Ludum Dare #24 – Reportage Teil 5
Zurück zum Ursprung! Hier und jetzt! Wo befindet sich das Ur-Gen sämtlicher Spiele auf dieser Welt? Etwa in der minimalistischen Grafik oder gar im Einsammeln von Gegenständen? Im Bekämpfen von Gegnern oder in der simplen WASD-Steuerung? Im Aufleveln des eigenen Charakters?
Die Reise beginnt — alles zurück auf Anfang, wenn sich in diesem Ludum Dare #24-Beitrag alles nur um eins dreht: Genetik.
– Quelle: Gesellschaft für Genetik
Das Aufleveln scheint tatsächlich ein spielmechanisches Element zu sein, das sich im Laufe der Jahrzehnte erfolgreich durchsetzen konnte. Dies geschieht konventionell meist durch das Abschlachten von Monstern. Doch auch hier kann ein Ludum Dare-Beitrag enorm bei mir punkten — auch wenn dadurch die dauerpräsente “Sexistische Kackscheiße!”-Diskussion bestimmt nicht gerade in eine produktive Richtung gelenkt wird.
(Selectra von lazybraingames)
Selectra könnte so wunderbar sein, da es eigentlich alles hat: Ansprechende Retro-Grafik, eine angenehm simple Kombination aus WASD- und Maussteuerung sowie eine weibliche Hauptfigur. Man spielt das göttliche Wesen Selectra, die sich gegen die vom Halbgott Belemnon gesandte Armee von Monsterinsektoiden meuchelt. Es gibt nur ein Problem: Selectras Elementarkräfte sind im Laufe der Jahrhunderte rapide gesunken. Was zu tun ist, wirkt herzergreifend hirnrissig: Reproduktion, Reproduktion und nochmal Reproduktion! Selectra ist schließlich eine Art göttliche Übermutter, die nur Töchter von ihrem Antlitz gebären kann. Ihre Seele ist unsterblich und wandert in jede ihrer Nachkommen über — und damit auch ihre Elementarkräfte. Ihr Grundelement ist das Feuer, wobei jedoch noch zusätzlich Wasser sowie Pflanzen zur Verfügung stehen.
Durch den Sex mit herumfliegenden Männern kann Selectra nun eine weitere Tochter gebären, die einerseits das höherwertige Element (wie bei Pokémon: Feuer schlägt Pflanze, Pflanze schlägt Wasser, Wasser schlägt Feuer) übernimmt und andererseits durch simple Addi- oder Subtraktion (je nachdem, welche Elemente aufeinandertreffen) einen neuen Angriffswert berechnet. Ein Beispiel: Feuer-Selectra (Wert 151) + Wasser-Mann (Wert 51) = Wasser-Selectra (Wert 100); simple Mathematik also, garniert mit einem sexistischen Narrativ, um die eigene Spielmechanik nachvollziehbar zu machen.
Aber ich muss natürlich zustimmen, dass es andere Möglichkeiten gäbe so etwas umzusetzen. In Darwin’s Turtle Race Challenge und Life Stream geschehen die Kreuzungen der verschiedenen Tierarten beispielsweise komplett geschlechtsneutral — so eine Lösung hätte sich bestimmt auch für Selectra angeboten, da sich das Spiel schließlich um übernatürliche Wesen dreht. Da hat es das Genetik-Rätsel-Knobelspiel Detective Darwin schon besser gelöst: Die Visualisierung des männlichen und weiblichen Geschlechts der Aliens entspricht keinerlei Klischeevorstellungen. Aber sei’s drum: Selectra mag zwar ein äußerst diskussionswürdiger Ludum Dare #24-Beitrag sein, aber er macht dennoch enorm viel Spaß. Mir jedenfalls.
(cell.evolve von Jon)
Ich möchte mich nun aber wieder den genetischen Fußspuren des Spiele-Designs widmen. Bestimmte Konzepte lassen sich — ähnlich wie Memes — einfach ständig wiederfinden, wenn auch im dezent veränderten Gewand. Das Paradevorbild dafür war bei diesem Ludum Dare das grandiose Osmos. Ein gefühltes Dutzend an Osmos-Kopien wie Absorption, Bubblution, Eatme! und Primordial Pool habe ich durchgespielt, doch an einer bin ich länger hängengeblieben: cell.evolve.
Mit kleinen eigenen Ideen konnte sein Entwickler bei mir punkten. So ist es möglich, anders als in Osmos, mehrere Zellen zu steuern. Mit diesen müssen folgende Ziele erreicht werden: Zum einen darf keine feindliche Zelle überleben, zum anderen muss man selbst mindestens fünf Zellen in seinem Besitz wägen. Das mag am Anfang noch sehr einfach gelingen, doch spätestens ab Level 10 wirkt die Übermacht der anderen Zellstämme überragend und kann nur durch spielerisches Geschick sowie Multi-Tasking ausgetrickst werden. Für mich wurde cell.evolve damit zur Perle der Osmos-Adaptionen.
– Quelle: Charles Darwin
(Bioboy von nddrylliog)
Doch die alten Konzepte können nur ewig ihr Monopol innehalten, das beweist schon das Stop’n’Motion-Klickspielchen Coin-Operated Afternoon mit seinen 15 (!) verschiedenen Enden. Es wird Zeit für Neues, Zeit für Experimente. “Wie wäre es vielleicht mit einem Plattformer, in dem sich der Protagonist nicht bewegen kann?”, muss sich der Entwickler von Bioboy dazu gedacht haben.
Richtig gelesen: Die Spielfigur kann sich nicht selbstständig bewegen, sondern nur Geschosse in alle Richtungen abfeuern. Mit diesen können beispielsweise andere Objekte zur Bewegung animiert werden oder aber einzelne bestimmte Levelelemente zerstören. Bioboy hat ein vertracktes Rätsel-Design, das aber gerade den FreundInnen des gepflegten Puzzles Freude bereiten dürfte. Das Experiment ist für mich geglückt. This was a triumph. I’m making a note here: Huge success. Sie haben erfolgreich die Vererbungslehre des digitalen Spiels vorangetrieben. Brzzz!
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