Dyad
Meine bisherigen Drogenerfahrungen halten sich in Grenzen. All die verpassten Gefühle der Ekstase und des Wahnsinns kann ich jetzt allerdings in gebündelter Form nachholen — ohne morgens nur mit einer Unterhose auf dem Kopf bekleidet in einer fremden Wohnung aufzuwachen und ein Schmetterlingstattoo auf meinem Rücken zu finden. Alles, was ich dafür brauche, ist das neue PSN-Spiel Dyad.
Zunächst beginnt alles ganz friedlich. Ich steuere ein unförmig waberndes Fluggerät durch einen schwarzen, runden Tunnel. Die Wände sind mit langen Neonröhren in gelb, rot und grün erleuchtet und laufen vor mir in die schier unendlich scheinende Röhre hinein. Mit den Richtungstasten kann ich mein Schiff an den Wänden entlangsteuern. Oder drehe ich nur den Tunnel und bleibe selbst immer an Ort und Stelle? Bewegt sich die Welt oder bewege ich mich? Erste Irritation macht sich breit und die Farben beginnen zu vibrieren und ineinander zu fließen. Dann tauchen verschiedene Lichtpunkte auf. Das Spiel schlägt mir vor, eine Art futuristischen Enterhaken auf die Leuchtkugeln abzufeuern und mich zur Beschleunigung an ihnen vorbeizukatapultieren. Meine Geschwindigkeit erhöht sich rapide, ein Elektrobeat setzt ein, die zuvor noch klaren Neonröhren zerreißt es in blitzende Farbflächen und ich werde schneller und schneller.
Im zweiten von 27 Levels wird mir erklärt, dass es günstig wäre, immer zwei Leuchtkugeln der selben Farbe hintereinander zu aktivieren, weil ich so noch einen zusätzlichen Geschwindigkeitsgewinn erhielte. Im nächsten Abschnitt werden die Lichtpunkte dann mit kleinen Barrieren bestückt, die ich für einen Energiebonus durchbrechen soll. Bei voller Ladung kann damit eine Schubattacke ausgeführt werden. Danach erscheinen besondere Lichttore, die diesen Schub weiter erhöhen können. Als ich das verstanden habe, kommt die nächste Neuerung hinzu. Zwei gleichfarbige Lichtpunkte lassen sich mit einem Beschleunigungsstreifen verbinden. Der Bildschirm füllt sich nach und nach mit immer mehr bunten Punkten, mit denen ich interagieren soll. In jedem Level wird eine neue Mechanik vorgestellt und fast alle haben nur ein Ziel: die Fluggeschwindigkeit zu erhöhen.
In Level 15 erreiche ich schließlich ein ungeahntes Tempo. Der zuvor noch so klare Tunnel ist eine einzige zuckende Masse aus blinkenden Lichtern geworden, und die Musik überschlägt sich beim Versuch, der visuellen Wucht eine ebenbürtige Klanguntermalung zu bieten. Mir wird schwindelig und übel. Ich erreiche gerade noch so die Ziellinie, schalte die Konsole aus und gehe mit dem auf der Netzhaut eingebrannten Bild einer Supernova zu Bett.
Am nächsten morgen nehme ich mir das restliche Spiel zur Brust. In jedem Level wird ein spezifisches Ziel ausgegeben: aktiviere 20 Lichtpunkte, flieg so schnell wie möglich durch den Sektor, berühre keine Blockaden, berühre alle Blockaden, erreich eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit. Je nach Erfolg gibt es eine Bewertung von null bis drei Sternen. Mindestens ein Stern ist nötig, um das nächste Level freizuschalten. Bei drei Sternen gibt es eine extra-schwere Herausforderung, die mit Trophäen vergütet wird. Wer alle Level erfolgreich absolviert, erhält einen Endlos-Modus, der nach und nach alle vorhandenen Spielelemente in einer sich ständig verändernden Lichtröhre präsentiert. Hier kann man sich entspannt dem audiovisuellen Chaos hingeben und kichernd im Sessel versinken.
Dyad ist aus zwei Gründen großartig. Erstens, weil es ein pures und schnörkelloses Spielvergnügen bietet. Mehr als vier Knöpfe sind zur Bedienung nicht nötig. Der Rest ergibt sich aus den Aktionen auf dem Bildschirm und das Feedback ist direkt und wunderschön. Zweitens, weil es dieses einfache Regelwerk Stück für Stück erweitert. Kein Level ist wie das vorherige und jede Herausforderung muss mit einer leicht abweichenden Taktik gemeistert werden. Dabei bleibt der Schwierigkeitsgrad durch die Bewertungsstufen angenehm variabel. Wer sich nur dem Spektakel hingeben möchte, kann dies tun und kommt trotzdem bis ins letzte Level. Wer aber alle Sterne und alle Trophäen ergattern will, der muss sich mit den tieferen Mechaniken auseinandersetzen und eine ausgezeichnete Hand-Augen-Koordination mitbringen.
Dyad lädt dazu ein, sich einfach in den Tiefen der Farben, Formen und Töne zu verlieren und alles um sich herum zu vergessen. Meine Empfehlung ist es, sich dem Erlebnis hinzugeben und den Instinkten freien Lauf zu lassen. Die durchaus vorhandenen Highscorelisten können dagegen warten.
Mehr Informationen und psychedelische Bilder gibt es auf der Entwicklerseite.