Programmieren macht Hass.
Dorisburg müffelt. Die Menschen tragen hier alle rote Clownsnasen, die sie nie abnehmen, gehen auf egale Raves und sagen Sätze wie: “Heutzutage muss eigentlich jeder coden können.” Überall liegen Bierflaschen herum. In der ganzen Stadt gibt es keine einzige Dusche. Es stinkt zum ewigschwarzen Himmel.
Else Heart.Break() fühlt sich an, als habe jemand während einer miesen Game-Jam-Afterhour ein Shenmue II-Demake programmiert. Der Dauer-Schalträger Sebastian kommt mit dem Schiff an, landet in einer Herberge, muss Geld verdienen und führt mit nach festem Tagesplan umherwandernden Figuren unbeholfene Multiple-Choice-Dialoge. Zum Beispiel mit dem deutschen Bankangestellten Bernd, der sich für die Hafenarbeiter begeistert. Dann entdecke ich eine Spielhalle und habe dort mehr Spaß als im Hauptspiel. Beim Automatentitel The Adventures of Hammerdogcat bin ich ein eine Streunerhundtze und fresse blaue Vierecke, um nicht zu verhungern. Manchmal denkt sie sich was: “I wonder what the next stop will bring.” Oder: “This seems to be a new, fresh place.” Hammerdogcats Optimismus berührt mich sehr.
Bernd ist mein Baby.
Danach erwartet mich wieder die Wirklichkeit von Dorisburg. Ich habe keine Ziele, also mache ich mir eine Liste von Dingen, die ich tun will, so wie in A Behind Forever Voyaging – Ein Arsch auf großer Fahrt, dem Textadventure-Klassiker der 80er. Bewaffnet mit einem Hackapparatus bekomme ich Lust, Partys zu stören, die ganzen saufenden, dichtenden Thereminpuppenspieler um mich herum zu meinen Feinden zu machen. Also gehe ich in das erstbeste Clubcafé und beschließe das DJ-Pult zu hacken. Das muss ja möglich sein, schließlich haben fast alle Objekte in dieser Welt – hauptsächlich herumliegende Bierflaschen – einen manipulierbaren Quellcode.
Ich komme an das DJ-Pult nicht heran, vielleicht, weil jemand davorsteht. Ich werde traurig und wütend, mein Schal juckt und die Umhängetasche, die ich nicht mal zum Schlafen abnehmen darf, schneidet in meine Schulter. Der Clownsnasengestank erinnert mich an frühere Septum-Experimente. Dann hacke ich eben eine Zigarette, vielleicht kann ich sie auf Pupsspraygeruch umstellen. Die abscheulichste Programmierumgebung seit Qbasic tut sich auf. Sie kann keine Zeilenumbrüche. Ich schließe sie angewidert wie den Deckel einer vollgekotzten Clubtoilette.
Nächtliche Dachparty. Alles ist so schön verschwommen.
Clubs in Computerspielen sind immer kaum auszuhaltende, heißwangige Wunschprojektionen von Programmierern, die privat nur zu Chiptunes tanzen, aber auch nur, wenn mal wieder große Nacht der Computerspiele in irgendeinem Museum ist. Das Spiel möchte nun, dass ich mich für die auf der Tanzfläche herumstehende Pixie interessiere. Es gelingt ihm nicht. Ich bekomme große Sehnsucht nach Bernd. Ich vermute, er hat gerade mehr Spaß als ich.
Draußen spiele ich ein bisschen mit der frei drehbaren Kamera, die ich sehr mag, da sie Sebastian regelmäßig verdeckt, mir dafür aber ständig neue Perspektiven auf die Häuser, Vögel und Pflanzen von Dorisburg ermöglicht. Ein beinahe autoerotisches Gefühl, sich mit Gebäuden – Kameraschwenk nach links, Kameraschwenk nach rechts, watsch, zack – zu ohrfeigen. Ich höre Musik und folge ihr.
Noch eine Party, diesmal auf einem Dach. Ein Blondschopf möchte, dass ich bei irgendeiner Wahl für ihn abstimme. Das ist erleichternd, immerhin will er mir keine Gedichte vorlesen. Durch den Weichzeichner verschwimmt die Sicht auf Dorisburg. Die Musik hier ist ganz in Ordnung. Ein Moment des Friedens. Dann fragt jemand, ob ich nicht Lust hätte, an einem Game Jam teilzunehmen. Ich sage zu, soll meine Codingskills demonstrieren. Ich öffne ein Bier und lege mit dem Hackwerkzeug eine neue Void darin an. Sie ist unendlich groß, ein riesiges schwarzes Loch. Ich drücke auf Compilieren. Man schaut mich fragend an, das sei doch noch gar kein richtiges Programm, aber da wird Dorisburg schon aufgesaugt. Mitsamt dem ganzen Müll, der hier überall herumliegt. Nur die Möwen halten sich wacker in der Luft, rufen kreischend: “Auf Wiedersehen, ihr Hackfressen!”