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w00t zum Sonntag: F2P Edition

Aufgewacht! Das w00t zum Sonntag ist zurück und versammelt die besten Texte, die das Internet zu großen Themen der letzten Wochen zu bieten hat. Heute, werte Freundinnen und Freunde der gepflegten Morgenlektüre, geht es um Dungeon Keeper.


Dungeon Keeper (1997) ist das, was man einen Klassiker nennt. Ein kreatives, witziges Spiel, dessen Grundidee man heute wohl dem Genre des Tower Defense zuordnen würde: Man versucht eine Heldentruppe daran zu hindern, den eigenen Dungeon zu vernichten. Dazu gestaltet man ihren Weg möglichst tödlich, stellt ihnen Monster und allerlei Fallen entgegen. Es folgte ein zweiter Teil (1999), dann ließ sich Bullfrog Productions von EA aufkaufen. Teil drei wurde noch im Produktionsstatus eingestampft und Lizenz wie Idee verschwanden für mehr als ein Jahrzehnt in staubigen Archiven. Bis heute.

Dungeon des Anstoßes

Ein Remake des Klassikers, in Gewand eines Free2Play-Spieles für Smartphones und Tablets, ist vor ein paar Tagen in diversen Appstores erschienen. Und es ist genau so gut, wie die Kombination der Worte “Remake”, “Free2Play” und “EA” vermuten lässt.


A new Dungeon Keeper has been announced!

“Now, we have this. It’s a free to play time sink on par with Candy Crush Saga. With a slight difference. When you run out of action points, you can either wait a while doing other stuff (breaking game flow), or pay up real, actual money to EA in order to progress. I would dearly like to meet the executive who came up with the idea to entertain people, draw them in, and then ransom the rest of the entertainment. And then hit him over the head with an iPad.”

Gaming Daily

Ein schlechtes Free2Play-Spiel, dessen grundlegende Spielmechanik durch In-App-Käufe ruiniert wird, wäre keine Neuigkeit. Doch dass ausgerechnet der Großfeind der Videospiele, EA, einen geliebten Klassiker durch gierige Geschäftspraktiken zerstört, ist Geschichte voller Emotionen: Wut, Hass, Zorn und erhobene Fäuste.


Play free or pay

“Sind wir ehrlich: Das ist ein großer Haufen Scheiße und man hat als Spieler keine andere Möglichkeit, als sich damit verarscht zu fühlen. Und es macht mich traurig, dass dieser Schund den ganzen Begriff “Free to play” in den Dreck zieht, weil ich glaube, dass für höflich kostenlose Spiele durchaus Platz ist.”

NES is dead

Free To Pay

Doch die Empörung bleibt nicht bei EA und ihrer Neuinterpretation eines Klassikers stehen, sie richtet sich zunehmend gegen die Geschäftspraktiken von Free2Play-Spielen überhaupt:


How In-app Purchases Have Destroyed The Industry

“What EA has done here has nothing to do with gaming, and the same is true for pretty much all other ‘free-to-play + in-app purchase’ games. We don’t have a mobile gaming industry anymore. We have a mobile scamming industry.”

Baekdal

Wie diese “Scamming Industry” arbeitet, zeigt Ara Shirinian in einem knapp 90-minütige Vortrag auf anschauliche Weise. Menschliche Schwächen und Eigenheiten werden gezielt ausgenutzt, besonders wenn es um den Zusammenhang von Glückshormone und Zufallsereingnisse geht.

Die Prinzipien und Beispiele, die Shirinian demonstriert, erinnern nicht zufällig an einarmige Banditen, Kasinos und Glücksspiel. Vor allem Entwicklerstudio Blizzard beherrscht diese Art von Design bis zur Perfektion. Es sind darum Worte der Hochachtung, mit denen Rainer Sigl Blizzards Free2Play-Kartenspiel Hearthstone beschreibt:


Fun, fun pain: Hearthstone

“Hearthstone zwingt nicht, es verführt.”

Video Game Tourism

Doch während Sigl diese Form des Spieldesigns für moralisch unbedenklich erklärt, zeigte Gamasutra bereits im letzen Jahr, wie auch vermeintlich anständige Free2Play-Spiele funktionieren. Ob käufliche Spielvorteile oder nur bunte Hüte: Suchtanfällige Menschen werden gezielt ausgenutzt.


Chasing the Whale: Examining the ethics of free-to-play games

“Free-to-play games aren’t after everyone for a few dollars — they’re after weak people in vulnerable states for hundreds, if not thousands.”

Gamasutra

Auch in regulärem Spieldesign finden sich Zufallselemente und Glückskomponenten, die letztlich die gleichen psychologischen und neurobiologischen Effekte ausnutzen um den berühmten Spielspaß zu erzeugen. Nicht umsonst gilt “hohes Suchtpotenzial” nachwievor als Prädikat. Die Frage nach ethischem Spieldesign könnte man demnach auch an ein Diablo 2 oder DayZ richten, auch wenn diese Zeit statt Geld einfordern.


Alles halb so wild?

Doch zerstören Free2Play-Spiele tatsächlich die Spieleindustrie, wie wir sie kennen? Dominik Wagner, iOS-Entwickler der ersten Stunde, zeigt sich resigniert.


Slot machines

“No matter when you look at the top grossing lists, the first 3-10 titles are free 2 play titles. So most of our bars have turned into casinos by now already, trend rising. That is very shortsighted, bad for customers, bad for Apple and bad for the industry.”

Rant-Dom

Geschäftspraktiken die auf Betrug abzielen, neigen allerdings dazu, sich selbst zu zerstören. Der Ruf von Free2Play-Spielen ist kaum noch stärker zu ruinieren und die Appstores sind überflutet mit billigen Klonen erfolgreicher Spiele. Auch die Gesetzgeber regulieren längst, wie man den ersten Urteilen zum Jugendschutz erkennen kann. Wie nachhaltig das Free2Play-Modell überhaupt ist, bleibt fraglich.

Entwickler Drew Crawford relativiert allerdings. Seit den Arcade-Automaten seien Videospiele gezielt genutzt worden, um Geld zu verdienen. Die Ursachen für die Flut von Free2Play-Titeln und damit auch für die absurden Auswüchse eines Dungeon Keepers (2014), lägen an anderer Stelle:


How in-app purchase is not really destroying the games industry

“The fundamental problem with selling games is that you have 150,000 games that you could play instead. If you think you have a unique game, you probably don’t. And even if you do, it doesn’t matter, because nobody will ever find out–they’ll just play whatever game is in the top list or that their friends saw in the toplist, because nobody is playing any appreciable fraction of 150,000 games.”

Sealed Abstract

Die Frage, so Crawford, sei darum eine andere: Ist es angesichts der Masse an Spielen überhaupt möglich, ein dauerhaft erfolgreiches Geschäftsmodell für mobile Spiele zu etablieren? Vielleicht sollte man dazu übergehen, den Appstore als Plattform für Hobbyisten zu betrachten, nicht als Grundlage für lukrative Spieleentwicklung.

Dungeon Keeper Rating

EA selbst hält dagegen die gesamte Debatte für übertrieben. Das Free2Play-Modell sei etabliert und eine gute Methode um neue Spieler und Spielerinnen zu erreichen. Die Aufregung der Kritiker sei unverständlich, nicht zuletzt hätte Dungeon Keeper (2014) fantastische Bewertungen erhalten!


EA responds to fevered ‘Dungeon Keeper’ paywall criticism

“One of the important data points we’re looking at is our store ratings and downloads. At the time of this interview, App Store ratings currently sit at 4 out of 5 stars and Google Play ratings sit at 4.5 out of 5 stars.”

TabTimes

Kein Wort davon, dass Menschen die weniger als 5 Sterne vergeben möchten, auf ein Feedback-Formular umgeleitet werden.

Was bleibt? Neben interessanten Perspektiven auf Free2Play und den Appstore vor allem der Dungeon Keeper Review Simulator, der unterhaltsamer ist, als der Auslöser des ganzen Dramas.

Sämtliche Artikel sind übrigens in hübsch aufbereiteter Version zum Nachlesen für eure elektronischen Lesegeräte verfügbar. (Kindle / Epub) Viel Spaß beim Lesen!

18 Kommentare zu “w00t zum Sonntag: F2P Edition”

  1. Mumu
    1

    Also. Dieser Artikel ist zu 1/3 von Zitaten durchsetzt. Dazu noch ein paar Texte, die mir die Zitate interpretieren. Dafür recht herzlichen Dank.
    Warum jetzt eigentlich dieser Artikel?

    • Fabu
      2

      Internetrelevanzfilterzusammenfassungsservice.

    • TheOriginalDog
      4

      You know, du kannst darauf klicken um die vollständigen Artikel zu lesen. W00t am Sonntag ist eine Art Artikelzusammenfassung und schön, dass es wieder da ist, ich habs vermisst :)

  2. PlayStar
    5

    Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen, dass beim w00t zum Sonntag kein Quote.fm mehr verwendet wird… :(

  3. HectorPascal
    6

    Kein Kindle/EPub Link mehr? :(

    • Benjamin Filitz
      7

      Wird nachgereicht… ich wurde noch nicht in die arkanen Geheimnisse eingeführt.

      Edit: Uuuuund drin. Bittesehr!

  4. judas3000
    8

    ach das liebe Internet…

    Schön das w00t zum Sonntag zurück ist… :)

  5. SchwarzerSatyr
    9

    Ich hab auch ordentlich Wut im Bauch. Aber guter Artikel, bzw. Sammlung. Auch ihr bewegt etwas, wenn ihr was schreibt zu dieser katastrophalen Entwicklung.

  6. Rainer
    10

    Schön, dass W00t wieder da ist!
    Kleiner Einwand: Ich erkläre mitnichten “diese Form des Spieldesigns für moralisch unbedenklich”, sondern würdige in meinem Text nur die Eleganz, mit der Blizzard hier den Spielern die Taschen ausleert. Bei Hearthstone ist IMHO eine halbwegs akzeptable Balance zwischen Spiel und Monetisierung gefunden, bei der man dann freiwillig bezahlt, und nicht, wie bei Dungeon Keeper oder Tiny Tower, weil man durch gähnende Langeweile und Warten dazu durch Gewalt getrieben wird.

    Grundsätzlich finde ich F2P dann vertretbar, wenn es optional ist: Path of Exile, DotA2, Hawken, Team Fortress 2 etc beweisen, dass es auch für Spieler faires F2P geben KANN. Mir persönlich ist aber auch ein Vollpreisprodukt sympathischer, bei dem sich die Designer Gedanken über den Spielspaß gemacht haben, und nicht über die Kanalisierung desselben in stetigen Geldfluss.

    • Benjamin Filitz
      11

      Mehr habe ich Dir auch nicht unterstellen wollen.

      Nur setzt der Gamasutra-Beitrag eben einen ganz anderen Akzent und zeigt, dass auch diese optionalen F2P-Geschichten extrem hinterhältig sein können.

      Grade auf Valves Community Market tobt eine art Meta-Spiel mit Team Fortress und Dota Items, die mit den eigentlichen Spielen gar nichts zu tun haben. Es gibt Leute, die verlieren sich komplett darin, verwetten Tausende von Euro in Dota-Items, während Valve alles durch super-seltene Items weiter anfeuert. Ist das noch “vertretbares” F2P, nur weil es die Spielmechanik selbst wenig bis gar nicht beeinflusst?

    • Rainer
      12

      “Vertretbar” -- seit wann sind wir hier die Sittenpolizei, die die Grenzlinien zieht?!? Die Gamification von Steam etc ist wie F2P an sich eigentlich neutral zu betrachten -- ich finde es ein wenig albern, derartige Konzepte und Mechanismen a priori abzulehnen oder zu verteufeln.

      Klar, F2P will den Spielern Geld aus der Tasche ziehen -- letztendlich aber wollen das auch Vollpreisspiele. Ja, die psychologischen Mechanismen sind bei F2P exakt darauf abgestimmt, aber auch MMOs oder auch ganz einfache Singleplayerspiele werden auf “addictive” getrimmt -- in den meisten Fällen wird das von den Fans sogar als Auszeichnung verstanden.

      Dass also mit psychologischen Tricks Einfluss auf Spieler genommen wird, macht F2P nicht “böse”, das machen alle Spiele mehr oder weniger. Dass sie Geld verdienen wollen, ist auch nicht unbedingt ein F2P-Spezifikum.

      Es ist IMHO eher eine Frage der individuellen Balance, und auch der Eigenverantwortung. Deshalb auch mein Unverständnis, hier in Apologeten und Feinde von F2P eingeteilt zu werden. Das ist albern, weil es “das” F2P-Modell nicht gibt. Dungeon Keeper ist ein mieses Spiel, weil es keinen Spaß macht. Candy Crush saugt seinen Spielern bei weitem mehr Geld aus den Taschen, aber die Spieler lieben es. Wer sind wir, da “Pfui” zu schreien und zu behaupten, das wäre mehr als unsere persönliche Meinung?

    • Benjamin Filitz
      13

      Jo, aber genau darum kann man das ja auch diskutieren. Ich seh das übrigens total unabhängig von F2P. Das “böseste” Spieldesign das mir begegnet ist dürfte Diablo 2 gewesen sein, das nun weit weg von modernen Monetarisierungskonzepten war.

      Irgendwo zwischen Bevormundung und respektvollem Design dürfte reichlich Land liegen. “Eigenverantwortung” ist halt ein Begriff, mit dem man sich schnell selbst aller Verantwortung entledigen kann. “Mir doch egal, wem ich das Dope verticke.” – Hm… irgendwie ja, aber auch irgendwie nein.

    • Rainer
      14

      pssst … du hast dope?

  7. Rainer
    15

    Seh grad, dass ich die unpassende Vokabel “vertretbar” selber ins Haus gezerrt habe :D Gemeint war natürlich ein persönlicher Standpunkt.

  8. Sven
    16

    Endlich wieder W00t! Danke dafür! Hätte ich sehr gerne wieder regelmässig!

    Sven

    • Benjamin Filitz
      17

      Das ist zumindest der Plan. Eventuell läuft es auf einen 2-wöchentlichen Rhythmus hinaus… hängt ein bisschen von der Themenlage und Texten ab.

  9. SchwarzerSatyr
    18

    Also, ich finde auch, das man das durchaus diskutieren kann und sollte. Und verschiedene Leute haben differente Standpunkte. Immer nur einen neutralen Standpunkt zu vertreten macht ja keinen Sinn. Wenn mir etwas zusagt sage ich es, wenn nicht, beschwere ich mich. Da die Rubrik nicht unter einen neutralen Artikel fällt, sondern durchaus meinungsbildend sein will (zumindest meinungsäußernd), steht es dem Autor auch zu, zu sagen was er möchte.

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