Der schöne Schein: A Golden Wake
Makler sind bekanntermaßen ein besonders geplagter Menschenschlag. Wackelig an der Armutsgrenze entlangbalancierend, blicken sie Tag um Tag in den finsteren Abgrund der drohenden Arbeitslosigkeit. Aus eben diesem Grund rief der Berufsverband BVFI kürzlich zum Streik auf, um Schlimmeres zu verhindern, nämlich einen Gesetzesentwurf, demzufolge künftig nicht mehr nur auf großem Fuße durch’s Leben lustwandelnde Studentierende, sondern die Vermieter_innen das Maklerhonorar zahlen sollen. Ein Skandal.
Alfie Banks sind diese Probleme fremd. Im Amerika der goldenen Zwanzigerjahre als Immobilienhändler tätig, zieht es ihn vom kalten New York in das sonnenverwöhnte Florida, in dem sich ein historischer Immobilienboom abzeichnet. In Rekordzeit gewinnt er das Vertrauen des lokalen Maklermoguls und wird damit betraut, das Bauprojekt “Coral Gables” voranzutreiben – mal mit rhetorischem Geschick, mal mit dubiosen Mitteln.
A Golden Wake ist nicht nur wegen seines untypischen Heldens und der Verortung im Baugewerbe ein ungewöhnliches Spiel; das Point’n’Click-Adventure verbleibt vielmehr konsequent an der Oberfläche, erzählerisch wie mechanisch, und es kommt während der kurzen Spielzeit von 4-6 Stunden unweigerlich die Frage auf, inwieweit diese Homogenität von Grundislav Games bewusst angestrebt wurde. Der Protagonist präsentiert über weite Strecken der Geschichte nicht mehr als seine sorgsam erhaltene Fassade des charmanten und wortgewandten Lebemanns, was eine Identifikation erschwert und Alfie Banks irrationale Entscheidungen im späteren Spielverlauf unverständlich macht.
Gleiches gilt für ein Gros der anderen – überwiegend nach realen Vorbildern aus dem Immobliengeschäft gezeichneten – Figuren, die selten mehr sind als die Summe weniger Klischees oder Puppen, deren Strippen es mit den richtigen rhetorischen Mitteln geschickt zu ziehen gilt. Und das trotz der gelungenen Sprachausgabe, über die ihnen zusätzliches Leben eingehaucht wird. Diese Oberflächlichkeit fügt sich hervorragend in das Szenario ein, in dem manipuliert, bestochen und vieles künstlich ausgeschmückt wird, nur: Es berührt nicht. Als Alfie schließlich mit den unangenehmen Facetten des Marktes und der Erkenntnis konfrontiert wird, im Grunde nur jedermanns Laufbursche zu sein, schlägt die Stimmung um. Nur ist sein Schicksal deshalb uninteressant, weil sich seine Selbstzweifel und seine Wut zu abrupt Bahn brechen und unglaubwürdige Konsequenzen nach sich ziehen. Das gilt im Besonderen für die moralische Zwickmühle, in die er sich manövriert, als sich mafiöse Strukturen in Coral Gables abzeichnen.
Dabei nutzt A Golden Wake eine interessante Methode, um die Eintönigkeit des Alltags auf die Spielenden zu übertragen, denn: Sie erledigen an Alfies Stelle alle anfallenden Botengänge, werden immerzu von einem Zielort zum nächsten geschickt und verfügen dabei über keine nennenswerte Handlungsfreiheit, da generell nur auf der Stadtkarte markierte Schauplätze durch einen Klick angesteuert werden können. Auch die Rätsel variieren zwar, sind aber derart leicht zu lösen, dass man sich – ebenso wie Alfie – nach einer kurzen Phase der Genugtuung durch die schnellen Fortschritte schlicht verarscht vorkommt. Selten gibt es mehr als einen Gegenstand im Inventar, der überhaupt angewählt werden könnte, nur sporadisch hat es Auswirkungen, wenn Gesprächspartner_innen durch die gewählten Dialogoptionen nicht überzeugt werden können, da entweder unendlich viele, weitere Versuche folgen oder der Spielverlauf ungehindert seinen Weg geht.
Die Bedeutungslosigkeit einer Spielfigur und ihres Handelns auf diese Weise zu vermitteln, ist ein interessantes Konzept, es kann sich aber über die gesamte Spieldauer nicht selbst genügen. Hier und da gibt es zwar abwechslungsreiche Momente – etwa die Flugschau, die organisiert und in die Tat umgesetzt werden muss – und auch die interessanteren Wesenszüge der Charaktere blitzen sporadisch auf. Nur steht diesen Einzelfällen und der stimmigen Inszenierung die geballte Banalität einer Maklerexistenz gegenüber. Eine Drögnis, so offenkundig, dass sie selbst die Immobilienhändler_innen befällt. Der Streik gegen die Gesetzesnovelle jedenfalls wurde abgesagt – wegen mangelnden Interesses.
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