Apocalypse Wau: Ein Hund zieht in den Krieg

Apocalypse Wau: Ein Hund zieht in den Krieg

Nur noch wenige Tage, dann geht es los. Ich bin bereit, obwohl ich nicht wirklich weiß, was mich erwartet. Ich weiß nur, dass ich für alles bereit sein muss, weil alles passieren kann. Man hat mich für diesen Auftrag auserwählt und vorbereitet, weil ich zu den Besten gehöre. Als reinrassiges Zuchttier weiß mein Halter, was er von mir erwarten kann. Alle Unsicherheitsfaktoren wurden schon vor meiner Zeugung aus dem Weg geräumt. Ich bin kein gewöhnlicher Hund. Ich bin ein Hund, gemacht für den Krieg. Und dieser Krieg wird mein Krieg sein.

Während andere Hunde Tennisbällen hinterherjagten und an Vororthydranten ihren Geschäften nachgingen, habe ich für den Ernstfall trainiert. Für einen Ernstfall, der so unvorstellbar war, wie er jetzt zu einer unfassbaren Realität zu werden droht. Winselnd sehe ich meine Artgenossen Schutz bei ihren Haltern suchen, während ich meinem die Rückendeckung geben werde, die er für seine heikle Mission benötigt. Ich schlage an, wenn sich Gefahr nähert und rieche ich Sprengstoff, alarmiere ich meinen Herrn. Ich bin ein wichtiger Bestandteil einer Einheit, die so viele Kriege schon gemeistert hat, dass sie auch diesen ohne mich bewältigen könnte. Doch sie zählen auf mich, denn wie sie bin ich ein Ghost.

Als Hund habe ich eine Lebenserwartung, die um den Faktor 7 geringer ist als die meiner menschlichen Mitstreiter. Doch was bedeuten solche Zahlenspielereien schon in einem Krieg, der bis in den Weltraum hinein geführt werden wird? Ich habe Soldaten ihren letzten Atemzug nehmen sehen, die mich in einer anderen, in einer besseren Welt mühelos überlebt hätten. Für sie war ich mit meinen acht Jahren ein Kindersoldat, doch ließen mich die markerschütternden Bilder dieser Schlachten in einem Maße altern, das jeden gesunden Rahmen sprengt. Wenn die Pflicht ruft, dann ruft der Tod zurück, das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben. Doch für wie viele ist der Krieg nur ein Spiel, der Tod nur eine Momentaufnahme, unbedeutend, solange man sein Ziel nur erreicht? Wer denkt wirklich noch an all die Leichen, über die er gehen musste, um am Ende ganz oben zu stehen? Dieser neue Konflikt ist wie ein Knochen, dem die jungen und unmündigen Rekruten hinterherjagen sollen, während wir alten Hunde ihn am liebsten direkt vergraben würden.

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Man sagt, der Krieg mache Jungen zu Männern, doch hinterlässt er nur gebrochene Kinder, denen nie die Zeit gegeben wurde, all die Wirren und Schrecken bewaffneter Auseinandersetzungen zu verstehen und zu verarbeiten. Mit meinen Pfoten kann ich keine Waffe bedienen, ich bin selbst die Waffe. Doch diese Frischlinge führen ein Gewehr mit einer solchen Leichtigkeit, dass ihnen die Schwere des Abfeuerns verborgen bleibt. Wenn ich einem feindlichen Soldaten die Kehle zerreiße, dann nur, weil man mich dazu abgerichtet hat. Ich bin geboren, um zu gehorchen. Man hat mich schließlich so gut konditioniert, dass sogar der bloße Klang einer Glocke meinen Speichelfluss in einen wahrhaftigen Wasserfall verwandeln kann. Doch warum läuft all diesen unbefleckten Rekruten das Wasser im Mund zusammen, wenn man ihnen eine Waffe in die Hand drückt?

Ich verstehe nicht viel davon, warum sich Menschen gegenseitig jagen und vernichten, aber ich habe gesehen, wie sie sich untereinander die Gewalt schmackhaft machen. Während für uns Tiere das ausgewählte Jagdziel auch gleichzeitig unsere Trophäe ist, bekommen die Menschen Orden und Abzeichen für ihre Jagderfolge. Ihre Uniform verkommt zur Pokalvitrine, während nichts mehr an die erlegte Beute erinnert. Wenn ich das Fleisch nicht will, dann jage ich es nicht. Das mag Hundelogik sein, doch warum sollte ich einen Hasen reißen, nur um diesen anschließend gegen ein Kopftätscheln und ein Leckerli einzutauschen? Die Menschen würdigen ihre verschuldeten Opfer nicht, sie verhöhnen sie, indem sie selbst deren mentale Überbleibsel noch zu abstrakten Kokarden verarbeiten, die sämtliche Blutspuren an der Kleidung verdecken. Die vielen bunten Streifen, das Gold und das Silber, sie sollen sie reinwaschen, von der unermesslichen Schuld, die sie auf sich geladen haben. Ich bin nur ein Tier, ich folge meinen Instinkten und die Jagd ist Teil meines Seins. Die Menschen jedoch, sie entscheiden bewusster, das ist es, was diesen ganzen Krieg so abscheulich macht. Aber wenn die Glocke klingelt, dann kann ich nicht anders und leiste denen Folge, die es eigentlich besser wissen müssten.

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Wie jedes Jahr wird auch dieser neue Krieg sich schnell wieder alt anfühlen. Es ist unerheblich, ob er in Vietnam, in Amerika oder im Weltraum stattfindet, Krieg zermürbt und ermüdet jeden, der ihn auf sich wirken lässt. Nur noch wenige Tage, dann melden sich erneut unzählige neue Rekruten und lernresistente Veteranen freiwillig für einen Einsatz an, der ohne sie niemals stattfinden würde. Einer davon wird mein neuer Halter sein, weil die Propagandamaschinerie der Kriegstreiber von Activision mich in diesem Jahr zu einer begehrenswerten Trophäe auserkoren hat. Ich bin ein Ghost und alle anderen sind es auch. Ich beschütze meine Einheit mit meinem Leben, weil ich wie sie auf unhinterfragte Gefolgschaft abgerichtet bin. Und wenn im neuen Jahr der nächste Krieg ausbricht, dann bewahrt mich meine geringere Lebenserwartung hoffentlich vor dem erneuen Klang der Glocke. Denn wenn die Pflicht ruft, möchte ich bei den Hühnerknochen liegen, die ich als junger Hund unter dem Kirschbaum vergraben habe. Bei den Knochen, die ich nie vergessen habe, weil nicht mehr ich an ihnen nage, sondern sie an mir.

Mein Name ist Riley und ich bin ein Ghost. Wenn am 5. November der Krieg losbricht, werde ich da sein. Auf der Playstation 4 sogar in echten 1080p! Denn viel wichtiger als meine Gedanken zum Krieg ist doch die Feststellung, dass er dieses Jahr schon im Vorfeld mit Auflösungserscheinungen zu kämpfen hat.