Autor: Rainer Sigl

Rainer Sigl

Brief und Sigl: Fick dich, Lonely Planet!

Lieber Lonely Planet, ich schreibe aus einem Holzverschlag, in dem eine Scheißkälte herrscht und wünsche dir und deinen “Redakteuren” genau die Krätze an den Hals, die sich allem Anschein nach inzwischen auf meinem Allerwertesten festgesetzt hat. Insekten abenteuerlicher Größe krabbeln auf meiner sauteuren, inzwischen total verdreckten Allzwecktropensportbekleidung herum und das Brüllen der wundersamerweise frostresistenten Zikaden erfüllt die Nacht da draußen, nur unterbrochen von hin und wieder bellendem Maschinengewehrfeuer. (…)

Brief und Sigl: Zôgdush, der Zwergenfresser

Lieber Zôgdush,

es kommt mir vor, es wäre es erst gestern gewesen, als wir uns das erste Mal trafen. Ich, ein kürzlich verstorbener, von einem blasierten Elbengeist ins Halbleben zurückgeholter, sorgloser Raufbold. Und du, ein strammer Speerwerfer in der Kohorte Tarschiggs des Wahnsinnigen. Es war ein Moment, den ich nie vergessen werde: Die untergehende Sonne tauchte die Mauern des großen Festungswalls im Schatten Mordors in blutrotes Licht, Geier wiegten sich sanft am Abendhimmel, das melodische Brüllen eines Caragors erfüllte die Atmosphäre (…)

Blast from the Past: Pool of Radiance

Die Packung war golden, auf dem Cover ein blonder Typ im Kettenhemd, der von einem echsenartigen Wesen überfallen wird. Das Logo oben hat sich auch wegen der noch folgenden Spiele so tief in mein Gehirn eingebrannt, dass mich auch heute noch ein Pawlow’scher Restreflex an Endorphin ereilt, wenn ich es sehe: “SSI” stand da, Strategic Simulations Inc. (…)

Melodive

Von oben, von außen, sieht Melodive aus wie ein Spiel. Oder zumindest fast, denn obwohl Spielelemente wie ein Highscore sowie RPG-Spurenelemente von Tuning vorhanden sind, gibt es wenig zu tun, keine Gegner und kein Ziel. Dafür gibt es eine Gravitation, die uns nach unten zieht, sobald wir auf „Start“ drücken und das Menü in 1.000 Planktonpixel zerstiebt. Wir fallen. Abwärts.

Gewalt im Zeitalter ihrer virtuellen Reproduzierbarkeit

Immer, wenn aus Anlass aktueller Tragödien Gewaltdarstellung in den Sekundenbruchteilsaufmerksamkeitsradius der Massenmedien fällt, bekommen Games ihr Fett ab. Besonders bei jugendlichen Gewalttätern sieht eine erschrocken-faszinierte Öffentlichkeit plötzlich jenes Medium, das ein Großteil der Heranwachsenden selbstverständlich als das ihre betrachtet, und dieser oberflächliche, nach Ursachen suchende Blick zeigt Erschütterndes:

Confessions of a Videogame Tourist

Warum spielen? Es gibt viele Gründe. Hier ist meiner, für den ich etwas ausholen muss.
Unsere Vorfahren sind in uns. An die 200.000 Jahre bewegt sich Homo sapiens auf diesem Planeten, und allzu leicht gerät in Vergessenheit, dass wir von Natur aus Nomaden sind, unstet, wandernd, in Bewegung. Lächerliche 8.000 Jahre ist es her, dass sich Sesshaftigkeit als Lebensmodell etablierte. (…)

Black Mesa

14 Jahre sind eine lange Zeit — das gilt umso mehr für die Games-Branche. 1998 erschien Half-Life, das Debütspiel des bis dahin unbekannten Entwicklerstudios Valve, und es war ein revolutionärer Meilenstein: Kein Spiel zuvor hatte es derart geschafft, ohne Bruch der Immersion eine Geschichte so unmittelbar, packend und intelligent im zuvor eher brachialen Genre des First-Person-Shooters zu erzählen. (…)

Rainer Sigl