Desktop Dungeons

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Bevor Desktop Dungeons in diesem Monat erschienen ist, hat es bereits einen erstaunlich langen und bisweilen beschwerlichen Weg hinter sich gebracht. Annähernd vier Jahre in Entwicklung und fast genauso lang als Vorabversion frei spielbar, hat dieses charmante, kleine Roguelike-Rollenspiel nun endlich seine kaum noch für möglich gehaltene Marktreife erlangt und ist in seiner finalen Pracht bei Steam käuflich zu erwerben. Hübscher und eingängiger als zuvor, aber genauso gnadenlos und reizend, im doppelten Wortsinne. Ein Spiel für die Kaffeepause, das jedoch so schwer wieder wegzulegen ist, dass Schlafenzug und Herzrasen zu ernstzunehmenden gesundheitlichen Begleiterscheinungen geraten können.

Dass es einmal so weit kommen könnte, ahnen wohl nur die Wenigsten, wenn sie zum ersten Mal in die putzig gezeichnete Spielwelt von Desktop Dungeons eindringen. Ähnlich wie bei Spelunky oder den Gremlins täuscht jedoch die niedliche Fassade nur die ersten Minuten über das unbarmherzige Grauen hinweg, das sich zweifelsohne dahinter verbirgt. Denn zwischen all den süßen Kobolden, Golems und den etwas aus der Welt gefallenen Fleischklumpen aus Super Meat Boy, ist das eigene Ableben stets nur einen unüberlegten Mausklick entfernt. Spätestens nach den Einführungsleveln wird somit zwar deutlich, wie komplex und unerbittlich das Spiel in seinem harten Kern ist, durch seine kurzweiligen Abschnitte und dem konstant aufrechtgehaltenen Gefühl, ganz knapp am Erfolg vorbeigeschrammt zu sein, hält es jedoch gekonnt die Balance zwischen Lust und Frust.

Der Drang, nach dem Scheitern sein Glück direkt erneut zu suchen, wird zudem durch das Freischalten von weiteren rollenspieltypischen Völkern und Klassen, sowie dem dauerhaften Ausbau des eigenen Königreiches befeuert. Denn während man nach dem Verlassen eines Verlieses stets seine gesammelte Erfahrung, entdeckte Zaubersprüche (mit so herrlich ironischen Namen wie WEYTWUT oder BYSSEPS) und gefundene Gegenstände verliert, bleiben errichtete Gebäude und deren Vorzüge, ähnlich wie auch bei Rogue Legacy, erhalten. Hierdurch gelangt letztlich doch noch ein willkommener Schimmer vorzeigbaren Fortschritts in diese sonst so flüchtige Welt hinein.

In seiner Essenz ist Desktop Dungeons jedoch mehr Rätsel- als Rollenspiel, das eine vorausschauende Vorgehensweise gleichsam wie ein Schachspiel einfordert. Eine Runde kann sich bis zum letzten Schlag wie ein sicherer Sieg anfühlen und dann doch an Ermangelung eines einzigen Heiltranks fehlschlagen. Das geschickte, wenn nicht gar perfekte Haushalten mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen bildet das Fundament des Überlebens, dessen Regeln durch die optionale Anbetung verschiedener Götter zusätzlich modifiziert werden können. So verachtet ein Gott möglicherweise den Einsatz von Magie, stärkt dafür jedoch die Angriffskraft des Spielers, während ein anderer zwar die Lebenspunkte mindert, im Gegenzug dafür aber einen Teil der Lebensenergie durch das Attackieren eines Monsters wiederherstellt. Die Regeneration von Lebens- und Manapunkten stellt in diesem Spiel allgemein eine Besonderheit dar, da diese mit jedem Schritt in unerschlossene Bereiche der Karte zu einem Teil wiederhergestellt werden. Dieser Umstand führt letztlich dazu, dass jeder noch so unbedeutend wirkende Zug am Ende über Sieg und Niederlage entscheiden kann, da jedes verfrühte Aufdecken eine verlorene Erholungsmöglichkeit im entscheidenden Moment bedeutet. Eine Situation, in der man sich immer wieder vorfinden wird.

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Eine ebenso zentrale Ressource ist unbestreitbar auch die gesammelte Erfahrung, sowohl die in Charakterlevel ausgedrückte, wie auch die des Spielers selbst, der mit zunehmender Spielzeit lernt, die Feinheiten des Systems zu seinem Vorteil zu nutzen. Wer sich zum Beispiel stets davor drückt, sich der Herausforderung höherstufiger Monster zu stellen, wird dauerhaft keinen Erfolg haben. Hierbei ist mathematisches Geschick und klinische Präzision gefragt, denn das Spiel fragt nicht sicherheitshalber noch einmal nach, ob man diesen letzten fatalen Klick wirklich durchziehen möchte. Das jeweils angemessene Vorgehen hierbei setzt also Geduld und vor allem viel Kopfarbeit voraus. Seinen Schädel haut man nämlich bei der Lösungssuche sicher nicht nur einmal auf den Tisch.

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Desktop Dungeons reiht sich durch seine unbarmherzige und doch stets aufs Neue motivierende Art nahtlos in die erstaunliche Erfolgsgeschichte des Roguelike-Genres ein, auch wenn es genau genommen ja eigentlich schon seit Jahren ein fester Bestandteil davon ist. Es beweist, dass in solch gut ausbalancierten Spielen selbst aus größten Frustmomenten positive Geschichten entstehen können. Das Spiel ist ein Lehrer, der seinem Schüler nichts erklärt, sondern ihn alles selbst entdecken lässt. Die bleibende Erfahrung ist schließlich nicht die Zahl neben dem Charakterportrait. Man sammelt sie vor dem Bildschirm. Und man lernt nie aus.