Morphopolis
Zeitung, Staubsauger, Fliegenklatsche: Die Mittel der heimischen Insektenbekämpfung sind vielfältig. Allerorten wird Kreuchendem und Fleuchendem, Schleichendem und Schwirrendem der Krieg erklärt und der ungebetene Besuch für gewöhnlich nicht nur aus der eigenen Wohnung, sondern zugleich auch aus dem Leben befördert.
Morphopolis, ein Hidden-Object-Game des Entwicklerteams Micro Macro, erscheint demgegenüber wie ein Plädoyer für ein friedvolleres Miteinander, versetzt es mich doch in die Rolle eines Insekts und in dessen bunten Mikrokosmos. Beginnend als Blattlaus, schlüpfe ich in immer größere Körper und eröffne mir neue Perspektiven auf die mich umgebende, in grellen Farben erstrahlende Flora. Blumenstängel erscheinen wie Wolkenkratzer, Blätter als überdimensionierte Brücken, jede Szene als übersättigte Variante jenes mysteriösen Paralleluniversums, das sich zu offenbaren scheint, wenn man eine Lupe auf ein Stück Wiese richtet.
Dieser Detailfülle wiederum steht ein ausgesprochen minimalistisches Spielprinzip gegenüber: Ich bewege mich auf festen Pfaden durch die wenigen Szenen, aus denen jedes Level besteht, und sammle Objekte für andere Insekten, um von ihnen durch freigegebene Wege oder wiederum neue Gegenstände entlohnt zu werden. Alle Elemente, statisch wie dynamisch, fügen sich harmonisch in die jeweilige Umgebung ein und müssen durch aufmerksames Suchen entdeckt werden, was allerdings – ebenso wie die, wenn auch im Vergleich fordernderen Rätselelemente – keine allzu große Herausforderung darstellt.
Es scheint, als wäre Morphopolis nur sekundär als Unterhaltungssoftware und vorrangig als Erfahrung konzipiert, als meditative Reise durch das Geflecht von Blumen und Gräsern. Die Ästhetik des Spiels lädt zum Verweilen und Staunen ein, zu einer Erkundungstour durch eine Welt, die den meisten Menschen merkwürdig fern erscheint, obwohl sie selbst ein Teil von ihr sind. Ausgerechnet hier allerdings stellt sich Morphopolis durch sein Gameplay selbst ein Bein. Immer wieder werde ich aus meiner Andacht gerissen, durch die kaum zu ignorierende Linearität des Spiels davon abgehalten, mich wenigstens kurzzeitig darin zu verlieren. Das nach jedem abgeschlossenen Kapitel eingeblendete Hauptmenü zertrümmert wie ein Vorschlaghammer jegliche immersive Ansätze und führt zudem die Kürze des Spiels ebenso wie dessen erzählerische Schwächen umso deutlicher vor Augen. So fühle ich mich denn, als hätte man mir einige riesige, schmuckvoll verzierte Schatulle überreicht, deren Inhalt in keinem Verhältnis zur Verpackung steht.
Schön ist sie allerdings, diese Hülle. Und solange Morphopolis nur einige, wenige Menschen davon überzeugen kann, Staubsauger und Zeitungen ausschließlich ihren Primärfunktionen zuzuführen, bin ich zufrieden. Derweil versuche mich weiter an der friedlichen Koexistenz mit dem verdammten Fruchtfliegenschwarm, der meine Wohnung seit Tagen belagert. Leben und Leben lassen.
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