Yesterday
Mit Yesterday versuchen die spanischen Pendulo Studios, das Adventure-Genre mit sinnvollen Designideen zu verfeinern, vergessen aber trotz massiver Inspirationssuche beim legendären Planescape: Torment, was den Reiz von Adventures ausmacht: Gute Geschichten erzählen, nämlich.
Um für einen mächtigen US-Geschäftsmann einen Serienkiller aufzuspüren, muss John Yesterday, ein an Amnesie leidender Experte für satanische Kulte, nach Paris reisen, um versteckte Nachrichten zu entschlüsseln, mit Antiquitätenhändlerinnen zu streiten und schreckliche Geheimnisse aufzudecken. Klingt spannend? Wäre es auch, wenn das Mysterium des Spiels nicht bereits zu Beginn aufgelöst wäre. Yesterday ist eine Mystery-Detektivgeschichte im Dan Brown-Stil, die den Bösewicht inklusive Motivation in der ersten Viertelstunde preisgibt, dann eine Weltreise veranstaltet, um zur scheinbar überraschenden Lösung zu gelangen.
Die Charaktere, essentiel für ein gelungenes Adventures, sind erstaunlich flach und leblos, ihre Dialoge uninspiriert. Die Motivationen werden in einfachen Textboxen eingeblendet oder einfach nie erklärt. “Du bist ein Nerd, darum nimmst du diesen Roboter mit“, wechselt sich ab mit “Du magst keinen Sport, darum nimmst du diesen Basketballkorb nicht mit“. Genauso wie in Pendulos Runaway bekommt der Protagonist eine Partnerin zur Seite gestellt, die ist aber so undefiniert und unwichtig, dass nie wirklich klar wird, was sie überhaupt im Spiel sucht. Yesterday erschafft keine glaubhaften Charaktere, es benutzt sie, um eilig neue Situationen und neue Rätsel in den Weg zu werfen.
Und genau die sind im Gegensatz zum Rest ziemlich gut. Yesterday versteht sich als modernes Adventure: Die Zeit, die ich in das Spiel investiere, wird wertgeschätzt. Die einzelnen Kapitel oder Szenen sind in sich geschlossen und konzentrieren sich auf überschaubare zwei bis drei Räume mit einem großen Rätsel. Das Inventar bleibt für Point&Click-Verhältnisse erstaunlich übersichtlich. Jede neue Szene erfordert neue Gegenstände, die wild miteinander kopuliert kombiniert werden sollen, Unbrauchbares verschwindet. Zeit spart auch das Bewegungssystem. Statt wie in Deadalics Deponia dem lahmen Protagonisten beim gemächlichen Schlendern zum nächsten Gesprächspartner oder Rätselobjekt zuzuschauen, genügt ein Klick auf einen Gegenstand und der Charakter “teleportiert” sich quasi an die richtige Stelle.
Das wirkt nur kurz befremdlich, später jedoch ist es ein Segen und etwas, was mehr Adventures (und wenn auch nur optional) anbieten sollten. Wie auch bei Deadalic-Adventures lassen sich alle Gegenstände, mit denen John Yesterday interagieren kann, per Knopfdruck anzeigen. Zusätzlich gibt es ein überraschend hilfreiches Tipp-System, das zum Fortschritt passende Ratschläge gibt, aber nie die Lösung vorweg nimmt.
Wenn John nach Hinweisen über einen Kult aus den Zeiten der Inquisition sucht, lassen die durchdachten Spielelemente, die gelungene Präsentation und der Soundtrack sogar vergessen, dass Yesterday eigentlich keine großen Geheimnisse bietet. Aber auch das nur kurz.
Ein Adventure steht und fällt mit guten Charakteren und einer fesselnden Story. Yesterday schafft es nicht, verständliche Charaktere und ein halbwegs interessantes Mysterium in den Mittelpunkt zu rücken und darunter leiden auch die guten Design-Entscheidungen.
Mehr Informationen gibt’s auf der offiziellen Webseite.
8 Kommentare zu “Yesterday”
Ein Trackback zu “Yesterday”
Kommentare sind geschlossen.
Gibt bereits eine deutsche Synchro? Habe gelesen, der Erzähler wird von Konstantin Graudus gesprochen. Der aus “Staplerfahrer Klaus”. Da bin ich ja mal gespannt.
Will ich dieses Spiel wirklich gewinnen? Runaway fand ich ja unglaublich geil, die nachfolger leider nicht mehr…Egal, ich wills trotzdem, obwohl ich gehört hab, dass das einzige relativ gelungene Spiel außer runaway aus diesem Studio The next big thing war…
Stimmt, Konstantin Graudus ist ein Sprecher in der deutschen Version. Adventure Corner hat ein Interview.
In Deutschland wird das Spiel als “Der Fall John Yesterday” von Crimson Cow veröffentlicht und kommt am 30. April in den Handel.
Hier ein Amazon-Link. Ob die deutsche Sprachausgabe dann in Steam kommt, weiß ich nicht. Ich würde es aber bezweifeln.
Auf Steam wird zurzeit nur Englisch und Russisch als Sprachausgabe unterstützt. Französisch als Untertitel.
Wie lang das schon wieder her ist, seitdem ich Runaway nach der Schule gespielt habe, um wieder in alten Erinnerungen zu schwelgen würde ich mich natürlich über einen Steamcode freuen!
BTW: Wann kommt endlich wieder InDieFresse-Podcast?
Hehe, da haben wir glaube ich ganz ähnliche Erinnerungen.
Bei mir wars ein Freund und Adventure-Fan, der das Spiel hatte und mir geliehen hat. Ähnlich wie Brian aus Runaway hat er jetzt einen Doktor in Physik und ich schreibe über das neue Spiel von Pendulo. Anscheinend hat uns das auf…unterschiedliche Weisen beeinflusst.
Podcast: Jeremy ist grade im offline-Urlaub, monoxyd wurde von einem Zahnarzt gefangen genommen und ich habe mich gerade erst aus viel zu viel Arbeit freigeschaufelt. Wenn alles gut geht, wollen wir nächste Woche aufnehmen.
Okay, direkt in den ersten Absätzen ganz schön runter geputzt das Spiel. Aber andererseits scheinen im Gegensatz zur Story die Rätsel ja gut zu sein.
Werd es mir mal anschauen, :)
Ich bin ein großer Adventurefreund habe bis jetzt aber noch kein Spiel der Péndulo Studios gespielt. Ich schenkte meinem Bruder auf Steam die Sammlung und von Runaway 1-3 erzählte er nur gutes deswegen bin ich ein wenig überrascht (höre aber auch hier zum ersten mal von dem Spiel).
“Ein Adventure steht und fällt mit guten Charakteren und einer fesselnden Story. ”
Stimme dem hier vollkommen zu was für micht nichts gutes bedeutet.
Eine Demo gibt es wohl nicht und habe jetzt auch gelesen es soll recht kurz sein. Also erstmal abwarten und Gray Matter zu Ende spielen was ich kürzlich angefangen habe.
Kurzes Update: Der Steam-Code ging gestern abend an kotzwilie.
@Martin
Ja, ich habe außer Runaway 1 nichts von Pendulo gespielt. Die Qualität von Runaway ist durchaus umstritten.
Georg Valtin fand es “damals” total gut und meine Freunde halt auch. Wenn du John Walker oder Richard Cobbett von RPS fragst, würden die erstmal eine Stunde lang meckern. Ansichtssache also.