Ludum Dare #23 – Reportage Teil 7/7
Ein leises Servus an euch, Leserschaft von Superlevel,
und auch an dich, Ludum Dare #23!
Heute geht alles vorbei. Mit dem heutigen Tag beende ich meinen Testlauf der 1.402 Spiele, die du uns geschenkt hast. Unsere Zeit zusammen war nicht immer leicht. Der rapide Schlafmangel sowie die erhöhte Koffeinzufuhr, die du mir aufgedrängt hast, hinterließen starke Spuren – insbesondere unter den Augen. Aber dennoch war es auch schön, faszinierend, ermutigend. Für das alles und noch viel mehr möchte ich dir, liebes Ludum Dare #23, mit einem kleinen Abschiedsbrief danken.
[Der letzte Beitrag der Ludum Dare #23-Reportage. Ein Stilbruch.]
Zu Beginn erschienst du mir noch so unverfänglich und harmlos. 200 Spiele am Tag testen – na gut, komm schon, wie schwer kann das schon sein in Anbetracht der Tatsache, dass die Spiele ja nur innerhalb von 48 beziehungsweise 72 Stunden programmiert wurden? Läppisch, dachte ich jedenfalls.
Aber dem war nicht so. Wie ein kleiner, von einem Bakterium-Parasiten gelenkter Planet hast du Laserstrahlen und Raketen voll mit digitalem Kulturgut auf mich niederprasseln lassen. Nie hast du nachgelassen, auch noch weitere Teile meiner Galaxie einzunehmen. Von einem kleinen Planeten bist du für einige Zeit zu meinem Universum geworden.
Es gab nichts mehr außer dir. Du warst eine neue Welt, die es zu entdecken galt. Sicher, das menschliche Bedürfnis des Essens musste noch ab und an gestillt werden, aber das war ja kein Problem. Viel schlimmer waren frustrierende Testläufe, in denen ich Dutzenden von hintereinander auftretenden Spielen nichts abgewinnen konnte. Es kam mir vor, als würde ich von kleinen Aliens angegriffen werden oder – schlimmer noch – von zeit- statt hirnfressenden Zombieastronauten. Aber weißt du, manchmal kam auch ein schimmernder Stein, schon fast einem Diamanten ähnlich, mir in den Weg. Die Motivation war wieder da. Denn ich wusste, dass ich das ja alles aus dem richtigen Grund tat: Aus der Liebe zum digitalen Spiel und aus der Liebe zur Computerspielkultur. Ich konnte dich nicht einfach so im Stich lassen; nicht wegen ein paar kleiner Hindernisse.
(ONLY US)
Dennoch hoffe ich, dass du nie dachtest, dass ich einfach von oben auf dich herabschaue und dich analysiere. Nein, ich wollte dich nicht wie eine unberechenbare Gottheit bewerten, immer wieder diese ‘objektiven Maßstäbe’ anlegen wie Grafik, Sound, Gameplay, Story oder sonst irgendetwas. Nein, das wollte ich wirklich nicht. Weißt du, alle deine TeilnehmerInnen hat nur eine Sache wirklich geeint, und das war nicht einmal das Thema. Es war das Engagement für dich. Überleg dir das mal: Bei 1.402 Spielen macht es bei der Multiplikation mit 48 Stunden schon knapp 67.300 Stunden, die für dich investiert wurden! Da kann ich wirklich nichts objektiv bewerten, sondern nur meine persönlichen Lieblinge hervorheben und möglichst vielen Menschen zugänglich machen.
Dabei war meine kleine Schatzkiste gar nicht ganz enthüllt: Ich habe kleine Geheimnisse wie BEEFWAR, Buggy, Tank and Missile Launcher!!!, Copulous, Cosmicro, Fracuum, Intersection, It’s a Tiny Life…, Miniature Worlds, NaMa Tek, Recluse, Rubiq’s Garden, SAVE YOUR FOLKS!, Singularity, Sirus the Virus, Soul Searchin’, The world of Marceline, Tiny Boss und Tiny Garden of Hope für mich behalten – nur aus Formgründen, weil ich dachte, ich könnte sie nie einarbeiten. Es gab einfach zu viel. Zu viel erschien mir identisch, zu viel ließ sich kaum beschreiben, zu viel war nicht einzuordnen. Ich versuchte mein Bestes, indem ich mir immer fünf bis sieben für mich interessante Spiele heraussuchte und sie innerhalb eines Oberthemas zu beschreiben versuchte. Alles ließ sich irgendwie einordnen. Ich wollte eben eine gewisse Struktur haben. Jetzt ist mir das nicht mehr möglich – irgendwann stoße auch ich an meine Grenzen.
Deine enorme Vielfalt erschien mir heute ehrlich gesagt wie eine Plage. Eine gar apokalyptische Schreibblockade schwebte wie mein höchstpersönliches Damoklesschwert über meinem Schädel. Ich sah mir die besten Spiele aus dem letzten Testlauf von 202 Spielen noch einmal an und versuchte eine Verbindung herzustellen, aber irgendwie… Es wollte mir nicht gelingen. Doch die Bindung zu diesen Spielen war immer noch da. Ich wollte sie nicht einfach so unbemerkt fortgehen lassen.
Natürlich waren die Spiele nie die perfekten Beispiele. Kaum etwas würde einfach so im Handel vertrieben werden können; aber ist das unbedingt nötig? Eher nicht. Diese Leute haben alles aus reiner Leidenschaft produziert. Das ist wundervoll. Ein Hobby, an dem sie alle teilhaben lassen können. Du hast einen Stein ins Rollen gebracht, liebes Ludum Dare #23, da bin ich mir sicher. So vielen Menschen hast du neue Kontakte, Ideen und Freude geschenkt. Es mag sich vielleicht nicht heute, nicht morgen, nicht übermorgen auszahlen, aber der Dankbarkeit kannst du dir gewiss sein. So freue selbst ich mich als Reporter über dich, da ich nicht nur die Spiele und einige der ProgrammiererInnen, sondern auch das Superlevel-Team ein wenig kennenlernen durfte.
(ONLY US)
Liebes Ludum Dare #23, du warst eine Bereicherung für mich.
Danke, Sebastian.
6 Kommentare zu “Ludum Dare #23 – Reportage Teil 7/7”
3 Trackbacks zu “Ludum Dare #23 – Reportage Teil 7/7”
Kommentieren
Schade, ich hab jeden Bericht gehofft, dass du unser Spiel “SlimeABug” erwähnst :(
Sebastian, du bist ein Held!
Eine ähnliche Leistung ist mir nur von Brendan Keogh bekannt, der “bloß” 48 Stunden wach geblieben ist, um einen Game Jam in Australien zu begleiten. Nachzulesen hier.
Ich finde dein Beitrag verdeutlicht nochmal wie viele Spiele wir eigentlich verpassen. Da machen Leute weltweit über 1000 Spiele in kürzester Zeit und es braucht das Engagement (und den Irrsin) eines Menschen, das alles zu spielen und zu sehen.
Danke, das war großartig! <3
Was Dennis sagt.
Yeah, Screenshot von meinem Spiel.
Respekt für die hier getane Arbeit so viele Spiele anzutesten. Ich hab nur 10% geschafft. Vielen Dank für diese Reportage. Insbesondere dem letzten Absatz kann ich aus der Teilnehmerperspektive nur voll zustimmen.
Vielen Dank Sebastian!
Es hat mir wirklich große Freude bereitet, diese Artikelreihe zu lesen und ja es ist schade, dass es nun vorbei ist. Zwischenzeitlich hatte ich Zweifel, ob du das bis zum Ende durchhalten kannst, denn dafür braucht man wirklich Ausdauer! Aber wie du so schön in Briefform schreibst, hat dich die Liebe zur Computerspielkultur weitergetrieben und genau das liest man auch aus deinem Text heraus. Daher, gefällt mir dieser Teil nun wirklich am besten.
Habe mir auch Gedanken gemacht, warum ausgerechnet mir diese Reihe so gut gefällt, da ich mich doch sonst eher so mittelprächtig für Indie interessiere. Zum einen der persönliche Einschlag. Wie du sagst, Du hattest nicht die Möglichkeit “objektiv” zu bewerten, das ist bei der schieren Masse einfach nicht möglich. Es blieben dir nur die Sahnestücke und die unter ein gemeinsames Thema zu stellen war geschickt, denn so konnte ich die Spiele für mich auch einordnen.
Für von der Welt getriebene Menschen (ich), die sich ein paar Spielminuten erkämpfen müssen, ist das sicherlich ein Segen. Was wiederrum der Grund ist, weshalb Indie nur partiell in meinen Fokus gerät: die hohen Qualitätsschwankungen. Neinein, ich will keine Sekunde an Schrott verschwenden, sei es ein schlechtes Buch oder Spiel. Und was Schrott ist und was nicht, ließ mich dein Beitrag erahnen. Alles mit Mehrwert hat mir gefallen. Was mir etwas über die Welt, über den Entwickler oder mich sagte. (Bsp: “Tiny Garden of Hope”, man erahnt sehr schnell, dass das eine Frau entwickelt haben muss ;) Ich finde es wundervoll auf viele Weise. “Only US”: Emotionbar, ja natürlich!)
Will jetzt nicht zu bedeutungsschwanger werden, wäre noch so viel mehr zu sagen dazu. Besonders warum man ALLES in Maßen genießen sollte, auch das Spielen wie du gezeigt hast. Vielleicht irgendwo irgendwann. :)
Viele Grüße
Ps: Schreibst du jetzt öfter für Superlevel? ;)
Vollkommen irre. <3