Battle Worlds: Kronos
Echtzeitstrategie mag jahrelang das beliebteste PC-Spielegenre überhaupt gewesen sein, aber es war nie ein echter Genuss. Schnell klicken, Mausgeschwindigkeit optimieren, auswendig lernen, welches Gebäude wo und wann gebaut werden sollte – wer will das schon? Im DOS-Zeitalter setzten Connaisseure daher auf Rundenstrategie. Um den in der Fachpresse vielzitierten Genre-Thron stritten seinerzeit Panzer General und Battle Isle. Ich war stets ein großer Fan von letzterem. Es behagte mir schon als Kind einfach nicht so recht, Nazi-Panzer in Russland zu kommandieren.
Ich war offenbar nicht der einzige Battle Isle-Liebhaber. Auf Kickstarter fanden sich genau 7.564 Freunde der Rundenstrategie, die Battle Worlds: Kronos mit ihrer Kreditkarte unterstützen. Ein Spiel, das es sich zum Ziel gesetzt hat, in die übergroßen Fußstapfen des Blue Byte-Klassikers zu treten.
Battle Isle hatte drei nummerierte Teile. Der erste trennte auf anstrengende Art die Bewegungs- von der Angriffsrunde, der zweite erlaubte Angriffe nach der Bewegung und setzte auf modernere Grafik. Der dritte lief unter Windows 95 und hatte furchtbar peinliche Videosequenzen. Die in Bremen stationierten Entwickler von King Art Games haben gut daran getan, sich für Battle Worlds: Kronos den zweiten Teil als Vorbild zu nehmen – unzweifelhaft der Höhepunkt der Serie. Im Spiel enthalten sind zwei Kampagnen, bei denen ich in klassischer Hex-Feld-Manier Einheiten auf einer meist überraschend großen Karte kommandiere. Zur Verfügung stehen zwei Aktionsphasen, ich kann meine Einheit bewegen, angreifen oder eine Spezialaktion ausführen. Bei einigen Einheiten, beispielsweise bei der schweren Artillerie, ist letzteres vor dem Angriff sogar zwingend notwendig: Das Geschütz muss zunächst per Klick in Stellung gebracht werden, bevor es, eine runde Später, seine Zerstörungskraft entfalten kann.
Wie bei Rundenstrategie üblich, habe ich in Battle Worlds: Kronos nicht die Möglichkeit, meine Basis auszubauen. Gebäude existieren von Anfang an, können lediglich von schützenswerten Infanterieeinheiten erobert werden. Wer jedoch eine Fabrik sein Eigen nennt, kann darin neue Einheiten produzieren, genügend Rohstoffe vorausgesetzt. Diese wiederum wollen jedoch zunächst erbeutet werden. Eine strategische Zwickmühle: Wie viele Einheiten muss ich opfern um Rohstoffe zu erbeuten, mit denen ich dann wie viele neue Einheiten produzieren kann? Und: Was macht in der Zwischenzeit eigentlich der Frontverlauf? Er gönnt mir zumindest keine Pause. Die Kampagnen sind straff organisiert, der Computergegner spielt aggressiv, attackiert bevorzugt ungeschützte Kanonen im Hinterland und beschädigte Einheiten – von ein paar verschmerzbaren Aussetzern abgesehen präsentiert sich die KI als ein bemerkenswert würdiger Gegner.
Einheiten gibt es zu Lande, zu Wasser und in der Luft, wie im Genre üblich in leichten, mittleren und schweren Ausführungen, mal mit größerem Angriffsradius, mal als Nahkämpfer, mal als Transporter. Böse Zungen würden vom Üblichen reden. Tatsächlich geht Battle Worlds: Kronos mit dem Battle Isle-Erbe sehr behutsam um. Es ergänzt die strategische Tiefe des Spiels etwa durch ein interessantes Klemmsystem: Wer eine feindliche Einheit von mehreren Seiten einkreist, erhält Angriffsboni. Zudem gibt es Stufenaufstiege. Veteranen erhalten wahlweise Boni auf Angriff, Verteidigung, Sichtweite oder Gegenangriff. All das ist wichtig für das Spiel, ändert jedoch nichts am Battle Isle-Spielgefühl – glücklicherweise. Wenn ich Battle Worlds: Kronos starte, fühle ich mich nämlich wirklich wieder wie damals. Manchmal lege ich mir Süßigkeiten oder Trockenobst zurecht, um über einen Zug ein paar Minuten angestrengt kauend nachzudenken. Dann genieße ich die dramatisch-pathetische Musik im Hintergrund, wäge genau ab, auf welches Feld welche Einheit zieht.
Unverhofft reizvoll ist darüber hinaus der Multiplayer-Modus. Er funktioniert ohne jeden Druck, ohne Zugzwang, Verabredung oder nächtliche Dauersitzungen. Wer mag, eröffnet mit einem befreundeten Spieler eine Partie und macht einen Zug. Der Mitspieler macht seinerseits einen Zug, allerdings nicht unbedingt sofort, sondern vielleicht einen Tag oder eine Woche später. Eine sehr entspannte Spielweise, die noch mehr gewinnen wird, wenn das Spiel für mobile Endgeräte erscheint – schließlich war das eines der Stretch Goals der Kickstarter-Kampagne. Umso mehr freue ich mich jetzt, dass es Battle Worlds: Kronos gibt. Mögen die Spiele beginnen!
Wer mehr über die Hintergründe der Entstehung von Battle Worlds: Kronos erfahren möchte, kann sich Folge 876 von Insert Moin zu Gemüte führen. Kollege Manuel lud Firmengründer und Creative Director Jan Theysen zum Gespräch.
6 Kommentare zu “Battle Worlds: Kronos”
Kommentare sind geschlossen.
/o\ Highlight der Battle Isle Serie war natürlich Incubation.
Aber ist schon komisch, wie dieses Genre, das sich eigentlich nur in kleinen Nischen und formelhaften Varianten wie Civilization oder JRPG-Kämpfen erhalten hat, auf allen Ebenen ein Comeback feiert. Card Games, Smartphone-Spielchen (u.a. Brettspiel-Umsetzungen aller Art), X-Com… jetzt sogar Battle Isle. Finde ich großartig!
Was ich mich ja frage: Warum zum Teufel ist das nicht beim Deutschen Entwicklerpreis nominiert?
http://www.deutscher-entwicklerpreis.de/nominierte
Hmm, Kauf ich mir das jetzt doch? Der Podcast hatte schon echt Laune gemacht, das x-com reboot hat mir die Rundenstrategie wieder schmackhaft gemacht und jetzt habe ich ja auch noch den Link zum passenden Trockenobsthändler.
@Fabu: Wir wollten es einreichen, aber laut Regeln muss ein Spiel zur Berücksichtigung vor einem bestimmten Datum erschienen sein. Wir lagen zwei Wochen drüber. :(
Jetzt müssen wir auf nächstes Jahr warten und es dann einreichen.
Verstehe, schade.
Klemmen gab es allerdings schon bei Battle Isle 2, man hat davon nur ausser über die “Kräfteverhältnis-Pegel” beim Kampf nichts davon mitbekommen.