Greg Norman ist eine lebende Legende des Golfsports. Er führte 331 Wochen lang die Weltrangliste an, zweimal gewann er die Open Championship, das älteste noch ausgespielte Golfturnier der Welt. Ein Sieg bei den anderen bedeutenden Turnieren blieb Norman allerdings verwehrt, auch wenn er oft nur sehr knapp scheiterte. Über ein schlechtes Leben kann der White Shark, wie Norman aufgrund seiner weißblonden Haarpracht auch genannt wird, trotzdem nicht klagen. Er hat zahlreiche erfolgreiche Unternehmen gegründet, die ihm ein Vermögen einbrachten, das auf mehrere 100 Millionen US-Dollar geschätzt wird. Eine seiner Firmen beschäftigt sich mit dem Design von Golfplätzen – da lag es für die Entwickler von HB Studios nur nahe, ihrer Sportsimulation The Golf Club einen schmucken Editor beizulegen, der den wohlklingenden Namen Greg Norman Course Designer trägt.
Der Editor ist gleichzeitig das Herzstück des Golfspiels. Zur Wahl stehen fünf Szenarien, darunter auch Wüsten und alpine Landschaften. Mit Reglern lassen sich bestimmte Geländeoptionen festlegen, etwa die Baumdichte oder den Hügelanteil. Wer sich dann noch auf einen Schwierigkeitsgrad festlegt und die Anzahl der Löcher bestimmt, kann sofort losspielen – oder den Golfkurs weiter individualisieren. Sandbunker, Fairways und Grüns lassen sich herumschieben und den eigenen Wünschen anpassen, fast wie bei einer Modelleisenbahn gibt es mondäne Clubhäuser, Pflanzen und anderes Beiwerk, das ich in der Landschaft platzieren kann. Ist mein Platz fertig, muss er nur noch hochgeladen werden und steht dann der gesamten internationalen Spielerschaft von The Golf Club zur Verfügung.
Daraus ergibt sich eine Vielfalt an Golfplätzen, die The Golf Club auch dringend nötig hat. Besonders viele Spielmodi gibt es sonst nämlich nicht. Zur Wahl stehen einzelne Partien, Turniere und Turnierserien, wahlweise allein oder gegen andere Spieler. Einen Karrieremodus gibt es zumindest zum Start leider nicht. Auch die Charaktere sind zwar editierbar – allerdings nur, was die Farbe von Hemd, Hose und Schuhen angeht, ihre Fähigkeiten sind identisch und entwickeln sich im Verlauf des Spiels auch nicht weiter. Auch auf ein Tutorial haben die Entwickler verzichtet. Wer in The Golf Club eintauchen will, muss sich einarbeiten.
Einmal auf dem Golfplatz, bietet das Spiel jedoch für jeden Schlag eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten. Wie üblich können Spieler zwischen verschiedenen Schlägern wählen. Zusätzlich ist stufenlos einstellbar, ob ein Schlag eher ein Draw sein soll, also ein Schlag, der eine Linkskurve zum Ziel beschreibt, oder ein Fade, also ein Schlag mit einer Rechtskurve. Je nachdem lassen sich Hindernisse so geschickt umspielen. Der Neigungswinkel des Schlägers, genannt Loft, kann ebenfalls frei definiert werden. Der Simulationscharakter des Spiels tritt hier deutlich zu Tage und es ist einfach, sich in den Optionen zu verlieren. Fast scheint es, als sei jeder Schlag ein kleines Rätsel, für das es eine ideale Lösung gibt, die sich durch die Zusammenstellung der verschiedenen Möglichkeiten definiert. Zwar schlägt das Spiel immer auch eine Einstellung vor – gerade in kniffligen Situationen lohnt es sich aber immer, sich selbst noch einmal Gedanken zu machen und den Schlag manuell zu optimieren. Geschlagen wird schließlich mit dem Analogstick: Ihn zurückzuziehen heißt auszuholen, ihn nach vorne zu drücken führt zum Schlag auf den Ball. Wer den Stick verzieht, verzieht auch den Schlag.
The Golf Club ist ein Golfspiel für die aktuelle Konsolengeneration. Neben einer Fassung für den PC ist es nur für Playstation 4 und Xbox One erschienen. Der Grafik ist das leider nicht unbedingt anzusehen. Die Landschaften wirken detailarm, jeder Flug über den Golfplatz ist begleitet von Kantenflimmern und Ruckeln – selbst auf leistungsfähigen PCs. Ob das an der verwendeten Unity-Engine oder an der Art liegt, wie die Entwickler mit ihr umgegangen sind, sei dahingestellt. Immerhin ist die Grafik funktional – das Fairway ist klar vom Rough zu unterscheiden, Sandbunker und Gewässer stechen ohnehin heraus.
Ein einziger Mensch hat mich mit der Grafik wieder versöhnt. Er heißt John McCarthy, seines Zeichens Audio Designer von The Golf Club. Er hat nicht nur für die entspannende Musik gesorgt, die im Menü vor sich hinklimpert, sondern – und das ist die weit größere Leistung – selbst den Kommentator des Spiels gesprochen. Im Entwicklerblog zum Spiel schreibt er, es sei sein Ziel gewesen, ihn zu einer Mischung aus TV-Kommentator, Caddy und Golfkumpel zu machen. Dieses Vorhaben ist ihm mit Bravour gelungen. Der Kommentator gibt vor vielen Löchern Tipps wie ein Caddy, er kommentiert die sportlichen Errungenschaften des Spielers wie ein TV-Kommentator und er leidet mit, wenn etwas schief geht – wie ein guter Freund. Dabei wirkt er stets entspannt und glaubwürdig. Manchmal täuscht er sich. „This is a beauty“, kommentiert er meinen Schlag, während sich der Ball noch in der Luft befindet. Dann landet er im Rough und für eine Sekunde halte ich seine Äußerung schlicht für einen kleinen Bug. „Ahh … sorry to get your hopes up“, sagt er dann. Ich wünschte, ich könnte mit ihm nach dem Spiel im Vereinsheim noch ein Glas Bordeaux trinken und über meinen Abschlag philosophieren.
The Golf Club weckt in mir gemischte Gefühle. Einerseits wünsche ich mir einen Karrieremodus, ich möchte einen kleinen, unbedeutenden Golfer an die Weltspitze begleiten, wie Greg Norman – trotz mangelnder PGA-Erfolge. Auch ein paar erklärende Worte oder ein kleines Tutorial wären sicher hilfreich, verschiedene Stärken und Schwächen der Spielerfiguren würden sie zu mehr machen als charakterlosen Hüllen in karierten Hosen. Gleichzeitig ist The Golf Club aber in vielerlei Hinsicht eine ausgefeilte und polierte Sportsimulation – jeder Ball lässt sich prinzipiell auf unendlich viele Arten schlagen, nach längerem Spiel kristallisiert sich ein eigener Stil heraus. Schlussendlich stellt sich ein nahezu meditativer Zustand ein. Die beruhigenden Worte des Kommentators lassen mich meinen letzten Double Bogey vergessen. Es gibt immer eine nächste Runde. Auf einem Golfplatz der ganz anders aussieht als dieser. Danke, Greg Norman.