Berühr mich: Eliss Infinity

Eliss Infinity

Das hier wird in ein Geständnis ausarten: Ich habe schöne Hände. Ja, wirklich. Zehn lange, schmale Finger und ansehnliche Fingernägel. Gerne hole ich mir neben meinen Kürbiskernbrötchen auch die regelmäßigen Komplimente der Bäckereifachverkäuferinnen ab. Beim Bezahlen werfen sie oft einen Blick auf meine Nägel und fragen dann mit gespielter Empörung, wie lange ich wohl dafür gebraucht hätte. Dann lächle ich immer mit dieser Mischung aus überrascht und verschüchtert, bedanke mich für das Kompliment und sage, dass es eigentlich wenig Aufwand sei, da  – guten Genen sei dank – alles von Natur aus so wächst, wie es gerade irgendeiner Norm für ansehnliche Menschenpfoten entspricht. Nun gut, das mit der Norm denke ich mir im Stillen. Ich kann also zusammenfassend sagen, ich war mein Leben lang mit meinen Händen sehr zufrieden.

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Dann kam Multitouch. Mit der Multitouch-Steuerung auf dem iPad kamen die Probleme und auch die ersten Zweifel an der Eignung meiner langen Finger für die Welt des Digitalen stiegen in mir auf. Beispiel gefällig? Auf diesem Bild von Eliss Infinity kann man nicht deutlich erkennen, wie ich kurz zuvor mit sieben (!) Fingern gleichzeitig versuchte, Farben über das iPad-Display zu bewegen. Drei Finger auf Gelb, zwei Finger auf Blau und zwei auf Lachsrosa. Das Ziel wäre es gewesen, diesen kleinen gelben Punkt in der oberen rechten Ecke weiter nach links zu bewegen, damit es keine Überschneidung mit diesem fiesen blauen Pünktchen direkt darunter mehr gibt. Wie ich das mit meinen langen Fingern ohne lebensgefährliche Verknotungen schaffen sollte, ist mir ein Rätsel. Sollten mir meine Hände nach all den Jahren jetzt wirklich im Weg stehen? Mitnichten. Alles was mir in dieser Situation gefehlt hat, war etwas mehr Talent zum Multitasking, Konzentration und Übung. Denn Steph Thirion implementierte im Alleingang nicht nur sphärische Klänge und eine faszinierende Spielmechanik, sondern auch Physik. Die kleinen, farbigen Scheiben lassen sich bei Bedarf einfach in die gewünschte Richtung werfen und dieser Vorgang hätte in diesem Fall vielleicht Schlimmeres verhindert.

Das beschriebene Szenario, das nicht zu Unrecht an Twister erinnert, findet aber erst im fortgeschrittenen Spiel von Eliss Infinity statt. Eigentlich ist das Spielprinzip sehr einfach: Ich habe eine farbige Fläche und diese muss ich in die gleichfarbige Schablone schieben. Wie Topf und Deckel passt alles zusammen. Natürlich gibt es irgendwann mehr als eine Farbe gleichzeitig auf dem Spielfeld mit den jeweils farblich passenden Schablonen dazu. Die Farben bleiben jungfräulich, denn untereinander Anfassen ist strengstens untersagt und wird mit Energieverlust bestraft! Der ansteigende Schwierigkeitsgrad führt mich sanft in weitere Kniffe dieses Spielprinzips ein. Manchmal muss ich einen Kreis teilen, da er sonst zu groß für eine kleine Schablone wäre oder gleichfarbige Kreise zusammenführen, damit sie groß genug sind. Eine über das Spielfeld fliegende Supernova mit zugehöriger Supergravitation erleichtert das Leben der kleinen Kreise auch nicht gerade.

Eliss Infinity

Eliss Infinity bietet drei freispielbare Spielmodi. Zum einen Odyssey, das wie das ursprüngliche Eliss 25 überarbeitete Level beinhaltet. Infinity ist der Endlosmodus und wird bereits sehr früh sehr fordernd. Ziel ist es hier, möglichst viele Kombinationen zu bauen und eine hohe Punktzahl zu erreichen. Das lässt sich einfach mit den eigenen Gamecenter-Freunden vergleichen und führt je nach Geschick zu Jubelschreien oder Verwünschungen. Einem gewissen Dennis K. nehme ich es auch fast nicht übel, mehr Punkte zu haben als ich. Fast. Zum Glück bleibt immer noch die Möglichkeit, mich im dritten Modus, der Spacebox, auszutoben. Hier wurden alle Spielelemente zu einer großen Sandbox zusammengefasst und ich kann mit meinen Fingern Farben zu Planeten formen, Klänge generieren und abstrakte Sphären erschaffen. Entspannend.

Zugegeben: Die abstrakte und flächige Optik schreckte mich zu Beginn etwas ab, denn in meinem Kopf entstand das Bild eines ebenso abstrakten wie leblosen Spieles. Das Gegenteil ist der Fall. Es macht unglaublich viel Spaß, die verschiedenen Farben zusammenzuführen und dabei immer wieder auf die veränderte Umwelt zu reagieren. Selten hielt mich ein kleiner iOS-Titel so lange auf Trab und weckte den Ehrgeiz in mir, jedes Level durchzuspielen. Denn eines ist Eliss Infinity nie: unfair. Auch wenn es schwierig werden kann, so liegt es doch stets an mir und meinem Mangel an Konzentration. Beim zweiten oder dritten Anlauf klappt es meistens dann doch aus eigenem Antrieb heraus und diese Erfolgserlebnisse sind einfach unglaublich befriedigend. Der Arcade-Modus dürfte zudem alle Freunde von Super Hexagon beglücken und die eigene Leidensfähigkeit erneut auf die Probe stellen. Lange Finger oder nicht: Für mich war Multi-Touch noch nie besser. To Infinity (and beyond)!