Ein so polierter wie ausgefeilter Sidescroller über einen Frosch,
der auszieht, die Welt zu retten.
Ein japanisches Sprichwort lautet 蛙の子は蛙。, gesprochen „kaeru no ko wa kaeru“. Es bedeutet soviel wie „Auch das Kind eines Frosches ist ein Frosch“ – die fernöstliche Variante von „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ gewissermaßen. Selbst wenn ein Frosch also auch über Generationen hinweg immer nur ein Frosch bleibt, ist er durchaus in der Lage, über sich hinauszuwachsen. Das meint zumindest Daisuke „Pixel“ Amaya, der mit seinem Indie-Überraschungshit Cave Story 2004 zu einer kleinen Berühmtheit wurde und auf dessen neuen Titel Kero Blaster die Augen von Videospielern weltweit mit einer umso größeren Erwartungshaltung gerichtet sind. In der Hauptrolle des 2D-Sidescrollers: ein sympathisches Amphibium mit Knarre.
Tatsächlich ist die Geschichte, die Kero Blaster zu erzählen versucht, auch sonst reichlich bizarr. Ich verkörpere als Spieler nicht nur einen Frosch, der auf zwei Beinen läuft — der Hauptcharakter arbeitet auch noch für die ominöse »Cat & Frog Corporation«, die ihr Geld offenbar mit Teleportationssystemen verdient. Meine Chefin, eine Katze, bittet mich, ebendiese Teleporter zu reparieren. Letztere funktionieren nämlich nicht mehr, seitdem sie von seltsamen, schwarzen, unförmigen Kreaturen befallen wurden. Durch den letzten funktionierenden Teleporter gelange ich in verschiedene Welten, die jeweils von feindseligen Kreaturen bevölkert werden und deren Endbosse es zu besiegen gilt.
Zwar erinnert der Grafikstil von Kero Blaster durchaus an Cave Story, eine Fortsetzung ist das Spiel aber keinesfalls. Während Amayas erster großer Hit sich eher an den frühen Metroid-Teilen orientierte, ist sein neuestes Werk ein linearer Sidescroller, bei dem es stets von Level zu Level und von Boss zu Boss geht. Zwischendurch gilt es Münzen aufzusammeln, die in Läden für verschiedene Upgrades ausgegeben werden können: Bonusleben, mehr Lebensenergie oder stärkere Varianten der bereits gesammelten Waffen. Neue Waffen erhält mein Frosch indes durch das Besiegen besagter Endgegner, die zweifellos eine der großen Stärken des Spiels darstellen. Sie zu besiegen erfordert eine durchdachte Strategie und ein genaues Beobachten ihrer Verhaltensmuster – selten fällt einer von ihnen beim ersten Anlauf.
Kero Blaster scheint von verschiedenen 8-bit-Vorbildern inspiriert, am deutlichsten jedoch von Mega Man. Will ich ein Level bezwingen, muss ich zunächst genau beobachten, was geschieht und nach und nach herausfinden, wie ich bestimmte Fallen auslösen und Gegner bezwingen kann. Dann ist ein Vorgehen mit Bedacht gefragt, schnelles Durchrennen wird dagegen früher oder später mit dem Tod bestraft. Im Gegensatz zu Mega Man wartet jedoch auch nach mehrmaligem Ableben kein Game Over-Bildschirm auf mich. Verliere ich all meine Leben, muss ich zwar wieder am Beginn des jeweiligen Levels starten und werde nicht mehr nur zu einem Checkpoint zurückgesetzt, allerdings behalte ich alle zuvor gesammelten Münzen. So vermittelt das Spiel stets ein Gefühl von Fortschritt – auch dann, wenn ich gerade zum achten Mal an der gleichen Stelle gescheitert bin.
Das mag sich nun alles nach standardisierter Run’n’Gun-Kost anhören. Tatsächlich entfalten sich die wahren Stärken von Kero Blaster auch erst nach einigen Stunden Spielzeit. Dann nämlich erst fällt auf, wie fein die einzelnen Elemente des Spiels aufeinander abgestimmt sind. Für jede Situation gibt es verschiedene Lösungsansätze, verschiedene Waffen-Upgrades, die sich gut oder weniger gut eignen – kaum einmal schreibt das Spiel dabei nur einen, ganz bestimmten Weg vor. Es lässt seinen Spielern die Freiheit zu experimentieren. Auch an der Sprungmechanik hat der Entwickler offenbar lange gefeilt, so perfekt ist sie auf die Höhen und Abstände der Plattformen im Spiel abgestimmt. Im weiteren Verlauf findet sich ein Jetpack, das einen Doppelsprung erlaubt, wobei sich der zweite Sprung noch einmal geringfügig anders anfühlt als der erste – all das sind zwar Kleinigkeiten, sie zeugen jedoch von bravurös durchdachtem und ausgeklügeltem Spieldesign.
Wer ein Herz für 2D-Sidescroller hat, sollte sich von einem ersten Blick auf Kero Blaster nicht täuschen lassen. Der Titel versteckt seine wahren Stärken hinter einer 8-bit-Optik, die zwar niedlich daherkommt, heute aber bei weitem keine Besonderheit mehr ist. Kero Blaster ist kein Spiel für eine schnelle Nummer, sondern für ausdauernde Liebhaber. Es verlangt Einarbeitung, ein wenig Durchhaltevermögen und einen Sinn für spielerische Feinheiten. Am bekömmlichsten ist das Spiel übrigens zusammen mit einem guten Glas trockenem Rotwein und einer Tafel Zartbitterschokolade.
Ein Kommentar zu “Kero Blaster: Wo der Frosch die Locken hat”
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Muss es zwingend ein gutes Glas sein? Ich habe hier nur Weingläser von IKEA. Die tun’s doch hoffentlich auch.