Fus Roh Grind: Dragon Fantasy

Dragon Fantasy

“Ein Kerl und sein Schwert”, “Böse Schleim-Monster 3” und “Rette die Prinzessin Reloaded: Schon wieder entführt” können nicht länger mithalten: der Preis für den generischsten RPG-Titel geht dieses Jahr zweifelsohne an Dragon Fantasy.

Weil ich bei hübscher Pixelgrafik schwach werde und Namen nichts zur Sache tun, habe ich, Dom Dragonslayer McLaserbeam, mir die neue Mac-Version des bisher für PC, iPhone und iPad erschienenen 8bit-Rollenspiels angesehen.

Die Erwartungshaltung gegenüber eines RPG-Helden hat sich im Laufe der Spiele-Evolution deutlich gefestigt. Spitze, hochgegelte Haare, große und funkelnde Augen, ein viel zu großes Schwert und eine ganze Kollektion überflüssiger Gürtel sind längst keine Seltenheit mehr. Odgen aus Dragon Fantasy ist keiner dieser austauschbaren, emotionalen Platzhalter, sondern ein herangereifter Protagonist mit Attitüde, Charakter – oh, und Rauschebart und Glatze.

Obligatory Ork

Als ein dunkler Ritter die Königin vergiftet, liegt es an Odgen, der gerade seinen Job als Schlosswache an den Nagel gehangen hat, das passende Heilmittel zu besorgen und das Böse zu vergelten. Ihre Hoheit wird geheilt und zur Vorbereitung auf den Endkampf lautet die folgende Aufgabe, alle Teile der legendären Hero’s Armor zu finden. Weil Dragon Fantasy zu großen Teilen ein RPG ist, das an seine Vorgänger der frühen 90er erinnert (und in Sachen Bild und Ton schon damals in den Läden gestehen haben könnte), wird unterwegs ordentlich gegrindet, um Gegnern mit stellenweise überdimensional aufgeblasenen Lebenspunkten Einhalt gebieten zu können.

Das bunte iOS-Abenteuer hat allerdings wesentlich mehr unter der Haube als der restliche Teil der Oldschool-Rollenspiele, die den App Store überfluten: Kennzeichnendes Merkmal sind vor allem die sehr unterhaltsamen Texte, mit denen andere Spiele des Genres gleichermaßen geehrt und durch den Kakao gezogen werden. So vermachte mir ein alter Mann zu Anfang der Story ein Hilfsmittel, damit ich mich besser verteidigen kann, und sprach dabei:

“It’s dangerous to go alone, take this.
It’s my best pokin’ stick.”

Qualität und Unterhaltungswert der Schreibarbeit heben Dragon Quest auch bei den zufälligen und rundenbasierten Kämpfen so sehr ab, dass Vergleiche mit Monkey Island nicht weit hergeholt wären. Die Gegnertypen entsprechen dabei zwar sämtlichen Klischees (hallo Skelettritter und “Obligatorische Orks”), doch selbst hier kommt jeder Feind mit individuellem Kampftext daher.

Die offensichtlichen Seitenhiebe und diverse Anleihen von Klassikern wie Dragon Quest und Final Fantasy sind gleichzeitig die größte Stärke und Schwäche von Dragon Fantasy, weil es sich zum Teil zu sehr an die Vorgaben der Genre-Klassiker hält. So kann beispielsweise nur an bestimmten Punkten gespeichert werden, was vor allem hinsichtlich der mobil genutzten iOS-Version schnell nervig wird – und wer stirbt, landet mit der Hälfte des ersparten Geldes am letzten Speicherpunkt.

Trotz kleiner Macken ist Dragon Fantasy ein sehr gelungenes RPG, das fünf bis sechs Stunden lang bestens unterhält. Wer Charme und Spielspaß alter 2D-Rollenspiele zu schätzen weiß, wird hier ganz sicher keinen Fehlgriff machen. Das Ganze gibt’s für einen Dollar für den PC, für 0,79€ fürs iOS und neuerdings für 1,59€ für den Mac.