Heute vor 8-Bit: Der Digitalspielekulturkalender
Sehr geehrte aufmerksame Zielgruppe: Einige von euch werden in letzter Zeit auf unserer Facebook- oder auch der Twitter-Präsenz festgestellt haben, dass täglich neue, ominöse Beiträge erscheinen. Diese sind jedoch nicht auf unsere aktuellen Artikel bezogen, sondern auf die Vergangenheit. Wer, wie, was, wieso, weshalb und warum soll heute in diesem kleinen Artikel mal geklärt werden. Ich möchte euch heute das von mir unter dem Arbeitstitel Digitalspielekulturkalender geführte Projekt, die Motive dahinter und Zukunftspläne vorstellen.
Etwa Mitte September 2013 kam mir die Idee, dass man einen kleinen Service bei Superlevel anbieten könnte: Einen Kalender über Digitalspielekultur, der täglich Informationen zu Erstveröffentlichungen von wichtigen, guten, kontroversen und/oder populären Spielen, aber auch technische Neuheiten, Geburts- sowie Todestage von berühmten SpieleentwicklerInnen, Unternehmensgründungen sowie -schließungen und ähnliches abdeckt. Kurz gesagt alles, was die Digitalspielekultur irgendwie beeinflusst.
So recherchierte ich kurzfristig die ersten möglichen Grunddaten für die Tage im September und Oktober, um ein erstes Grundrepertoire an Material auf die Beine zu stellen. Ich war begeistert von der Datenfülle und entschloss mich in Absprache mit dem Superlevel-Team dafür, ab dem 19. September einen ersten Versuch zu wagen. Täglich sollte ein Info-Tweet mittels des Superlevel-Account herausgebracht werden, der dazu noch auf einen Artikel aus der Vergangenheit Bezug nimmt. Der Wahnsinn begann:
[Info] Heute vor fünf Jahren haben @IVSoftware #Multiwinia veröffentlicht. Daran arbeiten sie jetzt: http://t.co/66h1jG7KoR
— Superlevel (@superlevel) September 19, 2013
Doch dieses Verfahren war nur der Anfang. Ab dem 28. September startete die Facebook-Offensive. In mühevoller Kleinarbeit begann ich ausführlichere Statusmeldungen zu schreiben, die grundlegende Informationen zu den jeweiligen Spielen anboten. Parallel dazu ging die Recherchearbeit weiter.
Unser Spielekulturkalender umfasst mittlerweile rund 500 wichtige Titel. Welche Spiele dürfen eurer Meinung nach nicht fehlen?
— Superlevel (@superlevel) October 10, 2013
Seit dem besagten 10. Oktober ist jedoch viel passiert. Nicht nur, dass ich aufgrund der positiven Resonanz eine Digitalspielekulturkalender-Facebookseite sowie einen Twitter-Account eröffnete, nein, noch viel besser: Ich konnte meine Datenbank von rund 500 auf mittlerweile knapp 2.500 Datensätzen aufstocken. Für mehrere Wochen versank ich in der Welt der englischsprachigen Wikipedia und recherchierte weiter. Damit entstand eine großangelegte Tabelle, welche die Informationen nach Datum, Ereignisart, Spiele/Konsole/Handheld/Person/Unternehmen, Trivia, den EntwicklerInnen, Publisher und Genre ordnen lässt. Das ist zwar nur Phase 1 der Gesamtrecherche, soll aber an dieser Stelle genügen.
Dabei werden momentan folgende Relevanzfiltermaßstäbe an die inkludierten Daten gesetzt: Erstens die erbrachte spielmechanische bzw. -technische Innovation, zweitens die Extremität der Rezeptionserfahrungen (derzeitig aufgeteilt in enorm positive, negative oder absolut polarisierender Kritik, wobei gerade der Metascore ein wichtiger Erstfaktor darstellt) und drittens auch die Verkaufszahlen und die damit verbundene Popularität bzw. Anknüpfungsfähigkeit der Rezipierenden. Der Kalender soll also einerseits an die nostalgischen Erinnerungen von SpielerInnen anknüpfen, andererseits aber auch täglich ein kleines Stückchen Digitalspielekultur nahebringen.
Die Motivation dahinter ist die mir kurios anmutende Haltung gegenüber Video- und Computerspielen, die selbst heute noch vielerorts verbreitet scheint. Erst 2009 wurden Videospiele offiziell vom Deutschen Kulturrat als ein Kulturgut anerkannt. Aber auch heute noch stellt sich offenbar für medien-konservativ ausgerichtete Menschen — wie zuletzt erst Anfang Oktober bei ZDF log in sichtbar wurde — diese Frage; nicht nur in Deutschland. Dabei erscheint mir die Antwort darauf glasklar: Spiele waren schon immer Kulturgut, fest verankert in unsere (Medien-)Kulturgeschichte, in unserem Erfahrungsschatz, in unseren Biografien. Selbst wer nicht explizit spielt, kommt mit Spielen in Verbindung, und sei es nun durch Werbung, durch soziale Kontakte oder durch die Behandlung der Thematik in anderen Medien. Der Kalender erschien mir deshalb als geeignet, um eine solche Verflechtung des Mediums Computer- bzw. Videospiel in unserem kulturellen Alltag auf numerischen Wege sichtbar zu machen: Wenn man an jedem x-beliebigen Datum einen spielehistorisch verwurzelten Beitrag aufweisen könnte, so würde die Omnipräsenz der Spiele sichtbar werden.
Das ist also die Grundidee und Motivation des Digitalspielekulturkalenders. Ich werde weiterhin dafür recherchieren um den Datenschatz selbst zu erweitern. Mein persönlicher Traum wäre es jedoch, genau diese Datenfülle nicht nur als Kalender zu betreiben, sondern zu einer Chronik der Spielekultur umzugestalten. Am liebsten würde ich ein populär-wissenschaftliches Sachbuch schreiben, in dem entweder monats- oder quartalsweise die gesamte Historie aufgearbeitet wird — jedoch weniger in Bezug auf technische, sondern ästhetische Innovation. Dabei würden Fragen wie ‘Welches Spiel führte zur Popularisierung dieser Spielmechanik oder dieses Genres?’, ‘Wie verknüpft ist das Medium Computerspiel mit der Film- und Fernsehbranche?’ oder auch ‘Wie kam es zur massenhaften Entwicklung von Indie-Spielen?’ zu beantworten versucht werden. Immer wieder gäbe es kleine Anekdoten und interessante Fakten. Habt ihr beispielsweise gewusst, dass Nintendo bereits 1889 gegründet wurde? Oder dass es einen ausgefuchsten Blackjack-Spieler namens Ken Uston gab, der es mit seinem Pac-Man-Strategie-Buch auf die Bestseller-Liste schaffte? Oder jemals von dem Urban Legend-Arcade-Automaten Polybius gehört, der epileptische Anfälle verursacht haben soll? Nein? Genau sowas würde meine Chronik leisten.
Wer weiß, vielleicht schaffe ich es irgendwann dieses Projekt zu realisieren und zu finanzieren, denn wie immer steht mir lediglich das Geldproblem im Weg. So ein Projekt kann ich leider nicht einfach mal eben so in meiner Freizeit stemmen. Ganz zu schweigen davon, dass die IllustratorInnen, die ich dafür gerne haben wollen würde, auch bezahlt werden müssten. Ich würde mir Pixeljongleur Dom schnappen, damit er Zeichnungen für die Arcade-Ära anfertigt. Nina hingegen wäre für die Illustrationen im Handheld- und Konsolen-Bereich zuständig. Dazu würde ich noch Diana Lange, deren besonderes Fachgebiet die generative Gestaltung ist, um Grafiken für die Spiele-Gegenwart bitten. Ja, das alles würde ich tun — wenn es denn so einfach wäre. Solange bleibt uns allen eben nur der Digitalspielekulturkalender, aber das ist ja auch schon mal schön, hoffe ich.