Hitman: Absolution
Die Glatze ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber der Mann hat Stil, das muss man ihm lassen. Seit zwölf Jahren mordet sich Agent 47 im schicken Anzug mit weißem Hemd und roter Krawatte durch die Videospiellandschaft und macht dabei immer eine gute Figur. Beneidenswert. Im neusten Teil Hitman: Absolution bekommt die glatte Kopfgeldjägerfassade allerdings ein paar Kratzer verpasst, denn diesmal wird es persönlich. Forty-seven, wie ihn seine Freunde gerne nennen, verweigert den Dienst an der Waffe und rettet ein geheimnisvolles Mädchen. Die auftraggebende Agency ist nicht erfreut und hetzt eine Bande durchgedrehter Killer los. Der Jäger wird zum Gejagten. Das Spiel beginnt.
Hitman: Absolution ist mein erstes ernsthaftes Zusammentreffen mit Agent 47. Ich erinnere mich zwar daran, einen der ersten Teile angespielt zu haben, wurde aber vom hohen Schwierigkeitsgrad abgeschreckt. Wer sich das Leben eines Auftragsmörders als glamouröse Actionparty vorstellt, der bekam hier einen Denkzettel verpasst. Die Arbeit eines Hitman besteht zu 90% aus Warten und Beobachten. Die Laufwege der Gegner müssen studiert, mögliche Orte für den eigentlichen Mord gefunden und der kürzeste Fluchtweg gesucht werden. All das gilt auch für den neusten Teil, aber diesmal haben die Entwickler von IO-Interactive den unbedarften Spielern wie mir eine ausgesprochen große Hilfe an die Hand gegeben.
Per Tastendruck schärft Agent 47 seine Instinkte und kann damit durch Wände sehen. Personen dahinter erscheinen als leuchtende Silhouette. Nie wieder stolpert man unbedarft in einen Raum voller Gegner, sondern umgeht diese von Anfang an. Auch das Erraten von Laufwegen wurde vereinfacht, denn eine kleine Flammenspur zeigt die genaue Route jeder Wache an. Aber das ist noch nicht alles. Um hinter die feindlichen Linien zu gelangen, sind Verkleidungen ein probates Mittel. Auch hier verstärkt das Aktivieren des Instinkts für kurze Zeit die Nützlichkeit einer Tarnung und lässt den Spieler selbst an den aufmerksamsten Wachen vorbeilaufen.
Doch halt, das ist immer noch nicht alles. Will man in einer brenzligen Situation eine größere Menge Schergen auf einen Schlag ausschalten, eröffnet einem der Killerinstinkt eine Zeitlupenfunktion, bei der die Ziele nur markiert werden müssen und Agent 47 sie anschließend automatisch und effizient erschießt. Wer solche Hilfen verabscheut und sich lieber dem puren und qualvollen Spielerlebnis hingeben will, der kann diese durch die Wahl eines höheren Schwierigkeitsgrads abschalten, aber für mich Möchtegernschleicher waren diese neuen Fähigkeiten Gold wert. Ohne sie hätte ich das Spiel aus Frustration nie beendet, denn Hitman: Absolution hat zwei Gesichter.
Die knapp zwanzig Missionen der Kampagne sind in viele kleine Schlauchlevel und einige sehr große Sandkastenlevel aufgeteilt. Die einen machen nur bedingt Spaß, während die anderen dagegen großartig schwarzhumorige Mordsimulatoren sind. In den kleineren Kapiteln gilt es meist, einfach nur von A nach B zu gelangen, ohne gefasst zu werden. Hier war mir die Instinktfunktion eine besondere Hilfe, da ich mit der richtigen Tarnung einfach an allen Gegnern vorbeilaufen konnte. Im normalen Schwierigkeitsgrad darf man hierbei auch mal entdeckt werden und die letzten Meter zum Levelausgang mit einem beherzten Sprint zurücklegen. (Hitman-Puristen auf der ganzen Welt schlagen gerade reihenweise die Hände über dem Kopf zusammen.)
Ist man im nächsten offenen Bereich angelangt, gilt es ein bis drei festgelegte Ziele zu eliminieren und anschließend ungesehen zu verschwinden. Hier liegt das Herzstück der Serie und auch im neusten Teil stellen diese Level die klaren Höhepunkte dar. Will man sein Ziel vergiften, aus dem Fenster werfen, mit einem Kran erschlagen, unter Strom setzen, verbrennen, erdrosseln oder doch lieber ganz altmodisch erschießen? Die Designer haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten in der Welt verstreut, doch wie diese eingesetzt werden, bleibt allein dem Spieler überlassen. Minutenlang beobachtet man einen Gangsterboss bei seinen Bewegungsabläufen, überlegt sich einen kühnen Plan und schlägt schließlich im richtigen Moment zu. Funktioniert der Plan, liebte ich das Spiel, schlug er fehl, verfluchte ich es kurz und versuchte mein Glück auf eine andere Weise.
Die Freunde von Punktwertungen und Ranglisten werden davon begeistert sein, dass jede Handlung bewertet wird und ein möglichst unauffälliges Vorgehen die meisten Punkte verspricht. Aus dieser Bewertungsmechanik haben die Entwickler auch gleich einen eigenen Multiplayermodus gestrickt, der es erlaubt, eigene Mordaufträge mit speziellen Vorgaben zu erstellen und diese mit allen Spielern der Welt zu teilen. Der Clou dabei ist: Der Auftraggeber muss die Aufgabe auch einmal selber erfüllen, um zu zeigen, dass sie auch spielerisch wirklich durchführbar ist. Wer es also schafft, mit der auffälligsten Verkleidung unerkannt an den fiesesten Fiesling heranzuschleichen und ihn mit dem stumpfsten Mordinstrument zur Strecke zu bringen, der landet ganz oben auf der Weltrangliste.
Aber noch einmal zurück zur Kampagne und der Geschichte: Alle auftauchenden Figuren stammen direkt aus einem überzeichneten B-Movie und trotz stoischer Ernsthaftigkeit auf Seiten des Hauptcharakters ist der gesamte Rest der inhaltlichen Ebene von Hitman: Absolution als Satire zu verstehen. In einigen Szenen ist das lustig, wenn etwa ein Bösewicht in endlose Fluchtiraden ausbricht, aber in anderen fühlt es sich leider total falsch an. Zum Beispiel bei den Kampfnonnen, über die schon vor Veröffentlichung des Spiels viel diskutiert wurde. Ohne jeglichen Zusammenhang tauchen sexy Nonnen in Lederklamotten auf und greifen Agent 47 in einem Motel an. Natürlich muss man sie nach und nach umbringen. Auch viele andere Mordopfer werden durch die Geschichte nicht logisch erklärt und immer wieder stellte ich mir die Frage, warum ich ausgerechnet diese Person beseitigen sollte, wenn ich doch auch einfach durch die nächste Tür zu meinem eigentlichen Ziel gehen könnte. Rache wäre hin und wieder ein Motiv, aber richtig klar wird dies leider nicht.
Sexismus lässt sich nicht nur bei den Kampfnonnen finden, sondern eigentlich im ganzen Spiel. Wie gesagt, es ist Satire, aber muss wirklich jede Frau im Spiel ein üppiges Dekolleté präsentieren und den verschiedenen Fieslingen als sexy rechte Hand zur Seite stehen? Muss Agent 47 sein erstes weibliches Opfer nackt unter der Dusche erwischen? Muss das gerettete Mädchen in einer Schuluniform mit kurzem Rock rumrennen? Alle Figuren im Spiel sind überzeichnete Stereotypen, Männer wie Frauen, aber besonders die Damen kommen dabei schlecht weg. Dabei können die dänischen Entwickler von IO-Interactive auch anders. Immer wieder lauscht man beim Vorbeigehen in skurrile und pointierte Gespräche von Passanten und Wachen hinein, die brüllend komisch sind und als schelmisches Kommentar zu verschiedenen gesellschaftlichen Themen besser funktioniert als die gesamte Hauptgeschichte.
Die trashige Story stößt mir außerdem schlecht auf, weil sie nicht zur methodischen Spielweise passt. Auf der einen Seite steht eine B-Movie-Grindhouse-Erzählung und auf der anderen ein bierernstes Schleichspiel, das keinen Fehler verzeiht. Trotz Instinkt-Funktion, die einem hin und wieder aus einer brenzligen Situation retten kann, besteht das Spiel aus genretypischen Orgien des Scheiterns, bis man im dreizehnten Versuch das Gift ins richtige Essen gemischt hat und dem Bösewicht aus der Ferne bei seinem röchelnden Tod zuschaut.
Über das schnell wieder gelöschte Facebook-Spiel werfe ich an dieser Stelle den Mantel des Schweigens und richte meinen Blick auf den Kern der Sache. Hitman: Absolution überzeugt mich als Spiel, weil es mir genug optionale Hilfen an die Hand gibt, um die frustrierenden Elemente eines Schleichers abzumildern und die spaßigen hervorzuheben. Als Geschichte macht der neuste Hitman-Teil dagegen wenig her, präsentiert aber einige überzeichnete Charaktere, deren Dialoge durchaus ein Schmunzeln in mein Gesicht zaubern. Zur entsprechenden Stimmung trägt auch die leicht schmuddelige von verschiedenen Farbfiltern überzogene Optik bei. Damit nähert sich Hitman der Kane & Lynch-Reihe aus dem gleichen Entwicklerhaus an. Beide Gangster erhalten zusätzlich noch Cameo-Auftritte und ich hoffe, sie bald wieder in ihrem eigenen Spiel anzutreffen. Zeit hätte IO-Interactive ja jetzt.