Anna

Anna

Eine kurze Huldigung an eine ominöse Anna eröffnet das atmosphärische Horror-Spektakel, das mich erwartet. Ich befinde mich auf einem kleinen, umzäunten Gehöft vor einer alten, abgeriegelten Sägemühle. Weder ein Auslass in das satte Grün noch der Einlass in das Gebäude wird mir gewährt. Alles beginnt so entspannt, öde, frustrierend. Ich finde keinen Hinweis darauf, wie ich weiterkomme. Mein Inventar besteht aus scheinbar eher nutzlosem Kram wie einem Feuerzeug oder ein Journal. Ich kann ein paar Tannenzapfen, Steine und einen Ast aufsammeln, doch eine Lösung finde ich nicht. Die Eingangstür will sich nicht öffnen lassen. Nach etwa 20 Minuten beschließe ich, Anna zum ersten Mal zu beenden.

Doch irgendwas stört mich. Warum bin ich nicht weitergekommen? Habe ich etwas übersehen? Kurz nach Mitternacht starte ich das Spiel erneut und erlebe eine grandios grausame Zeit. Der subtile Horror par excellence wartete geduldig darauf, dass ich ihm ins Messer laufe.

In dieser Nacht werde ich Anna noch öfter schließen und wieder öffnen — aus zwei verschiedenen Gründen: Das bewusst unlogische Rätsel-Design (was bereits Adam Smith von Rock, Paper, Shotgun ausführlich anprangerte) und diese ständig präsente Atmosphäre des Schreckens. Die Köpfe hinter Anna — das italienische Indie-Entwicklerstudio Dreampainters — verstehen ihr Handwerk. Erst konfrontieren sie mich mit Aufgaben, auf deren Lösung ich (wenn überhaupt) nur sporadisch Hinweise erhalte, wodurch sich eine Frustration bei mir einstellt. Ich schließe Anna, doch schon wenige Minuten später öffne ich es wieder. Der Ehrgeiz lässt mich nicht los. Wieder und wieder werde ich an den Rand der Verzweiflung getrieben und versuche hoffnungslos, Gegenstände miteinander zu kombinieren oder sie einfach zu benutzen. Urplötzlich geschieht oder funktioniert etwas. Die Frustration verfliegt, dafür folgt der Schrecken.

“The more you play, the more you find,
but to really discover everything,
you’ll have to lose yourself.”

Anna lässt mich paranoid werden. In den drei Stunden, die man etwa für einen Durchlauf benötigt (drei verschiedene Endsequenzen sind möglich, wodurch man ungefähr mit neun Stunden kompletter Spielzeit rechnen kann), befindet man sich hauptsächlich in düsteren, schmal geschnittenen Räumen. Alles wird aus der First-Person-Perspektive erlebbar gemacht, wodurch sich mir ein objektiv-neutraler Blick entsagt. Ich verliere mich in meinem Alter Ego. Eine extreme Spannung entsteht.

Die Umgebung verändert sich und ich mich mit ihr. Augen starren mich von allen Seiten aus an. Masken drehen sich zu mir, während ich mich bewege. Gemälde beginnen zu bluten, menschliche Organe und Extremitäten werden mir unvermittelt entgegengestreckt. Das Dach verschwindet plötzlich und ich kann in den Sternenhimmel — in die Freiheit — schauen, und ist dann doch wieder da. Die wütenden Stimmen eines Mannes und einer Frau ertönen — obwohl sich außer mir niemand in der Sägemühle zu befinden scheint. Interessant ist das insofern, als dass es nicht für sämtliche Aktionen des Spiels nachempfindbare Gründe oder Trigger-Punkte gibt. Manchmal ist es fast so, als hätte nicht ich die Kontrolle über das Spiel, sondern umgekehrt.

Irgendwann habe ich mich dem ergeben. Irgendwann habe ich sämtlichen Schrecken auf mich einwirken lassen und bin den Halluzinationen meiner Figur gefolgt. Doch Anna genügt das nicht. Anna wartet bereits auf ihr nächstes Opfer; möglicherweise auf euch.

Anna ist bereits erschienen und für PC über Desura, ZODIAC und JustAdventure erhältlich für maximal €8,17 (Soundtrack inklusive).

Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Webseite.