CAVE! CAVE! DEUS VIDET.
Über den niederländischen Maler Hieronymus Bosch ist nicht viel bekannt, nur eines erscheint offensichtlich: Er hatte einen kräftigen Dachschaden. In seinen Bildern tummeln sich wirre Zwitterwesen – mal Mensch, mal Tier, mal Pflanze – fliegende Fische und nackte Leiber, schweinsgesichtige Adelige und schlittschuhfahrende Vogelköpfe mit Hundeohren. Mit der Visual Novel CAVE! CAVE! DEUS VIDET., die im Rahmen des noch laufenden Bosch Art Game-Wettbewerbs entstanden ist, versucht sich nun das italienische Entwickler-Duo We Are Müesli daran, Interpretationsansätze für Boschs wirres Schaffen zu liefern.
Erzählt wird die Geschichte eines Jungen, der während eines Klassenausflugs in Lissabon urplötzlich verschwindet – und sich selbst in der surrealen Welt von Boschs Triptychon „Die Versuchung des heiligen Antonius“ wiederfindet, um dort dessen mögliche Ursprünge zu ergründen.
Leider präsentiert sich CAVE! CAVE! DEUS VIDET. dabei als Werk, das inhaltliche Tiefe simuliert, um darüber hinwegzutäuschen, dass der Kern seiner Spielmechanik im Grunde aus nicht mehr als einem kurzen Quiz und einem Suchbild besteht. Hierbei handelt es sich um zwei Komponenten, die gleichermaßen an dem „Trial & Error“-Prinzip kränkeln, das sich bei fehlender Sachkenntnis zwangsläufig offenbart und enormen Frust erzeugt. Diese Fassade jedoch weist immer dort Risse auf, wo sich die schriftstellerische Unbedarftheit seiner Autor_innen besonders deutlich offenbart: In der Charakterdarstellung. „Hoodie“, der kapuzentragende Protagonist der Erzählung, ist ebenso subtil beschaffen wie sein Kosename. Das mag einerseits der Kürze des Spiels geschuldet sein, die nicht genug Raum für eine differenziertere Darstellung bietet, aber andererseits auch den unerträglichen Klischees, die er selbst in holprig anmutenden Selbstreflexionsversuchen vorträgt.
„Well… Not that Star Wars, punk rock and untrendy clothes are exactly the most popular things in my school…“
Das konzeptionelle Gerüst der Visual Novel wiederum droht unter dem Ballast ihrer Darstellungsvielfalt zu zerbrechen. Die stark abstrahierte Grafik wird zunächst durch Überblendungen mit Originalaufnahmen von Boschs Triptychon sinnvoll ergänzt, späterhin aber insbesondere durch die Einbindung eines Stummfilmausschnitts gnadenlos überfrachtet. Es scheint, als hätten „We Are Müesli“ zwingend mit allen Konventionen brechen wollen. Das wirre Resultat könnte man wiederum selbst mit dem Etikett „Kunst“ versehen und ihm damit eine Generalabsolution erteilen – man muss es aber nicht. Was zunächst interessant erscheint, weil es sich visuell so deutlich von der Vorlage abgrenzt, wird im weiteren Spielverlauf sehr, sehr anstrengend.
Eines möchte ich CAVE! CAVE! DEUS VIDET. allerdings zugestehen: Als Lehrwerk funktoniert es insofern, als dass es einen ungewöhnlichen Zugang zum Thema bietet, dessen Schlüssel nicht in einem verstaubten Antiquariat verborgen liegt. Zugleich verschreckt es aber vermutlich einen nicht unwesentlichen Teil der potenziellen Zielgruppe durch seine Sperrigkeit. Der Versuch, zu vermitteln, scheitert am eigenen, künstlerischen Anspruch, dessen zu vielfältiger Ausdruck zwangsläufig beliebig wirkt. So verbleibt die Kunst, sowohl jene Hieronymus Boschs als auch die des Duos „We Are Müesli“, letztendlich doch wieder auf ihrem gewohnten, engmaschig umzäunten Terrain, dessen Zugang nur einem kleinen Personenkreis ermöglicht wird. Und daran wird sich, so fürchte ich, auch dann nichts ändern, wenn sich die Visual Novel im Wettbewerb durchsetzen und als Gewinnerbeitrag weiterentwickelt werden sollte.