Bam, zoom, straight „To The Moon“
Wenn Inception im RPG-Maker auf Eternal Sunshine of a Spotless Mind trifft, dann fließen Tränen. Kan Gaos To The Moon ist etwas sehr Besonderes, eine fabelhaft rückwärts erzählte und geschriebene Geschichte und ein Spiel mit erstaunlich wenig Spiel. Es ist ein völlig überraschendes Kuriosum, das sich (auch an Bedeutung) nahtlos einreiht an Digital: A Love Story und A Mind Forever Voyaging. Es ist ein Spiel, das zeigt wie spannend Indie-Games zwischen all den monochromen Puzzle-Plattformern sein können und wie stark sie traditionelles Gamedesign in Frage stellen können.
Die Freud Corp. schickt in naher 16-Bit-Zukunft zwei unterbezahlte, ständig miteinander streitende Wissenschaftler los, um mit Hilfe von teurem, zur Fehlfunktion neigendem Equipment in die Erinnerungen sterbender Menschen einzudringen. Gegen Bezahlung lassen sich die Patienten sämtliche Erinnerungen umschreiben, um ein vertraglich festgehaltenes unerfülltes Lebensziel, zumindest kurz vor dem Tod als real wirkendes Gedankenspiel zu erleben.
Johnny will auf den Mond.
Die Reise durch die teils fehlenden, teils beschädigten und teils vergrabenen Erinnerungen eines sterbenden Mannes haben sehr wenig zu tun mit einem traditionellen Spiel: die Wissenschaftler werden durch liebevoll gestaltete Erinnerungswelten gesteuert und müssen Kram wie Olivengläser oder Origami-Figuren finden, um anschließend eine weitere Erinnerungsebene durch lächerlich einfache und völlig bedeutungslose Plättchen-Dreh-Puzzles freizuschalten. To The Moon ist linear, hat keine Dialogoptionen, keine Moralentscheidungen. Aber zwischen den geringen Spielelementen: die besten Dialoge, die menschlichsten Emotionen, das beste Gag-Timing und den herzzerreißendsten Einsatz einer einzelnen Note, die es dieses Jahr in irgendeinem Spiel zu erleben gibt.
Wäre To The Moon also ein besseres Buch, ein gelungerer Film, eine geilere Wandmalerei? Nein. To The Moon ist ein Spiel und es funktioniert so bezaubernd gut, weil es ein Spiel ist. In seiner Uncharted 3-Rezension spricht Manu etwas sehr Wichtiges an:
„Auch wenn ich nicht viel agiere, habe ich das Gefühl zu spielen, statt nur zu beobachten.“
Es ist dieses Gefühl, das To The Moon trägt. Es geht darum, persönlich Räume zu erkunden, bewusst, im eigenen Tempo, Klick für Klick. Ebenso wie A Mind Forever Voyaging gibt es hier kaum Herausforderungen, nur Erinnerungen, nur Räume, die so sehr im Gedächtnis bleiben wie heftigste Duelle. Würden Rundenkämpfe gegen Demenz-Monster oder das Kombinieren einer Olive mit einem Glas To The Moon besser machen?
To The Moon erzählt eine fiktive Lebensgeschichte innerhalb einer fiktiven Lebensgeschichte, es braucht nicht mehr Spiel im Spiel. To The Moon zeigt, dass ein Spiel sich nur auf das Wesentliche konzentrieren muss, um zu berühren und zu begeistern. To The Moon bringt Philipp Spilker und John Walker zum Heulen. To The Moon erfüllt seine Aufgabe erstaunlich gut.
Mad Props übrigens an Manu und an Iris für clevere Ideen und Gespräche zum Thema.