Survival of the Fittest
Ich bin eine Antilope in Tokio. Der sprichwörtliche Großstadtdschungel hat sich seit der Abwesenheit der Menschen zu einem echten Dschungel entwickelt. Die Natur übernahm wieder die Macht und lässt Gräser und Bäume aus dem Asphalt der verwaisten Straßenzüge hervorbrechen. Am blauen Himmel hat die Sonne fast ihren Zenit erreicht — und ich stolpere auf meinen jungen Antilopenbeinen unter einer schattigen Brücke hervor.
Meine Sättigungsanzeige sinkt stetig. Lange Pausen an sicheren Orten kann ich mir als Grasfresser nicht erlauben. Der Dschungel ist nicht friedlich. Hinter jeder Straßenecke könnte eine Katze, eine Hyäne oder gar ein Zwergspitz auf mich warten. Gegen diese Jäger helfen nur die Flucht und das hohe Gras als Deckung. Und natürlich ein voller Magen, also muss ich jetzt wirklich mlos und etwas zu fressen finden. Seit meiner Geburt sind jetzt schon zwei Jahre vergangen — und das war vor einer Minute. Wenn ich hier noch ein paar Minuten verweile, werde ich verhungern. Und selbst wenn ich etwas zu fressen hätte, wäre nach 15 Jahren meine Lebenszeit aufgebraucht. Auf geht’s: Ich brauche Nahrung und dann ein williges Weibchen zur Fortpflanzung.
Das Radar zeigt mir einen üppigen Futterplatz in der Nähe des Bahnhofs. Vorbei an schlafenden Hasen und einem stolzierenden Hahn geht es durch ein zerstörtes Haus hinauf auf das Dach. Auf dem Weg habe ich eine weiße Geschenkbox mit roter Schleife gefunden. In ihr befand sich eine Schirmmütze, die ich natürlich gleich aufgesetzt habe. Sie steht mir trotz Hörnern sehr gut. Ah, da ist ja endlich etwas zu futtern: ein Pilz. Mit dem Verspeisen des saftigen Fungus habe ich eine Herausforderung erledigt. Mein Punktekonto steigt, und die nächste Aufgabe wird freigeschaltet.
Ich soll Nachwuchs produzieren und in die nächste Generation wechseln. Dafür benötige ich die geeignete Partnerin und einen Platz für das Techtelmechtel. Um ein Weibchen zu finden, muss ich den Tieren hier im Gebiet zeigen, wer das Sagen hat, mein Revier abstecken. Flink springe ich von Gebüsch zu Gebüsch und markiere vier Punkte im Einkaufsbezirk mit meinem unwiderstehlichen Duft.
Mit einer angeworbenen Schönheit geht es zum Heuhaufen und die kurzen Freuden des Antilopenlebens nehmen ihren Lauf. Wenig später wuselt schon der Nachwuchs umher, und ich gebe die Führung der Familie an den kräftigsten Sprössling ab. Mit seinen Geschwistern im Schlepptau rennt er in die nächste Gasse … und wird blitzschnell von einem Krokodil gerissen. Die Highscoreliste erscheint: Platz 210283.
– Quelle: Wikipedia
Ich bin ein Beagle in Tokio. In meinem Bezirk kann mir keiner das Wasser reichen und mit wehenden Ohren gehe ich auf die Jagd. Küken fallen mir zum Opfer, dann Hasen, Schweine, schließlich sogar ein kleiner Affe. Ich fresse mich an ihrem Fleisch satt und hinterlasse nur die blanken Knochen meiner Beute. Meine Muskeln wachsen, mit jedem Levelaufstieg werden meine Zähne schärfer und mein Fell widerstandsfähiger. Das Gebiet der Stachelschweine habe ich schon erobert und damit das Zebra freigeschaltet. Aber bis ich wieder mit einem Grasfresser durch Tokios Straßen ziehe, tobe ich mich noch etwas als Hund aus.
Es ist Nacht geworden und aufgrund des dichten Regens die Sicht noch stärker beeinträchtigt. Kleine Tiere huschen vor mir in die Dunkelheit davon, suchen Sicherheit im nächsten Gestrüpp. Ich lasse sie links liegen, denn mir schwebt etwas Delikateres zum Fressen vor. Eine Kuh liegt schlafend zwischen einem liegengebliebenen Auto und einem umgestürzten Lastwagen. Schleichend nähere ich mich von hinten, warte, bis meine Instinkte für den einen tödlichen Angriff bereit sind, und springe der blökenden Beute an die Kehle. Ihr Schrei ist nur von kurzer Dauer, denn mein Biss sitzt perfekt. Während ich mich an ihrem Fleisch gütlich tue, tritt ein Dinosaurier aus dem Schatten hervor. Er lässt seine Zähne kurz aufblitzen und dann wird es für immer dunkel. Die Highscoreliste erscheint. Platz 16253.
7 Kommentare zu “Tokyo Jungle”
3 Trackbacks zu “Tokyo Jungle”
Kommentare sind geschlossen.
The desperate female shows no interest in Daniel.
ich bin mir noch nicht so ganz sicher bei dem Spiel. Irgendwie macht es schon spass aber andererseits hat es auch ganz gehörige Längen ohne große Ereignisse.
Die Elemente wiederholen sich recht schnell, da sich alle Jäger und alle Gejagten sehr ähnlich spielen, ja. Der Storymodus bringt noch etwas Abwechslung, ist aber auch irgendwie sehr zäh erzählt.
Ich werde noch alle paar Tage mal ein neues Tier freischalten, bis ich irgendwann selber der Dinosaurier oder Elefant sein darf, aber für längere Spielzeit am Stück eignet sich Tokyo Jungle für mich auch nicht.
[sexismus]
Kann man beim Start eigentlich das Geschlecht wählen?
[/sexismus]
Bei ein paar wenigen Tieren geht das, jup.
Ich erinnere an den tollen Tiersimulator in Zak MacKracken, da man ja unter Anwendung des blauen Kristalls in einige Tiere schlüpfen konnte, als da waren Delphin, Vogel, Yak (“kaue Gras”), Goldfisch (“schwimm linksherum, schwimm rechtsherum”)und zweiköpfiges Eichhörnchen.
Ich gebe zu, der Interaktionsradius war damals arg eingeschränkt, aber Spass machte es uns doch trotzdem.
Huch? Wusste ich gar nicht. :-O
Ich wollte schon immer mal ein Känguru sein und zu treibenden Techno-Beats ein paar Tigern heftig in die Fresse hauen.