Frayed Knights
In einer Welt vor unserer Zeit penetrierten Pfeile die Knie ganzer Heldengruppen rundenweise. Frayed Knights entspringt einer alternativen Realität, in der rundenbasierte Rollenspiele aus der Egoperspektive wie Might & Magic und Wizardry nicht abgelöst wurden von Elder Scrolls und Dragon Age.
Dass Frayed Knights trotz (im Grunde genommen) uralter Spielmechaniken, einem problematischen Interface und einer 3D-Grafik aus der Vorzeit Spaß macht, liegt an guten Ideen für Rollenspielsysteme und einem Sinn für Humor.
Statt eine ernste Geschichte über epische Abenteuer zu erzählen, macht Frayed Knights nämlich auf Pratchett. Die vier titelgebenden Helden sind freiberufliche Versager, die sich um Rattenprobleme kümmern, mit anderen Gruppen um Aufträge prügeln und sich der Funktionsweise einer Fantasywelt bewusst sind. Eine von bösen Priestern des Schleimgottes eingekerkerte Frau? “Das ist doch der älteste Trick“, seufzt die pragmatische Halbelfen-Kriegerin Arianna bereits im ersten Dungeon, “es besteht eine 2/3-Chance, dass sie uns in den Rücken fällt.”
Die unvertonten Dialoge, die das Erkunden von Dungeons immer wieder unterbrechen, klingen auf dem Papier nicht besonders spektakulär, sie geben Frayed Knights aber viel Charakter. Die eigene Heldentruppe ist keine Sammlung aus Charakterwerten, sondern eine Bande liebenswerter Trottel.
Ebenfalls interessant ist die Erschöpfungsmechanik. Jeder Schlag, jeder Zauberspruch zehrt an der Ausdauer der vier Helden. Erreicht der blaue Ausdauerbalken von Benjamin, dem Druiden, den Nullpunkt, sackt er erschöpft zusammen und die Gruppe hat keinen Heiler mehr, bis er sich eine Verschnaufpause gönnt. Die Ausdauergrenze sinkt im Laufe eines jeden Dungeon-Ausflugs dabei nach und nach. Die Helden werden immer erschöpfter. Nur durch seltene Zaubertränke oder eine Nacht im meist weit entfernten Gasthaus können sich die Helden komplett erholen.
Im Gegensatz zum Indie-RPG-Experten Craig Stern sehe ich darin eine geniale Spielmechanik! Kämpfe werden durch die Bedrohung von Erschöpfung weitaus taktischer. Es macht mehr Sinn, seine Helden zu schonen, statt sie zu verausgaben: Nicht immer draufhauen, auch mal Pause machen. Die Erkundung eines Dungeons fühlt sich nach einer gefährlichen Expedition an, bei der Kräfte gespart werden müssen und die eigenen Helden wirken weitaus glaubhafter und sehr viel verletzlicher.
Falls alle Helden nacheinander zusammensacken, beginnt das Drama-System zu wirken: Jeder Kampf und viele Dialoge im Spiel füllen ein Dramameter in Form von Sternen auf. Punkte können für bestimmte Effekte ausgegeben werden. Für ein Dramastern wird die Ausdauer eines Helden wiederhergestellt, für drei Sterne ein Held von den Toten zurückgebracht. Wichtig dabei: Lädt man mitten im Spiel einen früheren Spielstand (etwa weil man einen Kampf verloren hat), werden die Dramapunkte wieder auf Null gesetzt.
Das ist überraschend gutes Gamedesign, denn es belohnt den Spieler trotz Fehlern weiterzumachen und verstärkt das Thema der Helden als Bande von Versagern, die immer wieder knapp mit dem Leben davonkommen. Frayed Knights zeigt damit eine der cleversten Arten der (durchaus legitimen) Überbenutzung von Speichern/Laden dazwischenzufunken.
Bei allem Lob ist Frayed Knights meilenweit davon entfernt, was man inzwischen (Skyrim mal ausgenommen) als gutes Interfacedesign bei Rollenspielen kennt. Die 3D-Grafik ist im Gegensatz zu den witzigen Charakterportraits oft furchtbar lieblos und die Menüführung ist so spannend wie Steuererklärungssoftware.
Was ich damit sagen will: Es ist nicht leicht, Frayed Knights zu lieben — vor allem nicht, wenn mit Legends of Grimrock ein ähnliches und auch weitaus moderner aussehendes Rollenspiel erscheint. Es steckt aber ein verdammtes gutes Spiel hier drin und es lohnt sich, entdeckt zu werden.