Wenn Antivirenroboter im Wartungsmodus durch PC-Innerein fliegen, trifft Tron auf Descent – und Dennis auf seine Kindheit.
Eine meiner frühesten Erinnerungen an Spiele ist es, gemeinsam mit meinem Vater die Demo-Version des Roboter-Raumschiff-Shooters Descent zu erleben. Gemeinsam haben wir unser Schiff durch dunkle Raumstationen bugsiert, gegen Roboter gekämpft und sind immer wieder am ersten Endboss gescheitert.
Retrovirus hat mir die Erinnerung daran zurückgegeben — nur in besser, weil ich meine Hand-Augen-Maus-Koordination nach 18 Jahren wirklich verbessern konnte und sich auch nicht mehr mein Magen umdreht, wenn ich meinen Flugroboter mal wieder kopfüber schweben lasse.
Als Anti-Viren-Roboter soll im Inneren eines Bürorechners eine Vireninvasion aufgehalten werden. Dazu reist der Roboter durch zugemüllte Mail-Server, zerschießt Viren-Cluster und sammelt — wie könnte es anders sein — Schlüssel, um bunte Türen aufzuschließen.
Retrovirus muss zu aller erst verstanden werden als weitere Instanz der Nekromantie am Leichnam des Six-Axis-Shooters, einem Genre, in dem eine Figur völlig frei im dreidimensionalen Raum bewegt werden kann. Was es aber besonders macht, ist die Verknüpfung der alten Descent-Spielmechanik mit dem Gefühl eine Tron-Welt zu entdecken.
Wenn es darum geht, eine verschlüsselte Mail aus einem von Viren befallenen Mail-Ordner zu retten, dann schwebt Retrovirus kopfüber dem schmalen Grat zwischen fremdartig und vertraut.
Hinzu kommen leere Multiplayer-Server, versteckte Emails des Admins und freischaltbare Upgrades, wie die Vampirfunktion, die Gegnern Lebenspunkte absaugt, wenn man sie erst einmal mit dem Virenscanner erfasst hat. Und als ich dann nach fast zwei Stunden glücklicher Spielzeit voller Virenkämpfe, bunter Schlüssel und Kindheitserinnerungen vom Rechner aufstehen wollte und das Spiel einfach so beendete, habe ich endlich auch verstanden, warum das Retro im Spielenamen vorkommt: Eine automatische Speicherfunktion gibt es nämlich nicht. Und schwindelig war mir auch. Und meinem Vater kann ich die Schuld dafür jetzt auch nicht mehr zuschieben.
Auf eine ungemein charmante Art hat mich Retrovirus daran erinnert, was verloren gegangen ist vom Sprung von Shootern aus freien, verwirrenden Welten in enge Korridore — und wie sehr ich mich daran gewöhnt habe. Gebt dem Teil eine Chance!
6 Kommentare zu “Retrovirus”
Ein Trackback zu “Retrovirus”
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SO WHERE’S THE FUCKING PAYPAL BUTTON THIS TIME
Kchkch…
Cool, das muss ich mir unbedingt einmal ansehen! Vor vielen Jahren gab es nämlich schon einmal einen ähnlichen Versuch mit dem vergleichbaren Namen “Virus”. Auch das war ein 360-Shooter, der im Computer selbst spielte, aber der Witz war, dass Dateien von der Festplatte mit in die Levelarchitektur eingebunden wurden. Bilder und Sounds aus dem Privatarchiv kamen also im Spiel selbst vor.
Leider war das Spiel abgesehen von der guten Idee ziemlich schlecht. Aber irgendwo hier im Regal habe ich bestimmt noch mein Exemplar davon …
Das klingt total abstrus. Ist es zufällig dieses Spiel: Virus The Game
Yup, genau das war es!
Hachja, das lässt wirklich auch bei mir einige Erinnerungen an Descent mit meinem Vater hochkommen. Toll! :)