Candy™ Box 2
Candy Box 2 ist in jeder Hinsicht eine typische Fortsetzung. Während der erste Teil noch bei Jedermann ein „Musst du spielen, krass“ hervorrief, wirkt der zweite regelrecht geleckt. Glatt, aalig wie der schlangenförmige Fisch. Und saugut. Leider wird Candy Box 2 trotzdem nicht ansatzweise die gleichen Massen ansprechen wie der Vorgänger. So bizarr es sich lesen mag, aber Candy Box 2 ist ein Spiel für Gamer. Die nur ansatzweise berührten Rollenspielelemente des ersten Teils erreichen hier neue Höhepunkte.
Candy Box 2 steckt mich in eine ASCII-Spielwelt. Das ist neu, denn der erste Teil bot keine visualisierte Welt, nur ein Interface. Es gibt eine Weltkarte, Synonym für offenes Gameplay. Es gibt ein Inventar mit Waffen und Rüstungen, Synonym für Rollenspiel. Bis ich herausfinde, wie ich meine Candy-Produktion steigern kann, dauert es allerdings Stunden. Ich spiele hier nicht Cookie Clicker, ich spiele ein Assassin’s-Creed-gewordenes Blödsinnsbrowsergame. Purer Stress, aber Spaß macht es trotzdem irgendwie. Trotz ist das Stichwort. Trotz allem freue ich mich über die Neuerungen. Die Option, den Hintergrund schwarz schalten zu können, zündet einen äußerst absurden Gedanken: Ich spare Strom, wenn der Computer während meiner Abwesenheit Candies und Lollypops für mich produziert.
Wenn ich dann doch wieder aktiv zu Maus und Tastatur greife, um mich durch Dungeons zu prügeln und meine Spezialfähigkeiten einzusetzen, frage ich mich allerdings schon, was ich da überhaupt mache. Ich erinnere mich an die ironisch-affektierten Worte eines Freundes, der immer „deep“ sagt, wenn irgendwas auch nur einen Anschein von Anspruch verströmt. „Deep“ ist Candy Box 2 tatsächlich. Mein Inventar ist leer, da ist noch Platz für so viel mehr. Diese neue ASCII-Welt kommt mir wie ein kleines Meisterwerk vor, das leider trotzdem viel weniger Aufmerksamkeit genießen wird als sein Vorgänger. Das ist traurig.
Alte Videospiel-Magazine hätten die Art von Spielentwicklung, die hinter Candy Box 2 steckt, als liebevoll bezeichnet. Zu Recht. Es sind die Details, die mich daran fesseln, nicht mehr der tumbe Suchtfaktor, den ich nicht genau identifizieren kann. Es sind die kleinen Qualmfähnchen über den Häusern in der Stadt, es ist das symbolisierte Wasser, es ist die Keule des Orks. Es scheint, als habe jemand einfach tagelang nichts anderes gemacht als zu überlegen, wie der perfekte Ork mit Keule aussehen mag. ASCII-Kunst. Das MoMA wird vermutlich noch ein paar Jahre brauchen, das zu honorieren. Verständlich, denn das Thema ist abstrakt. Ich selbst bin komplett abstrahiert.