Diablo III: Reaper of Souls

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„Lieber würde ich mein heiliges Szepter in die stinkenste, schwärigste Dirne stoßen, als einen Fuß in diese Höhle zu setzen.“

So ungehobelt wie dieses Zitat von Gheed aus Diablo II hatten sich viele auch dessen Nachfolger gewünscht. Stattdessen bekam man vor knapp zwei Jahren ein rundgelutschtes Kaugummi aus simplifizierter Spielmechanik und bonbonbunter Grafik vorgesetzt, mit dem niemand so richtig zufrieden schien. Auch Blizzard selbst nicht, denn was folgte waren alle paar Monate mächtige Patches, die immer wieder an den Eckpfeilern des Spiels sägten, nur damit deren Änderungen kurze Zeit später abermals modifiziert werden sollten. Diablo III ist so zu einem riesigen Versuchsballon verkommen, dessen vorläufige Endergebnisse sich nun im Add-On Reaper of Souls manifestieren sollen. Einer Erweiterung, deren Stärken vielmehr in der Reduktion als in dem Hinzufügen von Spielinhalten liegen und die den angekratzten Ruf einer der erfolgreichsten Spielereihen zumindest zum Teil wiederherstellen könnte.

Dies liegt vor allem daran, dass die Entwickler schlussendlich doch ein offenes Ohr für die am häufigsten geäußerten Wünsche der zusehend schrumpfenden Community bewiesen haben. Allen voran der vielen zu farbenfrohe Grafikstil, der schon vor Veröffentlichung des Hauptspiels für viel Verdruss sorgte, hat im neuen fünften Akt des Spiels einen weitaus düstereren Anstrich erhalten. So zieht man durch die nächtlichen Straßen der gotisch anmutenden Stadt Westmark, durchstreift verdorrte Sumpflandschaften und verlassene Friedhöfe, dringt durch Portale in verödete Parallelwelten ein und stürmt zum großen Finale die zerfallene Festung des Tods höchstpersönlich. All diese dunklen Gebiete wirken weitläufiger und sind mit einer Vielzahl zufällig auftretender Abzweigungen versehen, die oftmals zu optionalen Mini-Quests führen. Zwar ist der neue Akt somit insgesamt durchaus stimmungsvoll und homogen, doch bricht sich die Atmosphäre immer wieder mit den kunterbunten und völlig überbordenden Zaubereffekten der Fertigkeiten von Freund und Feind. Wer sich in einem abgedunkelten Raum durch die nachttrunkenen Gassen von Westmark schleicht, wird spätestens bei einem der zahlreichen Elitegegnern das Gefühl nicht los, jemand hätte gerade eine schillernd strahlende Lichtorgel neben dem Monitor platziert.

Neben diesem mäßig erfolgreichen Versuch der Stilkorrektur wirkt Reaper of Souls außerdem der oft kritisierten Langeweile nach dem Abschluss der Kampagne entgegen, indem praktisch alle relevanten Endgame-Mechaniken komplett überarbeitet, verworfen oder ersetzt wurden. So werden die ursprünglichen vier Schwierigkeitsgrade, die alle einzeln und nacheinander durchlaufen werden mussten, durch ein dynamischeres, viel feingliedrigeres System ersetzt, das auch während des Spiels den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend angepasst werden kann. Ein mehrmaliges Durchackern aller Akte ist somit nicht mehr notwendig. Die signifikantesten Änderungen betreffen allerdings das Beutesystem, das endlich an das aus den Konsolenversionen bekannte „Loot 2.0“ angepasst wurde und im Zusammenspiel mit den nach Erreichen des Maximallevels erlangbaren Paragonstufen für erhöhte Langzeitmotivation sorgen soll. So findet man nun deutlich häufiger sinnvolle Gegenstände, die den eigenen Charakter verstärken und jegliche gesammelte Erfahrung ist auch nachdem man die neue Levelhöchstgrenze von 70 erreicht hat noch wertvoll, da sie in Punkte für passive Boni investiert werden kann. Die glasierte Kirsche auf dem Sahnehäubchen dürfte für viele Traditionalisten jedoch die Schließung des zum Teufel gewünschten Auktionshauses sein, so dass nun niemand mehr seinen Charakter mit der Investition von ein paar Euro bei der Aufrüstung auf die Sprünge helfen kann. Schließlich soll man sich seine Rüstung im Spiel verdienen und nicht auf dem Bau!

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Um den neuen Reiz an der Beute- und Erfahrungsjagd auch in vollen Zügen genießen zu können, wurde die Kampagne um einen Abenteuermodus erweitert, der an die traditionellen Boss-Runs aus Diablo II erinnert und eine meist kurze und unterbrechungsfreie Monsterhatz ermöglicht. War es mit dem zwischenzeitlich eingeführten und längst wieder abgeschafften „Mut der Nephalem“ noch nötig, längere Sitzungen einzulegen, um möglichst effizient zu spielen, kann man nun auch wieder in kurzen Prokrastinationsphasen eine legendäre Zweihandaxt finden, bevor man sich wieder den wichtigen Dingen im Leben zuwendet. Belohnt wird man für diese Form der Kopfgeldjagd unter anderem mit Blutsplittern, die wie Jetons im Casino für das schmerzlich vermisste Glücksspiel auf den Kopf gehauen werden können. Verdient werden diese auch mit dem Durchschreiten der sich im Abenteuermodus von Zeit zu Zeit öffnenden Nephalemportale, in denen völlig zufällig generierte Level mit bunt aus allen Akten zusammengewürfelten Gegnerhorden bestückt werden. Diese dauern jedoch erheblich länger an, winken dafür aber auch mit größeren Belohnungen.

Übrig bleiben vorhersehbare, neue Features, wie eine Weitererzählung der Geschichte, die so tiefgehend wie die Spuckpfütze an der Bushaltestelle ist, die erwähnte Erhöhung der Levelgrenze, einige neue Fertigkeiten für die vorhandenen Charaktere und die Möglichkeit, die Werte und das Aussehen von Gegenständen zu modifizieren. Selbstredend gibt es auch eine neue spielbare Klasse, die trotz weiblicher Option einmal mehr hauptsächlich in ihrer Testosteronform beworben wird. Als muskelbepackter Kreuzritter kann man nun dicke Schilde und Rüstungen tragen, auf dem Schlachtfeld ein Stoßgebet gen Himmel schicken und einen geweihten Flegel unheiligen Kreaturen um die verfaulten Ohren prügeln. Nachdem sich praktisch die komplette Erweiterung am Reiz des Vorgängers entlangzuhangeln versucht, ist es wohl nur konsequent, dass so auch der Paladin aus Diablo II unter neuem Namen seinen Weg ins Spiel gefunden hat. In voller Rüstung gleicht die Figur sogar optisch einer Konservendose.

Spaß macht mir das alles trotz oder gerade wegen des ganzen Recyclings und des immer gleichen, stupiden Spielprinzips, weil es höchst erfolgreich meine niedersten Instinkte anspricht. Blizzard hat schließlich nicht von heute auf morgen vergessen, wie man ein ordentliches und zumindest initial motivierendes Spiel programmiert. Diablo III hat jedoch gezeigt, dass man seine Kundschaft trotz starker Marke nicht unendlich gängeln kann. Reaper of Souls ist aus diesem Grund wie ein Korrekturstift, dessen grelles Rot die ursprünglichen Designfehler übermalen soll. Zunächst essentielle Eckpfeiler des Gameplays, wie das Auktionshaus oder das langwierige Grinden, wurden zu Gunsten des ursprünglichen Spielgefühls der Reihe wegrationalisiert, weil sie wie eine dicke Schicht Staub den alten Glanz verdeckten. Dieser schimmert nun wieder ein wenig durch, wenn die Straßenlaternen von Westmark darauf leuchten, doch fehlt ein erkennbarer roter Faden, der all die unterschiedlichen Elemente zusammenhält. Letztendlich ist das spielerische Jacket nach so vielen, teils gravierenden Änderungen auch dermaßen oft geflickt und umgenäht worden, dass ich mir nicht sicher bin, ob dieses Spiel darunter überhaupt noch eine Seele zum Ernten besitzt.


Einige der erwähnten Neuerungen, wie etwa das neue Beute- und Paragonsystem, haben ihren Weg auch in das Hauptspiel gefunden und erfordern nicht den Kauf von Reaper of Souls. Wer also unschlüssig ist, ob ihm die Änderungen zusagen, kann diese erst einmal mit seinem bestehenden Account ausprobieren. Eine dauerhafte Verbindung zu den Blizzard-Servern ist leider auch weiterhin Voraussetzung für das Spiel.