Superlevel

A MAZE 2013: Auf der Suche nach Philipp Fisch

Wenn auf der imaginären Indie-Landkarte die geplagten Protagonisten von Indie Game: The Movie das superhippe Williamsburg darstellen, dann ist Deutschland Pforzheim. Es gibt Indie-Entwickler, aber sie sind nicht vernetzt, sie nicht bekannt und sie werden hier noch mehr ignoriert als irgendwo anders. Auf dem A MAZE Indie Connect habe ich mit Jana Reinhardt von Ratking Entertainment und Arnold Flöck von Tinytouchtales (Deletr) über deutsche Indies gesprochen.


Was ist eigentlich los mit Indies aus Deutschland? Warum sind die… nicht so cool? Wo ist der deutsche Phil Fish? Wo ist der Punk?

Jana Reinhardt Das ist so eine ganz schwammige Frage, die muss man sehr langwierig beantworten. Ich glaube halt, dass viele Deutsche gezwungen sind, ihre Spiele zu verkaufen und den Stil entsprechend anpassen. Oder glauben, den Stil anpassen zu müssen an einen Mainstream. So wie viele Indies beispielsweise auf die Quo Vadis gehen und dort mit “Professionals” reden und Publisher suchen. Das ist mit so ein Grund, weshalb es das nicht gibt.

Arnold Flöck Ja, da hab ich einen ähnlichen Eindruck. Dadurch, dass die Deutschen sehr strukturiert und sehr zielorientiert arbeiten, versuchen sie dementsprechend auch, ihre Spiele zielorientiert an den Mann zu bringen. Apropos Punk: Ich erinnere mich da an Cactus, der ja seit Jahren völlig abgefahrenes Zeug macht und dann aber selber auch gemerkt hat, dass er mal was verkaufen muss. Und dann letztendlich auch leider als Punk in die Verkaufsecke gehen musste, das aber natürlich gut gemacht hat mit Hotline Miami. Aber so wie wir es in einigen Talks gehört haben, muss man am Ende des Tages seine Rechnungen bezahlen. Es gibt in Deutschland ein sehr gutes Sozialsystem und das macht sehr viel aus und ich glaube, man könnte viel experimenteller sein, aber die Deutschen sind per se in der Natur etwas vorsichtiger als die Amis. Ein gewisses Temperament fehlt der deutschen Entwicklerszene.

Jana Das ändert sich schon. Teilweise gibt es Absolventen, die kommen von der Games Academy, die lernen gerade dieses Strukturierte, sich an der Industrie zu orientieren, in diese Richtung zu gehen. Und an den staatlichen Schulen ist es eben umgekehrt. Da kommen viele Künstler, Designer und denen fällt es wiederum schwer, sich zu vermarkten. Dass sie nach außen treten, dass sie bloggen, Talks geben, das muss man halt irgendwie zusammenbringen.


Wie kann man das fördern?

Jana Am ehesten, indem sich das verkauft. Und was ich auch so merke bei der deutschen Gamespresse: Da wird immer alles mit AAA verglichen statt mal zu sagen: „Hey, das steht für sich. Das ist total gut. Punkt.“
Stattdessen wird oft gesagt: “Ja, macht schon Spaß. Aber die Grafik ist nicht so geil, ist nicht so AAA.” Das wird immer dazugesagt. Ich glaube, wenn einfach mal akzeptiert wird, dass diese Spiele gut sind so wie sie sind, dann haben auch mehr Leute den Mut, diesen Weg zu gehen.


Wie schwer ist es eigentlich für euch als Entwickler, bei einer GameStar oder PC Games zu landen? Ist das überhaupt möglich? Schreibt Ihr Mails, sagt “Hallo” und werdet ignoriert?

Jana Ja (lacht). Das Problem ist ja, dass TRI gerade in der Alpha ist und das ist sowieso nicht so cool. Das wird von vielen ignoriert. Aber ich glaube, auch wenn das fertig ist, würde ich da keine Mails zurückkriegen. Ich glaube aber auch, die deutsche Gamespresse ist online etwas abgekapselt. Ich hab nicht das Gefühl, dass sie sich dafür interessieren, Input von außen zu bekommen.


Ich hab ja auch mit Arnold vorhin über Deletr geredet und es gibt auf Deutsch nicht so das Pendant zu Touch Arcade. Wo versucht man es denn da, etwas unterzubringen?

Arnold Die einzige Plattform, die ich da kenne, ist Superlevel. Das Ding ist halt genau das. Dass solche klassischen Medien, die in Deutschland sehr bekannt sind wie GameStar, PC Games, das hört man am Namen, die sind sehr fokussiert auf diesen AAA-Konsolenmarkt. Ich habe keine Ahnung, ob die eine Mobile-Sparte haben. Wir haben uns halt grade auf Mobile eingeschossen, das ist eine Beschränkung auf der einen Seite, auf der anderen Seite natürlich immer eine Möglichkeit. Was ich halt auf meiner Seite sehe ist, dass die deutsche Presse auch nur von Deutschen gelesen wird. Bei Toucharcade weiß ich, dass das mehr lesen als nur Engländer oder Amerikaner, weil die einfach auch ein internationales Publikum ansprechen. Ich glaube, dass das vielleicht auch das „deutsche” Problem der Presse und der deutschen Spielepresse ist.


Hattet ihr denn mehr Glück bei internationalen Seiten?

Jana Auf jeden Fall! Die sind sehr viel offener, sehr viel zugänglicher, sind auch offener für experimentelle Seiten. Die antworten auch eher als deutsche Seiten. Ganz komisch. Ich kann nicht sagen, warum.


Aber zurück zu den Entwicklern. Gibt es denn eigentlich kreativen Kram außer eurem Zeug?

Jana Es gibt nichts anderes außer unserem Zeug. Was meinst du, warum wir hier sitzen und niemand anderes? (lacht) Ich finde zum Beispiel die Sachen von Lea Schönfelder irgendwie total interessant und spannend. Sie ist ja auch aus Kassel, von der Kunsthochschule und das merkt man auf jeden Fall.

Arnold Die Jungs von Tiny & Big, die eigentlich ein sehr cooles Konzept auf den Markt gebracht haben, was auch ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen hat. Die hatten auch ein iPhone-Game, Love & Hate, wo sie eine Plattformer-Mechanik mit ein paar neuen Elementen verbunden hatten, die grafisch auch schön umgesetzt wurde. Die hab ich hier [auf der A MAZE] ein bisschen vermisst. Marek Plichta war hier von Spaces of Play, einem Konglomerat aus verschiedenen Freelancern, die Spirits gemacht haben fürs iPad. Ansonsten wird’s echt rar. Deutsche Sachen sind entweder so unter dem Radar, dass selbst wir, die Insider, sie nicht kennen oder sie sind schon alle genannt worden.

Jana Ich hole dann immer meine Liste. Das Problem ist, dass die meisten noch an ihren Sachen arbeiten. Und die sind vielleicht auch ein bisschen zu groß. Dann dauert es halt einfach mal zwei oder oder Jahre, bis es draußen ist. Threaks sind ja auch noch die etwas größeren, die mit Beatbuddy jetzt rausgekommen sind. Und die aus Dresden, von dem paniq.

Arnold Ah, ja, das ist duangle, die machen Nowhere. Das ist ein superkrasser Titel, der abgefahrene, mindblowing Grafiken hat.


Jetzt habe ich gehört, dass ihr genau das Suchen und Finden von Indies aus Deutschland leichter machen wollt. Was habt ihr da so geplant?

Jana Bis jetzt ist es kein großer Plan. Erstmal einfach nur ein Forum, wo deutsche Indie-Entwickler ihre Projekte zeigen können, sich untereinander vernetzen und ganz einfache Fragen klären wie: Was gibt es eigentlich für Förderung für Indies und wie sieht es mit den Finanzen aus? Finanzamtprobleme und sowas. Also Sachen, die wirklich Deutschland-spezifisch sind. Das wäre schon mal ein Anfang. Und auch einfach um festzustellen, wen es eigentlich so gibt in der Stadt. Es gibt wirklich so viele Indies, die man fragt “Wen kennst du denn noch?” und dann muss man denen teilweise sagen, wen es in deren eigenen Stadt noch gibt. Es gibt einfach nichts, wo man einfach mal deutsche Indies sammelt. Und ich glaube, das ist ein guter Anfang mit so einem Forum.

Arnold Wir brauchen einfach eine Liste, wo alle draufstehen und dann kann man gucken, ob man die zusammenbringen kann in einem Forum, um einfach ein bisschen Austausch anzufeuern. Ich glaube, dass damit auch dem Problem der Sichtbarkeit beizukommen ist. Denn alle, die irgendwas machen, haben Leute, die die kennen und man kann sich damit einfach gegenseitig promoten.
“Ihr habt ein paar Follower, ich hab ein paar Follower, meine Follower kennen euch nicht, vielleicht kennen deine Follower uns nicht.” Und wir können einfach Netzwerk-intern versuchen, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit auf uns oder unsere generellen Arbeiten ziehen.

Jana Das ist ja auch das, was Rami (Ismail) in seinem Vortrag gesagt hat, dass man sich gegenseitig ein bisschen nach oben zieht. Das fehlt in Deutschland. Jeder macht sein eigenes Ding und versucht bekannt zu werden, aber die Leute nehmen einander kaum mit. Das ist aber ganz wichtig, gerade in der Indie-Szene. Weil, wie Rami schon sagte: Sich untereinander austauschen, Kontakte austauschen, ist echt wichtig. Ich will ja auch keinem Indie vorwerfen, dass er auf der Quo Vadis ist, das muss jeder für sich selbst wissen. Und man muss auch dazu sagen: Der Schwerpunkt der A MAZE ist schon ein bisschen artsy. Und das muss man dazusagen, dass da viele dann sagen: “Ah okay, das ist nicht so meins. Ich bin zwar Indie, aber ich mache nicht diese komischen Kunstspiele.“ Vielleicht muss man auch mit dem Klischee ein bisschen aufräumen.


Was mir ein bisschen fehlt, sind die Geschichten. Internationale Indiespiele verkaufen sich meist auch über die Persönlichkeit des Entwicklers. Hier ist es meistens: Wir sind ein kleines Team und wir machen ein kleines Spiel und das ist bald draußen und es hat Musik und es sieht süß aus.

Jana Na, das ist doch eben dieses Strukturierte. Du studierst, du machst dein Studium fertig, danach entscheidest du dich, ob du in eine Firma gehst und in deiner Freizeit als Indie weitermachst machst oder du gründest dein Studio und lebst von irgendeiner Förderung. Dadurch gibt es auch keine Geschichte. Ich glaube, die Amerikaner, Schweden, Engländer, Niederländer gehen einfach mehr Risiken ein. Dadurch entstehen diese coolen Geschichten. Bei uns ist das einfach weniger.

Arnold Das ist auch das, was Journalisten gerne machen. Die verkaufen gerne eine Geschichte, die um das Spiel herum entstanden ist und nicht das Spiel. Und ich glaube, dass es eben ein Großteil dieser Risikofaktor mit da reinspielt, dass Leute einfach sagen: Fuck it, wir machen jetzt ein Jahr lang Spiele und wenn es nicht klappt, dann werden wir auch wieder auf der Couch von den Eltern schlafen müssen und am Ende habe ich einfach eine tolle Geschichte. Oder Colin Northway, der seit fünf Jahren seine Spiele immer von den schönsten Stränden macht. Incredipede ist auf Maui, Hawaii oder sonstwo am Strand enstanden, was auch natürlich interessant ist. Wir müssen uns dann halt an den Hamburger Strand setzen. Solche Stories fehlen leider. Eine interessante Geschichte macht natürlich noch kein gutes Spiel. Aber da ist Potential nach oben, dass man ein bisschen mehr die Geschichten um die deutschen Indies weiterentwickelt.

Ich freu mich auf jeden Fall, was euch so einfällt beim Foren-Treffen und hoffe, da zuschauen zu dürfen. Vielen Dank!

11 Kommentare zu “A MAZE 2013: Auf der Suche nach Philipp Fisch”

  1. RottenHedgehog
    1

    Ich rede wirres Zeug. Danke an euch, war eine schöne Runde!
    Mit Privatschulen oben meinte ich natürlich Staatliche Schulen, weil die eben nicht auf die Wirtschaft fokussiert sind. m/

    • Dennis Kogel
      2

      Fixed!

  2. Fabu
    3

    In meinem nächste Leben werde ich Spieleentwickler.

    • Anjin Anhut
      4

      Werd’s in diesem Leben. Keine Ausreden.

    • Fabu
      5

      Wenn der Tag 48 Stunde hätte, ja. ;-)

  3. Daniel Raumer
    6

    WTF? Dennis trägt Hemden mit andersfarbigen, weißen Ärmeln und Kragen wie die Banker an der Wall Street?
    IST DAS NOCH INDIE? ICH KÜNDIGE MEIN SUPERLEVEL-ABO!

    • Dennis Kogel
      7

      Da fließt es hin, das Crowdfunding-Geld, in meine preppy Garderobe

    • Fabu
      8

      Zum Glück sieht man auf den Fotos deine 1.500€-Schuhe aus Schlangenleder nicht.

  4. Mat
    9

    Sehr spaßig zu lesen! Grund zum Vermissen vom Team von Tiny & Big gibt es natürlich dieses Mal, aber nicht generell: Letztes Jahr waren sie sogar nominiert. Minifehler noch: Marek Plitscher heißt eigentlich Plichta. Auf dieses Forum bin ich auch wahnsinnig gespannt -- vielleicht bekommt man die Communities der größeren Städte zusammen!

    • Dennis Kogel
      10

      Danke! Ist korrigiert!

  5. BugFish
    11

    Es ist ein wirklich ein sehr schwieriges Thema.
    Aber ist Indie nicht ein Ausdruck dafür das es nicht um die Kohle geht?
    Klar steckt man Zeit und Geld hinein…aber es ist schwer für mich zu akzeptieren, das diese “Punk-Romantik” nur in den wenigsten fällen zutrifft!

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