Eine spielbare Kurzgeschichte über einen
kleinen Jungen und seinen verletzten Vogel.
Gerne würde ich mich einmal mit Kan Gao unterhalten, denn es scheint, als habe er viel zu erzählen. Mit dem von ihm gegründeten Indie-Entwicklerstudio Freebird Games veröffentlichte er im Jahr 2011 To the Moon. Ein Spiel direkt aus dem RPG Maker, das allerdings kein Rollenspiel ist, sondern ein erzählerisches Adventure, bei dem im Vordergrund eine zu Tränen rührende Geschichte stand. Mit A Bird Story ist nun zwar keine direkte Fortsetzung, aber doch eine Brücke zum geplanten zweiten Teil entstanden.
A Bird Story spielt in der selben Welt wie To The Moon, hat aber keine inhaltlichen Parallelen. In gewohnt reduzierter Optik geht es um einen kleinen Jungen, der auf dem Heimweg von der Schule einen verletzten Vogel in seine Obhut nimmt. Vielmehr: Es geht darum, wie er sich an dieses Ereignis erinnert – nämlich verzerrt. Im Verlauf der Geschichte geschehen immer wieder Dinge, die in der Realität nicht funktionieren würden, ganz als sei die Realität für den Geist des Protagonisten etwas interpretierbares. In A Bird Story verschwimmen die Grenzen zwischen Traum und Realität. Was wirklich geschieht, ist bisweilen nicht ganz klar. Deshalb und durch seine grafische Darbietung stimuliert das Spiel die Vorstellungskraft des Spielers, der schließlich alles Gezeigte ebenso interpretieren muss wie der Protagonist seine Erinnerungen.
Standen in To the Moon noch teils ausschweifende Dialoge im Vordergrund, kommt A Bird Story völlig ohne Text aus. Seine Geschichte erzählt Kan Gao hier komplett mit den Mitteln der Mimik, die eine 16-bit-Figur bietet, unterstützt nur durch einige wenige Symbole, die in Gedanken- oder Sprechblasen über den Köpfen der Figuren auftauchen. Im Vordergrund steht dabei stets das Verhältnis der Hauptfigur zu ihrem gefiederten Freund – eine einfache Geschichte, die nicht zum ersten Mal erzählt wird — und doch funktioniert sie erstaunlich gut: Es dauerte nur wenige Minuten, bis mir der Pixelvogel selbst ans Herz wuchs. Mit viel Hingabe habe ich den namenlosen Jungen ins Bad gesteuert, damit er Wasser für seinen Freund holt, beinahe schon mit Liebe habe ich auf die Pfeiltasten gedrückt, um für ihn Brot zu zerkrümeln.
Bis ich den Abspann zu Gesicht bekam, verging etwas über eine Stunde. In dieser Zeit habe ich kein einziges Rätsel gelöst und nicht eine Geschicklichkeitsübung absolviert. A Bird Story ist eine spielbare Kurzgeschichte. Eine Erzählung mit viel Herz, die es mit einem wundervollen Soundtrack und einer rührend harmlosen, wenn auch teilweise etwas schmalzigen Geschichte schaffte, mich in ihren Bann zu ziehen.
2 Kommentare zu “Kommt ein Vogel geflogen: A Bird Story”
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Ich liebe diese Spiele. Vor allem To the moon war eins der besten spiele die ich je spielte :)
Wirklich tolles Spiel! Für mich als großen To the Moon Fan war der Titel ein Pflichtkauf und hat nicht enttäuscht, weder als Spiel noch als Überleitung zum nächsten “großen” Teil.