Kein richtiges Leben im falschen: #sosehengameraus
Linda Breitlauch sieht nicht so aus wie der typische Gamer. Sie ist nicht sonderlich blass, ganz und gar nicht übergewichtig, hat keine pickelige Haut und männlich ist sie offenkundig auch nicht. Linda Breitlauch ist Professorin für Gamedesign und kennt die Klischees, die mit dem stundenlangen Sitzen vor dem Bildschirm verbunden werden. Sie will damit aufräumen. Ganz modern, mit einem Hashtag. Sie will beweisen, dass Gamer ganz unterschiedlich aussehen. Dabei buddelt sie Vorurteile wieder aus, die man längst begraben glaubte und vernachlässigt die eigentliche Problematik des Gamer-Begriffes, der insbesondere im vergangenen halben Jahr extrem gelitten hat.
Unter dem etwas umständlichen Hashtag #sosehengameraus kann man auf Twitter seit einigen Tagen nun also sehen, wer sich mit diesem Begriff alles identifiziert. Und zur allgemeinen Überraschung sind das nicht nur 15-jährige, bebrillte Maulwurfsmenschen mit Rettungsringen, sondern ein kunterbunter Regenbogen an Erscheinungsbildern jeden Alters und Geschlechts. Ein Sieg für die Toleranz! Das denken sich bestimmt auch die blassen, übergewichtigen und pickligen Jungs, denen mit dieser Kampagne indirekt erklärt wird, sie würden mit ihrer Visage dem Begriff Gamer einen schlechten Ruf verleihen. Oder habe ich das jetzt völlig missverstanden?
Ein Missverständnis ist es in jedem Fall, dem angeblich existierenden, oberflächlichen Bild von Spielenden auf eine nicht minder oberflächliche Art entgegenwirken zu können. Zum Einen ist es nicht besonders hilfreich, sich ohne aktuellen Hintergrund als Gruppierung selbst zu stigmatisieren, und im ungünstigsten Fall die angemahnten Klischees auch noch bestätigt zu bekommen, zum Anderen verklärt es die eigentlichen Missstände, die für viele, insbesondere in den letzten Monaten, nicht gerade für die Identifikation als Gamer förderlich waren. Gamergate hat offenbart, dass Menschen, die sich selbst als Gamer bezeichnen, nicht vorwiegend optische, sondern vielmehr soziale Hässlichkeit an den Tag legen und somit die Akzeptanz des Mediums deutlich nachvollziehbarer gefährden, als es ein undeodorierter Warcraft-Cosplayer in einem hämischen RTL-Bericht je könnte.
Das Wort Gamer steht für viele Spielerinnen und Spieler längst synonym für Ausgrenzung und Frauenfeindlichkeit. Es wurde nicht durch Vorurteile von außen sondern durch Vergewaltigungsdrohungen und Hasskampagnen von innen heraus demontiert. Dass Frau Breitlauch es durchaus gut gemeint hat, steht völlig außer Frage. Die rege Teilnahme bestätigt zumindest auch, dass viele nach wie vor einen immensen Rechtfertigungsdruck verspüren, wenn es um ihr völlig banales Hobby geht. Es ändert aber nichts daran, dass Gamer kein inklusiver, sondern ein abgrenzender Begriff ist, der eine eingeschworene Gemeinde definiert, die sich gegen Einflüsse von außen vehement zur Wehr setzt. Sei es nun gegen Anita Sarkeesian, die mutmaßlich selbst überhaupt nicht spielt oder gegen Leigh Alexander, die Gamern gar ihre homogene Identität absprechen will. Eine ganz ähnliche Abblockmentalität also, die einem auch von den Montagsschwarzmalern auf Pegida-Demonstrationen entgegenschlägt.
So sehen Gamer also auch aus. Dass Linda Breitlauch und viele der Spielenden, die unter dem Hashtag ihr Antlitz verewigen, sich ideologisch nicht mit einer solchen Haltung identifizieren, davon bin ich fest überzeugt. Doch dann sollte man auch konsequent sein und diesen mittlerweile infamen Ausdruck meiden. Es gibt schließlich kein richtiges Leben im falschen. Ganz gleich, wie gut man es auch gemeint haben mag.