziellen Parkour, Footbag-Action (inkl. Vogelabschuss), Frisbeescheiben feuern und der ultimativen Herausforderung: Surfin’ USA! Klar ist, dass man als Spieler stets seine Lieblingsdisziplinen hat. Von Beginn an liebte ich den BMX-Pfad und das Surfen; später entwickelte ich eine innige Beziehung zum eleganten Footbag-Spiel. Am wenigsten mochte ich den Schau-Rollschuhlauf am Strand. Kein Wunder: Da fiel die arme Bikini-Schönheit immer so unsanft auf den harten Teer. Das konnte ich gar nicht mit ansehen. Schreckliche Bilder. Die Leute jammern heute über moderne Titel, aber das frühe Grausen der Spät-80er, ja, DAS steckt bis heute in den Knochen. Lasst Euch das von Opa gesagt sein! Der ollen Frisbeescheibe sowie der Half-Pipe stand ich übrigens indifferent gegenüber – hätte man die beiden mischen können, wäre ich vielleicht wieder dabei gewesen.

Gülden der Baum der Erinnerung

Interessant im Sinne meiner eigenen Spiele-Vita und -Persönlichkeit ist, dass California Games einer der wenigen Titel ist, bei dem es mir Spaß machte, mich mit anderen zu messen. Vor allem bereite es mir Freude, mich der Surf-Jury zu stellen und zu versuchen, ein höheres Ergebnis einzufahren als meine Mitspieler. Sonst pfeife ich ja auf gediegenen Wettbewerb und schwöre auf ein geselliges, ich möchte fast schon stammeln, frühsozialistisches Utopia. Vielleicht lag es auch daran, dass dieses kleine Mini-Spiel Surfen in mir dasselbe Flow-Erlebnis auslöste, wie es das Jahre später erscheinende erste Tony Hawk Pro Skater auf der PSX tat. Ich, die Welle, das Brett. Willkommen in der Glückseligkeit der … California Games.


Ruldolf Inderst studierte Poltikwissenschaften in München und Kopenhagen. 2009 schloss er seine Promotion zur Vergemeinschaftung in MMORPGs in Amerikanischer Kulturgeschichte ab. Zusammen mit Christof Zurschmitten leitet er das Ressort Games bei nahaufnahmen.ch. Auch als Herausgeber diverser Game-Studies-Sammelbände ist er immer wieder umtriebig.