Quantum Conundrum
Kein Artikel über das neue Puzzlespiel Quantum Conundrum kommt ohne einen Vergleich zur Portal-Reihe aus. Auch dieser nicht. Zu offensichtlich sind die Parallelen, als dass man sie nicht zumindest nennen, vielleicht sogar tadeln, müsste. Wir spielen einen schweigsamen Hauptcharakter, der sich in der Ego-Perspektive durch eine Reihe von Räumen puzzeln muss, während ihn der Erbauer der Hindernisse beobachtet und mit Spott und Häme überschüttet. Anstelle von zwei Portalen kommen allerdings vier Dimensionen zum Einsatz.
Als namenloser 12-jähriger Junge besuche ich meinen Onkel, den Professor Fitz Quadwrangle. Anstatt mich an der Haustür persönlich zu begrüßen, berichtet der Professor per Funk von einem fehlgeschlagenen Experiment und ehe ich mich versehe, gibt mir ein spezieller Handschuh die Kontrolle über vier verschiedene Dimensionszustände. In der ersten Dimension wird die ganze Welt flauschig und schwere Gegenstände sind plötzlich federleicht. Die zweite Dimension lässt alle Objekte tonnenschwer werden, die dritte verlangsamt die Zeit und die vierte Dimension kehrt die Gravitation um. Ich selbst bleibe aber von all diesen Einflüssen verschont, nur die Umgebung ändert sich.
Per Tastendruck lässt sich immer nur ein Zustand aufrecht erhalten. Komplexität entsteht deswegen durch die geschickte Kombination der Dimensionen. Abgründe können in Quantum Conundrum zum Beispiel folgendermaßen überwunden werden: In der flauschigen Dimension heben ich einen Safe hoch und werfen ihn in Richtung Ziel, danach wechsele ich schnell in die Zeitlupen-Dimension, renne hinter dem geworfenen Safe her und springe auf ihn hinauf. Der Safe segelt nun langsam über den Abgrund, mit mir als Passagier. Da der Schwung des Wurfes aber nicht ausreicht, um die andere Seite sicher zu erreichen, schalte ich jetzt die Gravitation um und plötzlich stürzt der Safe nicht mehr hinab, sondern schwebt nach oben zur rettenden Platfform. Rätsel gelöst, mind blown, Finger schwitzig.
Solch grandiose Momente bietet das Spiel aber leider zu selten oder verpackt sie zusätzlich mit präzise zu berechnenden Sprungpassagen und ekstatischen Laserschranken. Wer die schlechten Seiten von Quantum Conundrum in Action sehen will, der muss sich nur die letzten zehn Minuten des Quick-Looks von Giantbomb anschauen. Es wird geflucht, es wird immer wieder versucht, aber am Ende schalten sie das Spiel wütend aus. Solch emotionale Ausbrüche konnte Quantum Conundrum bei mir nicht auslösen. Es fehlte an einigen Stellen jedoch nicht mehr viel, um auch mich den Controller mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Monitor schleudern zu lassen und dann hätte keine flauschige Dimension mehr helfen können.
In solchen Momenten trug auch die Story nicht zur Beruhigung bei. John de Lancie, seines Zeichens Star Trek-Veteran, spricht den Professor zwar mit einer gewissen Freude, transportiert aber weder interessante Inhalte noch auflockernde Witze. Von einer GlaDOS oder einem Cave Johnson ist Fitz Quadwrangle leider weit entfernt und auch sonst darf an die Geschichte kaum ein Gedanke verschwendet werden. Ein paar Wandgemälde berichten von Anekdoten aus vergangener Zeit, doch das Wie und Warum des Ortes und den Geschehnissen bleibt bis zum Spielende ungeklärt. Anstatt eines großen Abschlusses, gibt es einen Cliffhanger und die Vertröstung auf kommenden DLC. Schade.
Kim Swift, Mit-Erfinderin von Portal und nun Spieledesignerin bei Airtight Games, beschrieb den Arbeitsprozess an Quantum Conundrum in einem Interview mit dem PA-Report folgendermaßen: “We knew we were 16 people, we knew we had a year, and we knew we had X amount of money to make this game.” Dieses, zunächst gar nicht negativ zu lesende Zitat, beschreibt das Dilemma von Quantum Conundrum hervorragend. Ein kleines Team hat in kurzer Zeit ein taugliches Puzzlespiel geschaffen. Für den endlosen Feinschliff, wie wir ihn von Valve und der Portal-Reihe kennen, blieb keine Zeit. Warum bestehen so viele Hindernisse aus puren Geschicklichkeitspassagen anstelle von klugen Rätseln? Warum darf man auf einem Safe stehen, auf einem ebenso großen und ebenso quadratischen Karton aber nicht? Warum lassen sich einige Rätsel auf Arten lösen, die so sicher nicht von den Entwicklern gewollt waren? Und warum sollte mich als Spieler irgendetwas vom Erlebten interessieren, wenn es doch alles in einem großen weißen Nichts endet?
Ich kam für die Puzzle und blieb für die Puzzle. Wer in einer Ego-Perspektive mal nicht ständig Menschen über den Haufen schießen will, der kann mit den knapp 50 gebotenen Rätsel von Quantum Conundrum und einer Spielzeit von 5–6 Stunden nicht viel falsch machen. Für einen großen neuen Indie-Hit fehlt es aber leider am Feintuning und der letzten zündenden Idee. The cake is a (small) lie.
Mehr Informationen gibt es auf der offiziellen Webseite.
19 Kommentare zu “Quantum Conundrum”
4 Trackbacks zu “Quantum Conundrum”
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konstruktive zu Wort Meldung! *wink*
Hatte ich mir schon mal im Vorverkauf angesehen, war dann aber nicht überzeugt. Aber hey, es gab TF2 Hüte dazu! HÜTE! O.O
Naja, für lau würde ich es sicher mal ausprobieren.
Schade, ich hatte mich riesig auf diesen Titel gefreut. Aber danke für das ehrliche Review. Ich hoffe, der DLC reisst wird einiges wieder rausreissen.
Andererseits: Für 15 EUR wird wohl doch eine Menge geboten.
Sieht doch toll aus. Und gleich mal ein Rätsel gespiloert in dem ersten Video, na vielen Dank ;)
Ich fands sehr viel besser als Daniel =]
Kim Swift kann keine Geschichten erzählen, oder…sie kann sie nicht so gut erzählen wie Chet Feliszek und Erik Wolpaw, die ja Portal und Portal 2 geschrieben haben. Aber das ist ungefähr wie zu sagen, dass J.K. Rownling einfach nicht so gut schreibt wie David Foster Wallace. Andere Liga und so.
Was Kim Swift kann, das sind Puzzles. Und mich hat Quantum Conundrum als Puzzlespiel bestens gefordert und unterhalten. Die Idee mit den unterschiedlichen Dimensionen fand ich wundervoll, sowieso, die Idee, dass ein Raum, viele andere Räume enthalten kann, ist so fantastisch spannend. Quantum Conundrum ist da vllt eher so das erste Spiel, das zeigt, was da nur ansatzweise möglich ist. Ich setze meine Hoffnungen auf Antichamber, um zu zeigen, wie das richtig, richtig mind-blowing sein könnte.
Und in der Hinsicht fand ich auch John de Lancie als Blödsinn-sabbelnden Quadwrangle äußerst sympathisch. Für mich hat er die Puzzles nett aufgelockert und das ist alles, was ich mir davon erhofft habe. Die Geschicklichkeitspassagen fand ich gar nicht so hakelig wie so viele andere Kritiker. Meist reicht die Zeitlupendimension, um da vernünftig durchzukommen. Oder vllt bin ich auch einfach nur unglaublich geschickt. (Bin ich nicht)
Insofern…ich fands gut, nicht überragend, aber ein schöner Eintrag ins junge First-Person-Puzzle-Genre neben Portal 1+2 und QUBE.
Wenn die Parallelen zu Portal nicht so heftig wären, gäbe es auch weniger Vergleiche und falsch geschürte Hoffnungen. Damit musste Kim Swift schließlich rechnen.
Und die Puzzle fand ich doch auch gut! Nur ein bisschen zuviel First-Person-Gehüpfe! Das war noch nie eine gute Idee …
Wer Interesse an Puzzle-Games hat, sollte sich Quantum Conundrum also auf jeden Fall anschauen.
Kommen in dem Spiel überhaupt Portale vor oder worauf beziehst du deinen Vergleich?
Spielerisch sind sie sich nur soweit ähnlich, dass in beiden Kisten auf Knöpfe transportiert werden müssen, um dadurch Ausgangstüren zu öffnen.
Bei Ablauf und Inhalt gibt es dagegen viele Parallelen. Der Held spricht nicht und manipuliert seine Umgebung mit einem Handschuh/Portal-Kanone. Er läuft von Puzzle-Raum zu Puzzle-Raum und bekommt währenddessen von einem größenwahnsinnigen Charakter, der die Räume erbaut hat, “lustige” Sprüche an den Kopf geworfen. Bei Portal sind das Test-Chamber und GlaDOS. Es gibt Roboter und Laserkanonen, die überwunden werden müssen. Hintergrundinformationen bekommt man zwischen den Level über Bilder/Zeichnungen, wie auch bei Portal. Es gibt keine anderen Personen, mit denen man interagiert. Man ist also allein und isoliert. Das kleine Monsterchen Ike steht ab und zu mal hinter einer Ecke und könnte mit dem companion cube oder einem schweigenden Wesley verglichen werden.
Um deine Frage also zu beantworten: keine Portale, aber genau die gleichen Ideen, um den Spieler zwischen den Puzzles bei Laune zu halten. Da hätte man vielleicht mal etwas anderes probieren können.
Eines der Spiele, bei welcher mich die Comicoptik abschreckte. Es gibt nicht viele Spiele, denen eine solche gut bekommt, Team Fortress 2 ausgenommen. Der Vergleich mit Portal 2 ist legitim -- und bis zum nächsten DLC wird’s sicher ein Lückenfüller.
Werde jetzt bis tief in die Nacht Let’s Plays schauen. Danke für nichts, Stinkstiefel.
(Und ich muss gestehen: Die Grafik ist sehr viel hinreißender als sie sein sollte.)
“Warum lassen sich einige Rätsel auf Arten lösen, die so sicher nicht von den Entwicklern gewollt waren?”
Interessant, dass du das als negative Kritik anführst. Für mich war das Hauptproblem in “Portal 2″ gerade, dass es sich oft wie Malen-nach-Zahlen anfühlte, soll heissen: Dass es -- im Gegensatz zu “Portal 1″ und vor allem “Tag” -- nicht einmal mehr die Illusion bot, eigene kreative Lösungen entwickeln zu können. Fühlte sich oft ein wenig wie ein Gängelband an, weshalb ich das Spiel (abgesehen vom Koop-Modus) auch auf sehr hohem Niveau enttäuschend fand.
Insofern ist die Möglichkeit, die Designer selbst zu überlisten, für mich fast eher ein Kaufgrund. (Wobei mich die Review sonst präzise davon überzeugt hat, dass es für mich vermutlich nicht das richtige Spiel ist.)
Kreative Lösungswege FTW!
Spielkonzept und Grafik schauen interessant aus. Die Story ein bisschen generic.
@gotohaneda
Mehrere Lösungswege sind auch eine gute Sache, aber an einigen Stellen bin ich mehr so ungeschickt ins Ziel gestolpert. Es hat dann nicht KLICK gemacht und ich habe eine Idee umgesetzt, sondern es fühlte sich etwas nach Zufall an.
Nicht so auf first person platforming elementen rumhacken. Portal hat jede Menge davon und ohne die wäre das spiel nur halb so gut
Die Kombination aus Physics-Puzzel und Geschicklichkeit find ich sehr interessant.
Gerade bei Portal 2 haben mir die Ninja-Sprünge etwas gefehlt.
Auf alle Fälle fände ich es sehr wünschenswert, wenn sich aus den”Testkammer-Puzzlern” ein eigenes Genre etablieren würde, ohne dass sie zwangsweise mit Portal verglichen werden müssen. Qube hat mir z.B., bis auf die letzen beiden Levels, auch sehr gut gefallen.
http://www.zeit.de/digital/games/2012-06/quantum-conundrum
Gewinner des Steam-Codes wurde benachrichtigt.
Eurogamer hat heute auch eine sehr treffende Review gebracht, die allerdings eine etwas zu harte Wertung unter den Artikel setzt: http://www.eurogamer.net/articles/2012-06-26-quantum-conundrum-review
Glückwunsch, ihr Gewinner. :)