„Was mache ich hier eigentlich?!“
Eine Saison mit dem
Franchise Hockey Manager 2014
Franchise Hockey Manager 2014
„Was mache ich hier eigentlich?!“
Manchmal trifft man Entscheidungen, die einem schon kurze Zeit später total bescheuert vorkommen. Eine betrunkene Spontanhochzeit in Las Vegas, der Kauf einer Ouya oder das öffentliche Nachdenken über Koalitionsverhandlungen mit der AfD zum Beispiel. In meinem Fall ist es die begeisterte Zusage, etwas zum Franchise Hockey Manager 2014 zu schreiben, ohne ein zu großes Faible für den Eishockeysport oder gar Managerspiele zu haben. Aber ich bin ja auch kein Lümmel, der vor den Konsequenzen seiner Entscheidungen davon läuft und ein Blick über den eigenen Tellerrand hat ja bekanntlich noch niemandem geschadet. Auch wenn eine Rucksackreise entlang der australischen Ostküste wahrscheinlich mehr Eindruck hinterlassen hätte als ein Spiel, neben dem Microsofts Excel wie eine kunterbunte Piñata prall gefüllt mit guter Laune wirkt.
Meinen Ehrgeiz, eine erfolgreiche Saison trotz mangelhafter Vorkenntnisse zu bestreiten, vermag auch die einschläfernde Optik und das vollständige Fehlen von Ton im Spiel nicht zu erschüttern. Ich kapiere schnell, das hier wird kein Spaß, hier soll viel eher eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre geschaffen werden. Das beeinflusst schließlich auch den Kreationsprozess meines Manageravatars, Joe Average, 30 Jahre, aus Kanada, dem Mutterland der Crash Test Dummies. Ich trage stets ein babyblaues Sakko und eine sonnengelbe Krawatte, die mein ansteckend fröhliches Gemüt widerspiegeln soll und gleichzeitig meinen Business-Appeal unterstreicht. Denn beim Franchise Hockey Manager 2014 bin ich nicht nur Anführer einer beinharten Schlägertruppe auf Kufen, sondern auch Strippenzieher im Hintergrund, der Verhandlungen führt, Verträge aushandelt und das Finanzielle händelt. Doch bevor ich damit beginnen kann, geht es zunächst auf Jobsuche. In der NHL leckt man sich sicher schon die Finger nach einem solch aufstrebenden Managertalent wie mir.
Nach zwei simulierten Wochen nehme ich verzweifelt das einzige mir vorliegende Angebot aus der dritten finnischen Liga an. Für 800$ Monatsgehalt soll ich nun die Hydraulic Oilers zum Erfolg führen. Eine Mannschaft also, die anscheinend nach der Autowerkstatt benannt wurde, in der sich Ryan Gosling im Film Drive seine schmutzigen Finger noch zusätzlich einsaute. Die anderen Mannschaften hier haben deutlich finnischere Namen, wie PYRY Nokia, Ketterä Imatra oder Ville Vallo, wobei ich mir bei letzterem nicht mehr ganz sicher bin. So oder so macht sich erste Ernüchterung breit, auch weil mein mindestlohnverneinendes Einkommen mich dazu nötigt, nach dem Training noch einen Nebenjob als Zeugwart für die ansässige Biathlonstaffel anzunehmen. Statt über mich hinaus, wachse ich hier nur die Skier von niemals lächelnden Langlaufschützen. Dabei verdienen selbst meine schlechtesten Spieler das Dreifache!
Von diesen ersten Rückschlägen lasse ich mich jedoch nicht so leicht unterkriegen. Voller Tatendrang studiere ich Stärken und Schwächen meiner Mannschaft, nach wie vor ohne spezielles Wissen, worauf ich eigentlich achten muss. Ich merke aber schnell, dass es bessere Spieler als die meinigen gibt und schaue mich nach brauchbaren Alternativen um. Ich durchstöbere die Free Agents, die aufgrund fehlender deutscher Sprachoption nicht „Vertraglose Spieler“ heißen, und werde schnell fündig. Ein gewisser Miroslav Satan sticht mir direkt ins Auge, bekommt dafür aber keine 2-Minuten-Strafzeit, sondern ein Vertragsangebot über 1000$ monatliches Salär von mir unterbreitet. Doch der fiese Beelzebub lehnt ohne mit der Wimper zu zucken ab, da er vorher sieben Millionen jährlich gescheffelt hat und dem feinen Herrn mein überaus großzügiges Angebot anscheinend nicht gut genug ist.
Nach diesen unbefriedigenden Verhandlungen sehe ich mich zum Umdenken gezwungen und schaue mich nun eher am unteren Ende des Fähigkeitenspektrums nach neuen Spielern um. Hier finde ich die Kufencracks, die den Stock noch häufiger zum Hauen als zum Schießen benutzen und sich nicht zu schade dafür sind, auch mal einen Pass in die Kauleiste des Gegners zu spielen. Ich suche explizit einen harten Hund für die Verteidigerpositionen und das Schicksal ist mir gnädig, indem es mir einen Spieler präsentiert, dessen Name schon nahezu vollständig mein Anforderungsprofil erfüllt: Mike DeBello! Dieser nimmt die 1000$ dankend an und wird zukünftig das Rückgrat meines Teams bilden. Dass sie ihn mannschaftsintern bereits nach kurzer Verweildauer „Die Qualle“ nennen würden, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Plötzlich ist er da, der September. Der Monat also, in dem sich erstmalig zeigen wird, ob sich die harte Arbeit während der Vorbereitung gelohnt hat. Ich verzichtete im Vorfeld bewusst auf das Ansetzen von Testspielen, um meinen Pflichtspielgegnern nicht zu viel Einblick in meine Taktik zu gewähren, von der ich, das sollte mittlerweile zwischen den Zeilen durchgesickert sein, nach wie vor selbst keinen blassen Schimmer habe. Wenn man es genau nimmt, habe ich also eher versucht, mein eigenes Unvermögen lange genug zu verstecken und mich deshalb vor den Testspielen gedrückt. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist eher durchwachsen, zumindest vermitteln mir das die emotionslosen Smileys neben den Spielernamen. Direkte Gespräche sind glücklicherweise nicht möglich, da das Spiel eine solche Option nicht bietet und mein Finnisch noch immer äußerst gebrochen daherkommt. Die Anspannung wächst vor dem ersten Match folglich ins Unermessliche.
KJT-TuusKi direkt zum Start in die Saison als Gegner zu erwischen, das ist natürlich ein wenig unglücklich gelaufen. Ich habe vergessen, diese Mannschaft vorher zu scouten und weiß über sie nun tatsächlich noch weniger als über meine eigene. Vor dem ersten Bully, so nennt man den Anstoß beim Eishockey und Mike DeBello, wenn er schwächere Mitspieler gegen ihren Willen an seinem Lendenschutz schnüffeln lässt, lasse ich zur Eigenmotivation laut den Klassiker „Eye of the Tiger“ erklingen. Per externem Media Player, wohlgemerkt, denn statt entsprechender Stadionatmosphäre erwarten mich leider auch während der Spiele nur Tabellen und Statistiken. Was auf dem Eis passiert, erfahre ich per Kurznachricht, wirklich sehen kann ich davon nichts. KJT-TuusKi gewinnt mit 4:2, in der Kabine spiele ich ein Lied aus meiner Heimat, Celine Dions Stimme soll Kraft für das kommende Match spenden. Doch die Smileys neben den Spielernamen schauen nun noch trister drein.
Die nächsten drei Spiele gehen allesamt verloren. Mike DeBello ist ein überraschend beschissener Verteidiger. Glücklicherweise entdecke ich per Rechtsklick plötzlich die merkwürdig versteckte Möglichkeit, für jeden Spielern einen individuellen Trainingsplan zu erstellen. Bedauernswerterweise ist dieser noch gröber gestrickt als meine Verteidiger, aber immerhin kann ich meinen Schlittschuhversagern nun gezielter das Schießen beibringen. Es ist mein letzter Strohhalm, der aus einer miserablen Saison eine nicht ganz so gute machen soll.
Meine Trainingsvorgaben zeigen im Laufe der Saison tatsächlich Wirkung. Da ich versucht habe, das Letzte aus meinen Spielern rauszuholen, haben sich viele ernsthaft verletzt und fallen aus. Dies ist zwar nicht die Wirkung, die ich im Sinn hatte, aber es zeigt mir wenigstens, dass das Spiel tatsächlich auf meine Vorgaben reagiert. Das Ergebnis: Der Besitzer des Teams bezeichnet zunächst die Saison und irgendwann auch mich als kompletten Fehlschlag. Als Tabellenletzter habe ich dieser Aussage kaum etwas entgegenzusetzen und mir wird klar, dass mein Stuhl bei den Oilers wackelt. Besonders deutlich wird das bei meiner Entlassung im Februar. Doch ich kann mir keinen wirklichen Vorwurf machen. Ich habe dem Team alles gegeben, was ich ihm geben konnte.
Dass das viel zu wenig war, das sehe ich ein. Zu erwarten, dass das Spiel mich in Form eines kleinen Tutorials oder wenigstens mit Begriffserklärungen ein wenig in die Welt eines Eishockeymanagers einführt, war vielleicht etwas naiv. So weiß ich bis zu diesem Moment nicht, ob die Option „Scratch Player“ tatsächlich dazu gedacht ist, dem betreffenden Teammitglied an jener Stelle des Rückens zu kratzen, wo seine muskelbepackten Arme nicht hinkommen. Franchise Hockey Manager 2014 ist somit nur etwas für Menschen, die wissen, worauf sie sich einlassen. Die den Eishockeysport lieben, auch privat Listen und Statistiken immens zu schätzen wissen und auf Bebilderung und Atmosphäre keinerlei Wert legen. Alle anderen werden wahrscheinlich verarmt in der bitterlichen Kälte der finnischen Taiga verhungern, nachdem sie ihre sportlichen Ziele nicht erreicht haben.
Kommentare sind geschlossen.
GOTY
Herrlich geschrieben!
Als ich das Spiel im Steam gesehen hatte dachte ich mir “Oooooh, ein Eishockey-Spiel für den PC, toll!”
Nach einem Blick auf die Screenshots blieb dann leider nur das “Ooooooh”.
*ha ha* So ist es, wenn EA meint (mal von FIFA abgesehen) keinerlei Sportfranchise mehr für PC portieren zu müssen.
This post has helped me think things throguh
Diese Managerspiele sind einfach nicht für Casual Gamer gedacht, da muss man spass am Sport haben, sich auskennen und richtig tief abtauchen (ich schaue dich an Football Manager Serie, dich und die 400+ Stunden die du mich im Jahr kostest!).
Wer da ohne interesse und vorkentnisse in eine Liga einsteigt die selbst viele etablierte Zocker nicht mit dem Arsch anschauen (ich habs bei FM mal in der Hong Kong Liga versucht…) wird sicher nicht ins Spiel finden.
Danke für diesen äußerst unterhaltsamen Beitrag. Ich bleibe lieber bei Sports Interactives Football Manager, der hat auch genug Tabellen :).