Superlevel

Empire

Empire

Gleich eine Warnung vorweg: Ihr werdet das Strategiespiel Empire nie durchspielen. Ihr werdet nie einen Abspann mit hoffnungsvollem Sonnenuntergang sehen, niemand wird sich glücklich in den Armen liegen, und es wird sich kein Gefühl der Zufriedenheit in euch ausbreiten. Doch nicht nur das: Ihr werdet auch kein einziges Spiel gewinnen. Nicht eines. Nicht einmal ein halbes. Keines. Null.

Empire zählt sich selbst zum Genre der 4X-Spiele. Die vier X stehen dabei für explore, expand, exploit und exterminate, und der wohl bekanntester Vertreter ist die Civilization-Reihe. Es gilt also, sein eigenes Imperium aufzubauen, die Umgebung zu erforschen, Rohstoffe abzubauen und feindlich gesinnte Völker zu unterwerfen. All diese Spielelemente haben auch ihren Weg in Empire gefunden, allerdings in einer auf das Minimum reduzierten Form. Dadurch schrumpft die Spielzeit eines Durchgangs von vielen Tagen bis Wochen auf wenige Minuten.

Das eigene Weltreich besteht aus maximal drei Städten, die automatisch Rohstoffe aus ihrer Umgebung gewinnen. Wälder geben etwas mehr Nahrung als Wiesen, und in Minen können Edelsteine abgebaut werden. Das war es auch schon an Ressourcenmanagement. In regelmäßigen Abständen können die Städte ausgebaut werden. Neue Gebäude verringern die Kosten für Einheiten oder begünstigen den Abbau von Rohstoffen. Doch auch hier wird auf die Komplexitätsbremse getreten. Es gibt nur drei Ausbaustufen und jede verfügt nur über zwei Varianten.

Empire

Ebenso reduziert ist der Umfang der eigenen Streitkräfte. Sie bestehen nur aus einer Armee mit maximal sechs Einheiten, zusammengestellt aus Kämpfern, Bogenschützen und Kavallerie. Kriegerische Auseinandersetzungen sind nötig, um sich gegen eine stetig expandierende Monsterrasse zu verteidigen. Die Kämpfe werden auf einem schachbrettartigen Feld ausgetragen, auf dem die Figuren pro Runde automatisch immer einen Schritt nach vorne gehen. Mithilfe von Spielkarten lassen sich die Einheiten und damit ihre Laufwege verschieben. Bogenschützen und Kavallerie greifen eher in diagonalen Bahnen an, während die Schwertkämpfer besser für den Frontalangriff geeignet sind.

Und damit bin ich beim eigentlichen Spielziel und dem Grund angelangt, warum Empire mir kaum Freude bereitet. Die einzige Bestrebung liegt darin, möglichst lange zu überleben und dabei viele Punkte einzusammeln. Diese gibt es für höher entwickelte Städte und Siege im Kampf. Alle Mechanismen sind allerdings darauf ausgerichtet, beide Erfolgsmöglichkeiten Stück für Stück unmöglich zu machen. Städte können nicht unendlich viele Ressourcen aus dem Umland gewinnen und müssen irgendwann umgesiedelt werden. Dabei zieht man unweigerlich immer näher an den Gegner heran, der mit immer häufigeren Angriffen reagiert. Selbst wenn diese erfolgreich abgewehrt werden, wirft einem Empire zusätzlich Stöcke zwischen die Beine, indem es pro Sieg und auch Niederlage einige nutzlose Spielkarten in den eigenen Stapel mischt. So werden die Handlungsmöglichkeiten unweigerlich eingeschränkt und der Untergang des eigenen Imperiums ist schlicht vorprogrammiert.

Empire

Sicherlich ist all das eine bewusste Entscheidung der Entwickler rund um 100 Rogues-Erfinder Keith Burgun und viele Hardcore-Strategen freuen sich über die stetig wachsende Herausforderung. Für mich stellte sich aber nach der dritten Runde nur Frustration ein. Dabei ist nicht der hohe Schwierigkeitsgrad das zentrale Problem, sondern die Gewissheit, mit den eigenen Entscheidungen irgendwann nicht einmal mehr die Möglichkeit für einen erfolgreichen Ausgang herstellen zu können. Darunter leidet wiederum das Spielgefühl, denn anders als bei der steten Jagd nach der nächsten Höchstpunktzahl in einem Geometry Wars oder noch simpler einem Tetris ist der Weg nicht bunt, fröhlich und mit kurzen Phasen der Freude gesprenkelt, sondern düster, verbittert und voller Nackenschläge. Die Idee, das überkomplexe Genre der 4X-Strategie einzudampfen, ist eine gute, dabei aber all den Spaß des Aufbauens, Wachsens und Expandierens ebenfalls radikal zu beschneiden, ist eine sehr schlechte. Empire ist dabei leider über das Ziel hinausgeschossen.

5 Kommentare zu “Empire”

  1. Bert
    1

    Damn it. Als Internetkind ist meine Aufmerksamkeitsspanne ja quasi nicht mehr vorhanden, und deshalb freu ich mich eigentlich immer über Spiele, die die überbordende Komplexität eines Genres reduzieren und sich damit zugänglich aber nicht zu simpel machen. Kein Casual game, sondern eher Core light.
    “Empire” wäre dafür doch ein schöner Kandidat gewesen, aber was der Daniel an Kritik anbringt, hört sich schlüssig an.
    Schade :,(

  2. Taktiker
    2

    Ja und es ist auch noch tierisch langweilig nach der ersten Stunde.

  3. Torsten Scholz
    3

    Ich neige ja dazu euch zuzustimmen, nach 2 Stunden Spielen will ich mich umbringen.

  4. Nachtfischer
    4

    Die Information, dass man nie gewinnen kann, ist schon eine Weile veraltet. Mittlerweile wurde tatsächlich eine Siegbedingung ins Spiel eingebaut (100 Punkte). Dem Spieler wird also ganz offiziell zum “Sieg” gratuliert. Überhaupt ist der stetige Support durch große und kleine Updates vorbildlich, genau wie die Offenheit von Designer Keith Burgun.

    Zugegeben, die Marke von 100 Punkten wirkt momentan etwas arbiträr und bedeutungslos. Dem wird aber mit der kommenden Version 1.3 entgegegewirkt werden. In dieser wird ein Meta-Game-System eingeführt: Das Ziel sind in jeder Partie 100 Punkte. Erreicht der Spieler das (d.h. er gewinnt), so sammelt er Meta-Game-Erfahrungspunkte und kann (prinzipiell “unbegrenzt”) im Level aufsteigen. Der Witz: Mit steigendem Level wird das Spiel schwerer. Somit sind also dynamische Anpassung des Schwierigkeitsgrads, “In-Game-Progress” und Skill-Maß in einem System gekoppelt. Sinn der Sache ist natürlich, das Spiel langfristig für jeden Spieler-Skill kompetitiv interessant zu halten und zudem der ganzen Sache mit dem “Gewinnen” mehr Bedeutung zu verleihen.

    Zum Spiel selbst:
    Empire ist meines Erachtens das mit Abstand beste Videospiel, das 2013 erschienen ist. Während viele 4X-Genre-Vertreter auf eine positive Feedbackschleife setzen (d.h. ihr werdet immer stärker und stärker bis ihr im öden End-Game einfach alles überrollt, was sich dann auch noch ewig hinzieht), ist hier das Gegenteil der Fall. Die einmal abgebauten Ressourcen kommen nicht zurück, das Land wird immer mehr von Zerstörung und Ödnis überzogen. Es ist ein Kampf gegen die schwindenen Ressourcen und die stärker werdenden Feinde.

    Unterstützt wird diese Mechanik von einem unterliegenden Deck-Building-System. Dabei handelt es sich glücklicherweise nicht um ein Meta- Sammelkartenspiel, sondern jede Partie wird mit einem von drei “Charakteren” gestartet, der dann auch über das Start-Deck entscheidet. Diese Karten kommen im ausgeklügelten Kampfsystem -- dem Glanzstück des Spiels -- zum Einsatz und dienen dazu, eure Truppen zu verschieben, Zauber zu wirken oder weitere spezielle Effekte auszulösen. Die zahlreichen Interaktionen der verschiedenen Einheiten, Feinde und Karten sind hochinteressant. Nach einer siegreichen Schlacht dürfen neue Karten in das Deck aufgenommen werden. Was zunächst positiv klingt, wird aber schnell zum Problem, denn das Deck wird unhandlicher und damit unberechenbarer. Zudem fügt jede verlorene Einheit eine wertlose Verderbniskarte in euer Deck ein, die nur schwierig wieder loszuwerden ist.

    Dabei kommen dann auch die Städte ins Spiel. Die Nahrungsernte bringt euch regelmäßig (so lange es um die Stadt herum noch Nahrung zu sammeln gibt) Stadt-Upgrades ein. Diese können unter anderem dazu verwendet werden, das Deck im Spielverlauf zu optimieren. Das Spiel forciert dabei stets ein nomadisches Verhalten, d.h. ihr werdet immer wieder eine (der maximal 3) Städte abreißen und woanders wieder aufbauen, um wieder einen anderen Teil der Landkarte “auszubeuten” bzw. später im Spiel auch vor allzu häufigen Monsterangriffen zu fliehen. Eine großartige Dynamik!

    Empire ist enorm elegant, setzt also auf relativ wenige und klare Regeln (die in Tutorial und In-Game-Anleitung schön erläutert werden) und entfaltet dennoch eine gewaltige Spieltiefe. Zudem habe ich selten ein Spiel so fokussiert auf seinen Kern (das Management von schwindenden Ressourcen) erlebt. Jeder weitere Mechanismus dient der Unterstützung desselben. Auch ist die “Zeitverschwendungsrate” unheimlich gering: Ständig gibt es interessante Entscheidungen zu treffen, sei es taktisch im immer wieder herausfordernden Kampf-Kartenspiel oder strategisch auf der Landkarte.

    Jedem ernsthaften Strategen (und überhaupt Spieler) kann ich nur empfehlen, einen ausgiebigen Blick auf diesen kleinen Geniestreich zu werfen, der zudem noch enormes Potenzial für weitere Verbesserung aufweist (nebenbei bemerkt bin ich seit vielen Monaten Betatester -- vor Release und noch immer für künftige Updates -- und kann versprechen, dass dem Spiel noch Großes bevorsteht).

    • Daniel Russart
      5

      Ich will Empire seine positiven Aspekte gar nicht absprechen und die Unterstützung Post-Release finde ich auch toll, aber der brutale Minimalismus in den verschiedenen Mechaniken muss nicht jedem schmecken. Viele Reviews sind extrem positiv. Anderen gefällt es nicht so sehr: siehe die Kommentare unter diesem Artikel.

      Die nächsten Updates werde ich aber im Auge behalten. Grundsätzlich finde ich das Konzept schließlich sehr spannend.

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