Es gab eine Zeit, in der habe ich selbst mittelmäßige Spiele vielfach durchgespielt. Nicht unbedingt, weil ich ihnen immer wieder eine neue Chance geben wollte, sondern eher aus Mangel an Alternativen. Es dauerte meist mehrere Monate, bis ich in den Genuss eines neuen Spieles gelangte, was zum Einen an dem nur spärlich vorhandenem Eigenkapital lag, zum Anderen aber auch an dem Umstand, auf dem Dorf keine wirkliche Erwerbsmöglichkeit für digitale Freizeitfreuden vorzufinden. Heute ist das anders. Ich lebe in einer großen Stadt und habe zwar nach wie vor nicht besonders viel Geld, aber doch genug, um mir von Zeit zu Zeit etwas gönnen zu können. Nur spielen Wohnort und Moneten bei meinem Spielekaufverhalten seit einiger Zeit nur noch eine untergeordnete Rolle, da ich längst nicht mehr die Wärme meines kuschligen Wohnzimmers verlassen muss und für den Preis eines Schokoriegels direkt eine Handvoll bisweilen sehr hochwertige Titel auf die Festplatte geliefert bekomme. Als PC-Spieler fühle ich mich dank etlicher Spielebundles und Steam-Sales wie im digitalen Schlaraffenland, wo liebevolle Indie-Titel nur darauf warten von mir gepflückt zu werden und Super Meat Boy knusprig brutzelnd an einem Dönerspieß seine Runden dreht. Doch so verführerisch lecker das alles am Anfang war, so übersättigt fühle ich mich mittlerweile.
Als Mitte 2010 das erste Humble Bundle das Licht der Welt erblickte, war noch überhaupt nicht abzusehen, wie sehr ein solch riskantes Verkaufsmodell einmal Schule machen sollte. Sechs Indie-Titel auf einen Streich, kopierschutzbefreit und neben Windows auch für Mac- und Linuxnutzer gleichermaßen zugänglich, für einen Preis, den man selbst bestimmen durfte. Man musste schon sehr an das Gute im Menschen glauben, um bei einem solch waghalsigen Ansatz mit einem erfolgreichen Auskommen zu rechnen. Doch die namensgebende Bescheidenheit könnte man nach dutzenden Folgebundles, wöchentlichen Zusatzangeboten, einer eigenständigen, regulären Vertriebsplattform für Indie-Spiele und mehrfach erzielten Millionenumsätzen auch getrost ablegen. Was, wenn man ehrlich ist, spätestens mit dem THQ-Bundle vor einem Jahr auch passierte.
Ein wenig verlor man bei der Wahl dieses Branchenriesen jedenfalls die eigenen Ideale und Ziele aus den Augen, welche die Grundpfeiler des Humble-Konzepts darstellten. Nicht nur war das hier wirklich nicht mehr indie, es wich durch die Steam- und Windowspflicht seiner Titel zudem weit von der Ursprungsidee der Zugänglichkeit und Offenheit ab. Hier ging es nicht mehr darum, Indie-Entwicklern durch die Zweitverwertung ihrer älteren Titel finanziell ein wenig unter die Arme zu greifen, es ging um die Sanierung eines ehemaligen Weltkonzerns, der so noch einmal ein paar Milliönchen als Abschiedsgeschenk für seine Aktionäre einheimsen konnte, bevor er endgültig von der Bildfläche verschwand. Die Krönung dieser fehlgeleiteten Ausbreitung des ursprünglichen Vorsatzes folgte dieses Jahr schließlich mit dem Origin-Bundle, in dem sich die undergroundigen Kellerentwickler von der bis dato unbekannten Spieleschmiede Electronic Arts als Wohltäter präsentieren durften. Schließlich wollten sie gar keine Beteiligung an den Einnahmen, die anders als sonst üblich nicht nur zum Teil, sondern komplett wohltätigen Zwecken zu Gute kamen. Es ging ihnen vermutlich eher um die Verbreitung ihres hauseigenen Spieleclients und die zu erwartenden DLC-Verkäufe, die ja mittlerweile kennzeichnend für die enthaltenen Spielereihen wie Die Sims und Battlefield sind.
Die Inklusion von großen Publishern hat außerdem einen weiteren Nebeneffekt, der sowohl positive wie auch negative Ausprägungen aufweist. Natürlich freut man sich in erster Linie als Spieler darüber, für einen wahrhaftigen Spottpreis an eine Vielzahl großer Spieleproduktionen zu gelangen, für die man noch wenige Tage vorher einen dreistelligen Betrag hätte hinblättern müssen. Doch durch diese Art des Verramschens von AAA-Material verkennt man nicht nur den Wert der eigenen Produkte, man entwertet in besonderem Maße auch den Wert kleinerer Titel, wie eben die der Indie-Entwickler, für deren Wohl das Humble Bundle einst ins Leben gerufen wurde. World of Goo ist ein niedliches, kleines Spiel, aber was ist es noch wert, wenn man für sechs große Titel von EA gerade einmal ein paar Cent löhnen soll? Da müsste man mir ja fast noch etwas draufzahlen, damit ich das spiele!
Doch auch aus Spielersicht ist es nicht unbedingt nur von Vorteil, solch einen Preisverfall bei Spielen zu haben, der nicht allein an den periodisch auftretenden Bundles festgemacht werden kann, sondern auch durch massive Preisnachlässe bei Steam oder Origin selbst geschürt wird. Nicht nur kommt es zu einer Überflutung mit hochkarätigen Titeln, von denen man sich auf Konsolen normalerweise vielleicht einen im Monat kaufen würde, die niedrige Preise führen zu allem Überfluss auch noch zu einer abschätzigeren Betrachtung des Produkts. Getreu dem Motto, was nichts kostet, ist auch nichts wert, bleibt die Hälfte der im Paket geschnürten Spiele jungfräulich unberührt in der Steam-Bibliothek zurück und gerät durch den ständigen Nachschub an Billigangeboten zunehmend in Vergessenheit. Und wenn man sich dann doch einmal erbarmt und einen Blick auf eines der so erworbenen Spiele wirft, ist dieser meist flüchtig und nur von mildem Interesse. Zu wenig Zeit ist schließlich übrig, um sich bei dem erdrückenden Überangebot ausgiebiger mit einem Titel zu befassen.
Die Entwertung von Spielen ist also deutlich vielschichtiger, als das rotstiftige Preisschild, welches an ihnen prangt. Der Preisdruck, der durch das Humble Bundle, dessen Trittbrettfahrern und den unzähligen Verkaufsaktionen bei Downloadportalen geschaffen wird, führt praktisch zu einem Mitmachzwang bei aufstrebenden Entwicklern. Faire Preise werden, ähnlich wie es auch bei nahezu jedem anderen Kreativjob in der Medienbranche oder beim Musikstreamingdienst Spotify geschieht, unter dem Deckmantel der Exposure, also dem Verbreiten der eigenen Arbeit, enorm gedrückt. Die Logik dahinter: Wenn viele Leute sehen, was man für eine astreine Arbeit abliefert, zahlen diese in Zukunft auch total gerne dafür. Nur jetzt eben noch nicht. Es ist ein pervertiertes und nur in seltenen Fällen funktionierendes System, das eine angemessene Würdigung kreativen Schaffens vor sich her schiebt und im Falle von Indie-Spielen Preise jenseits von zehn Euro praktisch als Wucher erscheinen lässt. Das sind Langzeitfolgen nicht nur für die Teilnehmer dieser Aktionen, sondern für die Gesamtheit der unabhängigen Entwickler.
“If a gamer buys a game he or she doesn’t want just because it’s on sale, they’re being trained to make bad purchases, and they’re also learning that games aren’t valuable. We all know gamers who spend more every month on games than they want to, just because there were too many games that were discounted too deeply. That’s not good for anyone.” – Guillaume Rambourg (gog.com)
Nun ist es natürlich auch ein wenig verallgemeinernd, wenn ich sage, dass Spieler ein unter Wert verkauftes Spiel nicht so zu würdigen wissen, wie es bei einem Vollpreistitel der Fall wäre. Nicht nur, weil ich anscheinend den Wert vieler Spiele in ihrer Preisauszeichnung nicht wiedererkennen kann und somit dem heiligen freien Markt widerspreche, der ja eigentlich alles so prima mit sich selbst aushandelt. Allen voran vernachlässige ich damit nämlich die Möglichkeit, dass sich der ein oder andere vielleicht gerade durch derlei Preistreiberei an Spiele herantraut, bei denen er vorher unsicher war, ob sie ihm gefallen könnten. Ändern tut dies meiner Ansicht nach jedoch wenig daran, dass die Preisspirale, die in den vergangenen Jahren zu beobachten war, insbesondere kleinere Entwickler zunehmend mit sich nach unten ziehen wird. Immer häufiger finden sich Titel bereits wenige Monate nach Veröffentlichung in Bundles wieder, wie zuletzt Sanctum 2, was einer verfrüht wirkenden Aufgabe des Einzelverkaufs gleichkommt, da Spiele massiv an Wert verlieren, nachdem sie einmal in einem Humble Bundle enthalten waren. Zudem führt solch ein Gebaren zwangsläufig dazu, dass sich potenzielle Interessenten beim nächsten Mal möglicherweise genauer überlegen, ob sie ein Spiel direkt zum Vollpreis kaufen oder lieber ein paar Wochen warten, um es letztlich für einen Bruchteil dessen zu ergaunern. Spielefutter hat man schließlich bis dahin zur Genüge.
Am Ende stellt sich wie so oft die Frage nach der Henne und dem Ei. Haben schlechte Verkaufszahlen zu den heutigen Auswüchsen des Bundle-Konzeptes und den regelmäßigen Preisnachlässen seitens der großen Digitaldistributoren geführt oder ist es genau umgekehrt? Wiegen die kurzfristigen Einnahmen durch Bundle-Verkäufe eine mögliche langfristige Stigmatisierung der eigenen Marke als Billigheimer auf? Es ist wahrscheinlich zudem nur eine Frage der Zeit, bis auch auf Konsolen ein ähnlicher Preiskampf beginnen wird. Playstation Plus ist auf jeden Fall ein recht eindeutiger Hinweis darauf, dass auch hier der Trend zur Spielüberflutung für eine Handvoll Euros geht. Auch wenn der gängige Sofagamer wahrscheinlich dennoch weiterhin eher dazu bereit sein wird, für die Ausübung seines schönen Hobbys etwas tiefer in die Tasche zu greifen.
Zumindest bei mir selbst habe ich auf jeden Fall gewisse Abnutzungserscheinungen bei der Freude über Spieleschnäppchen und deren Wertschätzung in den letzten Monaten feststellen müssen. Ich mag mehr als 300 Titel bei Steam registriert haben, wünsche mir aber nichts sehnlicher, als wieder der Junge zu sein, der jeden Winkel von Secret of Evermore erkundete, weil es sonst für eine ganze Weile auf seinem Fernseher einfach nichts zu erkunden gab. Weniger ist eben manchmal tatsächlich mehr. Mit Ausnahme von Geld, versteht sich.
“Ich mag mehr als 300 Titel bei Steam registriert haben, wünsche mir aber nichts sehnlicheres, als wieder der Junge zu sein, der jeden Winkel von Secret of Evermore erkundete [...]” -- absolute Zustimmung.
Ja!
Sehr unter Text. Die Bauchschmerzen bei THQ und gerade Origin hatte ich auch, schön den Gedanken hier ausformuliert zu lesen. Und auch sonst haben die Bundles durch ihre Häufigkeit die Freude von früher verloren. Bei den ersten paar Bundles kaufte ich meistens eine Hand voll Spiele mit, die ich nicht kannte, und vielleicht auch nie kennen gelernt hätte.
Nicht ganz zustimmen kann ich der Nostalgie am Ende. Was hält dich davon ab, dich in einem der 300 Spiele so intensiv zu vergraben, wie in dem einen Spiel, das du früher hattest? Und es sind ja nicht nur mehr Spiele die günstig sind, es gibt heute auch einfach mehr Spiele und die sind über immer sofort verfügbar. Veränderungen im eigene Verhalten auf eine negative Entwicklung der Umwelt zu schieben klingt nach “früher war alles besser”. Aber gerade bei Videospielen würde ich sagen, dass wir nie eine größere Auswahl an kreativen, tollen Spielen hatten.
Klar spielt Nostalgie eine Rolle. Das eigene Verhalten passt sich aber auch immer ein wenig den Gegebenheiten an. Klar könnte ich mich auch heute noch einem Spiel total hingeben, aber dann kommt eben noch dazu, dass deutlich weniger Zeit zum Spielen vorhanden ist und die “Angst” einen richtig guten Titel dadurch zu verpassen ist auch partiell vorhanden. Ich fühle mich halt jetzt wie ein verwöhntes Kind, das ein Zimmer voller Spielsachen hat, aber nichts so recht damit anzufangen weiß und sich deshalb immer neue Sachen wünscht. Man darf ja auch nicht vergessen, dass durch das jahrelange Spielen sich vieles einfach auch schon zu bekannt anfühlt, um es noch aufregend zu finden. Das ist sicher auch ein Grund, warum ich mir manchmal wünsche, die Zeit noch einmal zurückdrehen zu können. Die niedrigen Preise sind also lediglich ein Merkmal meiner eigenen Entwicklung in dem Gebiet, nicht deren Ursache, da hast du völlig recht.
(Auf der PS3 habe ich übrigens die meisten Spiele tatsächlich durchgezockt. So ganz scheint mir also der Zusammenhang von Preis und Wertschätzung nicht von der Hand zu weisen zu sein.)
Ron Carmel über World of Goo. Ich finde 13 Mio $ gar nicht so niedlich:
“… bleibt die Hälfte der im Paket geschnürten Spiele jungfräulich unberührt in der Steam-Bibliothek zurück und gerät durch den ständigen Nachschub an Billigangeboten zunehmend in Vergessenheit.”
Wie wahr.
(Und für Borderlands hab ich ca. 50 Euro gezahlt, obwohl ich es jetzt für 7,50 Euro bekommen könnte. Ich hab mich gezwungen es zu spielen -- weil es so teuer war… dabei macht es mir gar keinen Spass)
Ich habe das gleiche Gefühl bei meiner Steam Sammlung.
Der Artikel ist aber nur aus Sicht eines Spielers geschrieben, denn die Entwickler und Publisher legen selbst fest, ob Sie Teil eines Bundles sein wollen oder nicht. Im Grunde ist es schon eine Resteverramschung von Digitalen Inhalten, nur dass keiner Miese macht. Denn wenn ein Entwickler oder Publisher diesen Weg beschreitet, hat er schon längst seine Kosten gedeckt.
Genau das ist die Krux am digitalen…es kostet nix, millionenfach zu reproduzieren!
Bisher hatte dies kein Potential, weil man ja auch millionenfach Kunden brauchte. Aber nun, da Internet und Vertriebsplattformen vorhanden, brechen die Geldgierdämme. Selbst wenn man nur einen Cent von millionen von Nutzern einnehmen kann, sind das immerhin mehr Euro als man vorher hatte.
Das eigentliche Problem hat der Spieler, der nicht mehr die Zeit hat, sich auf alle seine gekauften Titel einzulassen. Irgendwann ist er satt und mag nicht mehr.
Erst dann wird es zum Problem der Hersteller.
Btw. Gibt es in der Filmindustrie solche Modelle digitalen Vertriebs?
In Filmen (und anderen Branchen) hat sich ja eher das Streamen von digitalen Gütern durchgesetzt. Bei Spielen scheint das ja noch etwas entfernter zu sein… Playstation Plus geht da etwas in die Richtung der Flatrate.
Gerade dass eben von Entwicklerseite direkt einkalkuliert werden muss, nur noch durch die Teilnahme an Bundles und Steam-Sales überhaupt auf einen grünen Ast kommen zu können, ist denke ich auf lange Sicht fatal. Letztlich geht es ja bei Spielen eher um ein Kunstprodukt und nicht um ein schnödes USB-Kabel, das von sich aus eben schon nicht viel wert ist. Spieler darauf zu konditionieren, möglichst wenig Geld für eine kreative Arbeit auszugeben, an der oftmals jahrelang gewerkelt wurde, kann einfach nicht gesund für die Anerkennung des Mediums sein.
Hinzu kommt ja noch die Free-to-play-Welle und die ganzen Appstore-Sachen, die den Markt für qualitativ hochwertige Sachen komplett ruinieren. Ein perfekt für das Ipad portiertes XCOM löste anfangs in den Bewertungen einen Sturm der Entrüstung aus, weil es sage und schreibe 18 Ocken kostete. Die Digitalisierung aller Medien führt natürlich durch ihre Abstraktheit, die der fehlenden physischen Komponente geschuldet ist, zu einem Wertverlust, weil die wenigsten Menschen eben erkennen, dass sie die Arbeit und nicht den Datenträger mit ihrem Geld honorieren.
Das was in diesem Artikel steht ist sehr wahr. Ich habe vor einer Weile auch schon ähnliche Gedanken gehabt, aber dies bringt es sehr gut auf den Punkt.
Ich bin inzwischen dazu übergegangen nur wenige Spiele auf dem Rechner zu installieren ( im Moment sind es nur Battlefield 4, Assassins Creed 4 und eine handvoll Indiegames ), mich dafür aber ausgiebiger mit ihnen auseinanderzusetzen. Spiele welche ich nicht mehr spiele deinstalliere ich erstmal wieder.
So gehen in der Flut der Spiele zwar auch viele unter, aber dafür bekommen die Sachen die ich tatsächlich zocke wenigstens die Aufmerksamkeit die ihnen zusteht ^^
Hm, ist es denn wirklich erstrebenswert sich durch Schrott zu quälen, nur weil man eine falsche Kaufentscheidung getroffen hat?
Auch wenn sich in meiner Bibliothek hunderte von Titeln stapeln die ich nie durchspielen werde, so gibt es doch zahlreiche Spiele, die ich ohne Sale oder günstige Preise nie angefasst hätte. ARMA/DayZ etwa, oder das großartige Waking Mars.
Das Grundproblem ist doch das Überangebot. Wenn man höhere Preise halten könnte, würde das ja nicht automatisch dazu führen, dass Entwickler mehr Geld in den Taschen hätten. Es würde sich nur anders verteilen. Wir hatten das ja schon in alten Zeiten, in denen man viel Geld für Zeitschriften ausgegeben hat, um ja das _richtige_ Spiel zu kaufen. Die Indie-Szene war damals kaum der Rede wert.
Außerdem sieht das in den Details ja durchaus auch anders aus. Wir haben mehr F2P-Titel als man jemals ausprobieren kann und dennoch verkaufen sich Spiele wie Minecraft oder Diablo 3 millionenfach, ohne Dumpingpreise und Sales. Qualität, Werbung und Popularität von Personen/Themen/Spielmechaniken bleiben genau so bedeutsam wie eh und je!
Um mal das Positive herauszustellen: Indies haben das verursacht! Sie produzieren inzwischen Spiele, die für viele Menschen auf gleicher Höhe mit AAA-Produktionen stehen. Minecraft und Torchlight sind für den 12-jährigen Sohn meiner Freunde reizvoller als Diablo und Call of Duty. Und Digitale Distribution ermöglicht es, dass sie im gleichen Schaufenster stehen und auf den gleichen Webseiten und den gleichen Videos und den gleichen Foren besprochen werden.
Mal anders gefragt, wie würde denn eine “Lösung” aussehen? Es würde dafür sorgen, dass ich bewusster kaufe, mich mehr über Schrott ärgere und viele Experimente nicht wagen würde. 30€ für eine Alpha eines windigen Kunst-Dings? ähm, ja, ne. Dann lieber gleich 60€ für GTA, da weiß man, was man hat.
Aussagekräftige Demoversionen waren für mich immer eine gute Grundlage für eine Kaufentscheidung, gerade bei höherpreisigen Spielen. Diese gibt es ja heute kaum noch, da sie oft einen Mehraufwand bedeuten und bei mäßigen Titeln eher Käufe verhindern als diese zu beflügeln.
Was Origin gerade macht, finde ich aber spannend. Dort gewährt man ein Rückgaberecht innerhalb der ersten 24 Std., sollte man unzufrieden sein. Da würde ich dann eher mal zugreifen, weil das Risiko von verschwendeten 50€ dadurch abgedämpft wird und ich selbst bestimmen kann, ob mir ein Spiel so viel wert ist oder nicht.
Eine Lösung für das Überangebot wird es freilich nicht geben, da hier ein Zurückrudern einfach nicht mehr möglich ist. Kunden an höhere Preise zu gewöhnen ist auch ein deutlich heikleres Unterfangen, als sie mit Niedrigpreisen zu ködern. Der Flatrate-Gedanke wird wahrscheinlich in absehbarer Zukunft Realität, so das man Spiele praktisch nur noch leiht und nicht mehr besitzt. Nur dass das dann, ähnlich wie bei den Musikstreaming-Diensten, wieder eher den großen Tieren zu Gute kommen wird.
was ben sagt…
Ich weiß genau was du meinst und witzig: Ich erlebe gerade ein Revival dieser Kindergefühle. Ich habe mir nämlich einen 3DS mit dem neuen Zelda plus Fire Emblem gekauft. Und ich merke nach 2 Wochen, obwohl ich die beiden Spiele noch nicht durch hab, dass es mich schon nach etwas neuem dürstet. Geht aber nicht, beim 3DS gibts keine SteamSales, neue Spiele kosten 35-45€, das Geld hab ich grad nicht. Also setz ich mich weiter an Zelda und FE und weil ich weiß, dass die bis ins neue Jahr wahrscheinlich meine einzigen Spiele bleiben werden, spiele ich sie ganz langsam und genüsslich und was soll ich sagen? Es macht einen Heidenspaß. Fühlt sich wieder an wie früher, das Zocken :D
Sollten Spiele nicht ursprünglich dazu da sein uns in den Zeiten zu unterhalten, in denen man Zeit übrig hat? Zumindest war es bei mir als Kind so, dass ich an die Konsole ging, wenn die Freunde keine Zeit hatten und das Wetter schlecht war.
Heute ist es schon fast umgekehrt und die langen Spielelisten trachten nach jener Zeit, die uns im Alltag übrig bleibt, bis man sogar anfängt einen witzigen Abend mit Freunden/Freundin dafür abzusagen.
Je mehr man sich eindeckt, desto arbeitet man gegen sich. Dass jetzt auch noch die gesamte Wertschätzung der Spiele durch Sales leidet, macht es nur noch schlimmer.
Die einzige Lösung, die mir einfällt ist Ballast abwerfen oder man macht es zu einer Arbeit, was wiederum nie Sinn und Zweck davon war, imo.
Buchpreisbindung!
Sehr schön beschrieben. Das Phänomen kenne ich gut. “Früher” hatten meine Geschwister und ich meistens exakt ein Spiel zwischen Geburtstag und Weihnachten, das wir uns dann auch noch zu zweit oder dritt teilen mussten und deshalb gemeinsam über Monate hinweg gespielt haben. Die intensiven Spielerfahrungen von damals kann ich heute auch nicht mehr reproduzieren. Aber, wie irgend jemand weiter oben schrieb: Das zu kritisieren, hat was von “früher war alles besser” und von Verzicht predigen. Das Motto “wer weniger hat, kann es mehr genießen” ist mir grundsätzlich zuwider, weil sich damit selbst materielle Armut als Genuss verkaufen ließe -- und weil es aus dieser Konsumverzichts-Ecke kommt, die mir hochgradig suspekt ist.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich mir heute die Spiele kaufen kann, die ich haben möchte. Und grundsätzlich bin ich auch dankbar, dass sie mir manchmal in spottbilligen Bundles quasi vor die Füße geworfen werden -- auch wenn ich die Zeit nicht mehr habe, sie alle immer spielen zu können. Was ich dann draus mache, hängt eigentlich wirklich nur von mir ab. Ich könnte mich ja immer noch für Wochen nur in ein Spiel vertiefen, wenn ich wollte. Wenngleich ich zugebe, dass das Selbstdisziplinieren nur in der Theorie so richtig gut klappt. Das allerdings nicht nur bei Spielen.
Die wirtschaftliche Seite der Bundles und der auch ein bisschen damit zusammenhängende Preisverfall sind natürlich eine ganz andere Sache, aber auch da halten sich für mich Negatives wie Positives (noch) so ein bisschen die Waage -- jedenfalls zum Aufblühen des Indiesektors haben die Bundles glaube ich schon beigetragen. Oder sehe ich da Ursache und Wirkung falsch?
Spannende Diskussion jedenfalls und feiner Artikel!
Ich schließe mich hier meinen Vorredner in der Regel an, hätte aber noch ein paar Aspekte anzubieten:
Soziale Komponente: Einige Titel habe ich mir jetzt im Humble Bundle oder beim Steam Sale gekauft, um wenigstens etwas dafür zu bezahlen. Als Student in einer der teuersten Städte Europas ist ein Vollpreistitel nur selten drin. Letzten Winter war es mal Diablo 3, damit der Winter etwas interessanter wird. Hier konnte ich das Spiel aber vorher auch testen (siehe Kommentar zu Demos weiter oben.
Kompatibilität: Ich spiele auf einem MacBook Pro und bin zu faul mir eine Windows-Partition einzurichten. Jetzt hatte ich mir gerade Bioshock Infinite in Steam gekauft und es läuft einfach nicht. Keine Ahnung woran das liegt, eigentlich sollte es laufen. Hätte ich jetzt 70€ dafür ausgegeben, würde mir der Kragen platzen. Wobei ich mich dann wohl auch damit auseinander setzen würde, warum es nicht läuft.
Humble Bundles gab’s auch schon in den 80ern, sie hießen nur anders (Raubkopien).
Moderne und legale Version der Raubkopien. Kann sein. Ein Freund stellte vor Urzeiten fest, als er haufenweise MP3s aus dem Netz saugte, dass er viel mehr CDs im Laden gekaufte hat, als zuvor. So gut es mir auch mit den Bundles und Sales: Ich gebe viel mehr Geld dafür aus, obwohl weniger neue AAA-Titel drunter sind als früher. Eigentlich versuche ich es aber zurück zu fahren, weil ich gar nicht mehr weiß, wann ich das Ganze spielen soll.
Mich würde mal die Meinung der Entwickler interessieren. Schaden ihnen aus ihrer Sicht die Rabatt-Aktionen? Handeln sie aus einem Zwang heraus, der uns nicht bewusst ist? Gerade Indie-Entwickler haben ja keinen Publisher, der sie dazu zwingt. Superlevel sollte bei den nächsten Interviews mit Indie-Entwicklern nachfragen.
Danke für den guten Artikel, Marcus.
Ich habe öfters darüber mit Entwicklern gesprochen und: Nein, das schadet nicht. Im Gegenteil. In einem populären Bundle sein, sichert für viele Entwickler ihren Lebensunterhalt ab und ermöglicht ihnen, weiter an Spielen zu arbeiten.
Das gilt natürlich nicht für alle Bundles und nicht für alle Entwickler. Und das Humble Bundle ist auch ziemlich streng: Wenn ein Spiel bereits in einem anderen Bundle war, darf es nicht in ein Humble Bundle.
Großartiger Artikel, perfekt auf den Punkt gebracht. Ich habe mich jahrelang geweigert, Steam zu nutzen -- vor allem, weil ich eher auf der PS3 heimisch bin. Als ich dann vor einigen Monaten anfing, auch auf Steam mir einige Spiele zu kaufen, stapelten sich die Daten, aber wirklich viel gespielt habe ich selten etwas davon. Ich war schon vom Kauf gesättigt, ich wusste in diesem Moment: Yeah, ok, cool, jetzt habe ich ganz viel hier liegen, coolcoolcool! Blöd: ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte -- und habe stattdessen lieber einen Film geguckt.
Jetzt wage ich mittlerweile keinen Blick mehr in den Steam-Shop und schaue mir meine gekauften Werke an und spiele sie. Wenn ich durch bin damit, joa, vielleicht gibt es dann wieder neues Futter, dann aber eher ‘ne Retail-Version. Jetzt bin ich ohnehin erst einmal süchtig nach Torchlight 2. <3
Soeben bei reddit drübergestolpert
http://www.reddit.com/r/gaming/comments/1s8y4m/a_guy_saved_2000_on_pc_games/
Spricht für sich
Interessant, jedoch ist es falsch anzunehmen man würde Geld sparen wenn man Geld ausgibt. Dieses Paradox versucht uns die Industrie immer weiss zu machen ;-) und jeder fällt drauf rein.
Die Schnäppchenkäufe gibt es schon seit Spiele auf der Softwarepyramide und als Beilage bei Zeitschriften verfügbar waren. Ich hab auch irgendwo noch Spiele herumliegen, die ich nie installiert habe. Inzwischen sind sie so alt, dass es mich auch nicht mehr reizt. Die Bundles haben das nun nochmal auf die Spitze getrieben.
Inzwischen unterdrücke ich den Kaufreflex bei neuen Bundles und überlege mir, ob wenigstens ein Spiel dabei ist das ich den Spielen, die sich bereits in meiner Steambibliothek tummeln, vorziehen würde.
Andererseits haben durch die Bundles viele Entwickler von meinen Käufen profitiert, deren Spiele ich sonst nie gekauft hätte.
Wie wahr. Wie wahr. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob diese Entwicklung wirklich von der Umwelt und den äußeren Entwicklungen abhängig ist oder ob wir uns persönlich einfach verändern. Wächst ein Kind heute mit Humble Bundles anders auf, als ich damals mit Raubkopien, die mich auch nicht davon abhielten stundenlang auf meiner PS1 durch die Welten von Final Fantasy zu streifen? Oder haben wir uns einfach in unserer Rezeption verändert und wollen dies nur auf äußere Faktoren schieben?
Und zum Schluss dieser rhetorischen Fragenflut mache ich einmal schamlos Werbung für einen Artikel, von dem ich einige Aspekte hier wunderbar wiederfinden konnte. Das macht man im Internet ja so.
http://zocknroll.wordpress.com/2013/10/02/fruher-war-alles-besser/
Auch sehr passend :)
http://goo.gl/dVjwyO
Ich kaufe mir die Bundles meist nur wegen 1-2 Spielen. Die anderen Spiele, die mir gefallen habe ich dann meist schon. Ich bin so einer, der den ganzen Tag bei Twitter darauf wartet, dass ein sympathischer Indie-Entwickler wieder Geld will. Das werfe ich dann direkt in den Pot, sacke das Spiel ein und gehe dann meist mit einer viel zu hohen Erwartungshaltung ran.
Aber wie auch immer, eigentlich will ich hierauf hinaus:
“[...]wünsche mir aber nichts sehnlicher, als wieder der Junge zu sein, der jeden Winkel von Secret of Evermore erkundete[...]”
Das ist nämlich genau der Kern des “Problems”. Ob bei Indie- oder A³-Titeln, es steckt nicht mehr so viel Herz in einem modernen Spiel wie damals bei Secret of … . In den Spielen gab es früher immer viel zu entdecken und erkunden, die Spiele hatten eine gewissen Tiefe und einen ganz eigenen Charme.
Wenn man heute ein modernes A³-Spiel spielt ist das ganz anders. Mal Tomb Raider als Beispiel. Ich war lang nicht mehr so … ja regelrecht entsetzt darüber, wie tief die Industrie gesunken ist.
Das ist wirklich ein Spiel nach Lehrbuch/Checkliste/Wasauchimmer. Die wesentlichen Schwachpunkte mal beiseite geschoben; nach einigen Stunden Spielzeit hatte einfach nur noch das Gefühl, dass es nichts in dem Spiel gibt, das dem Spieler nicht direkt vor die Nase gehalten wird. Sammelobjekte sind einfach willkürlich und nur noch da, um einen digitalen Erfolg freizuschalten und tatsächlich auf der Karte eingezeichnet. Da verkümmert einem doch die Entdeckerlaune direkt im Keller.
Das merkt man auch bei einigen Indie-Spielen. Dienst nach Vorschrift. Und wenn es dann nicht läuft, hat man auch direkt immer einen Schuldigen parat.So machen es die Großen ja schließlich auch. Das eigene Produkt ist natürlich erhaben.
Egal…, bei Indiespielen fehlt es meist einfach an den Kleinigkeiten, den Details und der Liebe. Und woran das liegt sieht man dann, wenn man sich mal in diversen Foren umsieht. „XY“ machen das so und so, die haben so und so viel Geld mit „AZ“ verdient, etc. … sie verlieren einfach aus den Augen, was sie eigentlich machen. Halten sich viel zu sehr damit auf, irgendwem Rechenschaft abzulegen anstatt einfach zu machen worauf sie Bock haben. „Oh wir brauchen Flash, iOS, Android, WP und …“, wirklich Leute, fuck off. Das interessiert am Ende keine Sau.
So, ich drifte ab. Also lass ich es erst mal. Als langjähriger Hobbyentwickler war ich erst davon begeistert, was sich durch den Erfolg von Minecraft, für Möglichkeiten entwickelt haben. Und zu sehen, was sich da jetzt letztendlich herauskristallisiert ist einfach nur traurig. Vor allem wenn man seit Ewigkeiten nur noch mit Leuten zu tun hat, die nicht mehr am Entstehungsprozess interessiert sind, einfach schnell was hinscheißen wollen. Hauptsache alle Plattformen, Kickstarter und zur Not Humble Bundle. Die Mentalität hat sich in den letzten Jahren gravierend geändert. Das frustriert mich. Jawohl! Genauso sehr wie die Lieblosigkeit in A³-Titeln.
Denke da auch ähnlich. Habe selbst so ca. 250 Spiele auf Steam, und natürlich die wenigsten gespielt. Werde ich auch nie.
Trotzdem, ich nehme mir immer vor neben meinen Dauerbrennern (Dota, CS, diverse MMOs), in die ich jeweils viele hundert Stunden reingesteckt habe und wohl auch noch werde, immer ein Spiel aus dieser langen Liste bzw. “Schatzkiste” installiert zu haben und nach und nach durchzuspielen. Und das fällt mir inzwischen auch gar nicht mehr schwer.
Sind einige sehr gute Spiele dabei gewesen, die ich jetzt immer gerne weiterempfehle. Natürlich auch welche, die nicht so mein Geschmack waren und dann auch mal abgebrochen werden. Nun ja, aber was will man machen? Teurere Spiele wünsche ich mir ehrlich gesagt auch nicht.
Vielleicht ist mieten doch die Alternative. Man bezahlt nur, was man auch wirklich nutzt. Im Grunde haben wir durch das Steam Lizenzmodell schon ein Mietmodell. Nur halt mit unbestimmter Laufzeit.
Eins vorweg, es stimmt. Ich reihe mich mit meiner Steambibliothek gerne in den Längenvergleich ein, steht gerade bei 210 Titeln, ein großer Teil davon ungespielt, viele haben es noch nicht mal bis zur Installation geschafft. Es gibt mehr Spiele, auch mehr gute Spiele als ich oder sonst irgendein Mensch im Alleingang spielen könnte. Das Problem ist bekannt, keine Lösung in Sicht und eine Rückkehr zu früheren Zuständen undenkbar. Ich finde angesichts der Entwicklung aber auch Pessimismus unangebracht, und von Nostalgie bekomm ich eigentlich nur Brechreiz.
Viele meiner Kritikpunkte sind schon kurz zur Sprache gekommen, die freiwillige Möglichkeit zur vollständigen Versenkung in einem Spiel etwa, dabei gehe ich aber fast noch mit dir konform, denn natürlich verändern die vorhandenen Rahmenbedingungen irgendwie den eigenen Umgang mit dem Medium. Skyrim und New Vegas haben etwa eine Schnellreisefunktion, von der ich ausgiebig Gebrauch mache. Vielleicht würde ich die Spiele intensiver erleben wenn ich mich zwingen würde jede Strecke vollständig zu Fuß zurückzulegen: wer weiß schon was am Wegesrand wartet?
Stattdessen kürze ich ab, teils aus der eigenen Bequemlichkeit heraus, die schnellen Fortschritt möglichen Abenteuern auf dem Spaziergang vorzieht, aber eben auch weil die Teleportfunktion in das Regelwerk der Spiele eingebettet ist. Natürlich bleibt die Möglichkeit zur Verweigerung, ebenso wie freiwillige Herausforderungen wie Speedruns oder vollständige Komplettierung, aber dass das weniger oft passiert wenn es nicht sein “muss” ist auch verständlich. Das ist für mich erstmal noch keine Verschlechterung, sondern nur Veränderung.
Auch das alle diese Aktionen das Ausprobieren erleichtern wurde schon erwähnt. Zugegebenermaßen stören mich die vielen verwaisten Titel in meiner Steambibliothek ein wenig, aber darin finden sich auch viele Spiele die ich einfach bis heute noch nicht gespielt hätte, wenn ich sie nicht in irgendeinem Sale oder Bundle mitgenommen hätte. Zudem verfallen wir als Kritiker bei diesen Beschwerden zu leicht in die Perspektive des berufsbedingten Vielspielers, es soll ja noch Menschen geben, die ihren Konsum in vernünftigeren Bahnen halten, die weder zähneknirschend den Vollpreis für ein Indiespiel hinlegen noch auf eine Aktion warten, sondern schlicht bis zu selbiger noch nie davon gehört haben.
Bei entsprechender Geduld und Marktüberblick lassen sich auch die größeren Titel des Jahres gegen Weinachten für einen Bruchteil erwerben, das ist soweit nichts neues, nur die Fortsetzung und Beschleunigung bekannter Mechanismen. Wenn es aufs Geld ankommt wartete mensch früher auf Heft-DVDs oder den langsamen Übergang vom Regal in die Grabbelkiste, jetzt eben auf Bundles und Steam Sales. Oder wendet sich gleich kostenloser Unterhaltung zu, holt sich Foiled, spielt die freien Alphas von Super Hexagon, Spelunky und Desktop Dungeons, oder GemCraft, Last Stand, Elements und Sonny (und wartet auf eine Fortsetzung). Oder doch die neuesten Triple A Spiele, für lau. Fabu erwähnte ja bereits Piraterie.
Was mich aber am meisten stört ist diese Gleichsetzung von Wert und Preis. “Ein paar Cent sind viel zu wenig für diese Spiele” ist für mich keine radikale Enthüllung, es denkt einfach die selbe Logik die hinter “20 Euro sind viel zu viel für Gone Home” steckt zu Ende, präsentiert die andere Seite. Es mögen noble Ziele dahinter stecken, davon zu schwärmen wie viel mehr die Arbeit dieser Menschen nun “wert” ist, aber Mammon ist einfach kein Maßstab für Qualität, und abseits einer Kaufberatungsebene finde ich es auch müßig, uns gegenseitig darüber die Köpfe einzuschlagen, welcher Betrag für ein Spiel nun angemessen ist oder nicht. Statt Spiele mit einem definiten Preis aburteilen zu können, sollte es doch darum gehen faire Entlohnung für die Arbeit von Künstlerinnen zu fordern, oder besser gesagt, es ihnen zu ermöglichen, von ihrer Kunst zu leben.
Davon scheint der Artikel bei der Diskussion des Skandals von Verramschung und Verbilligung aber weit entfernt. Er bleibt mir viel zu sehr in der Perspektive des Marktes verhaftet, der sich aber schon früher, und jetzt eben verstärkt, als wenig tauglich für die adequate Unterstützung von Kreativen entpuppt hat. Etwas Distanz zum System hätte dem Jammern über Kontrollverlust und Reizüberflutung meiner Meinung nach gutgetan. Ein Artikel allein zu den Mechanismen und der Wahrnehmung hinter solcher Preispolitik mag auch interessant sein, in dem Fall aber bitte mit neutraler Betrachtung der Materie. Wenn schon so etwas pessimistisches, dann hätte ich mir einen Artikel gewünscht, der die Weitsicht hat, nicht bloß Marktkritik, sondern gleich Kapitalismuskritik zu sein.
Vielleicht können Spieleentwickler heutzutage auch nur deswegen überleben, weil es genug Leute wie uns gibt, die Spiele dank minikleinsten Preisen kaufen, obwohl sie sie nie spielen werden, weil die Zeit einfach nicht vorhanden ist.
Eine Zeit lang war das Humble Bundle für mich auch sowas wie ein Qualitäts-Indikator. “Spiele, die es ins Bundle schaffen, sind spielenswert.”
Mit EA, Capcom und Co. ist diese Illusion aber zerstört worden. Das Bundle scheint nicht mehr durch eine Redaktion qualitativ ausgewählt zu werden, sondern richtet sich selbst immer stärker nach der besten Chance zur Refinanzierung.
Dass es einen solchen Ausverkauf gibt, ist aber dennoch eher ein Resultat des erhöhten Ausstoßes der ganzen Branche. Die hohe Anzahl der Branchenriesen wird angedickt durch viele Indie-Entwickler, die im Preis- und Aufmerksamkeitskampf zum Nulltarif arbeiten WOLLEN und MÜSSEN.
Auf längere Sicht wird diese Blase vermutlich wieder etwas schrumpfen, wenn so etwas wie ein Überangebot an Spielen entsteht.
Immer wieder interessant, wie eine “gute Schreibe” über den schwachen Inhalt eines Textes hinwegtäuschen kann. Und wie viele sich tatsächlich täuschen lassen.
Es ist absoluter Quatsch, dass die Spiele durch Sonderangebote und Bundles “entwertet” werden. Weder monetär, noch kulturell, noch sonst wie.
Viele kleine Titel landen so überhaupt erst in größerer Stückzahl auf den Festplatten der Leute. Der angesprochene Gruppenzwang, als Entwickler bei Bundles mitzumachen, ist ebenfalls Unfug, da sich das Modell eben gerade für die Indie-Entwickler lohnt: Es macht bekannt und lohnt finanziell (erwähnte Dennis Kogel ja bereits ^^).
Dass das Überangebot dazu führe, dass man sich weniger mit dem einzelnen Spiel beschäftigt, halte ich auch für zweifelhaft. Es mag bei einigen Menschen so laufen (Candy Store Syndrom), aber überwiegend dürfte es doch so sein, dass man immer noch an den guten Spielen kleben bleibt. Qualität überzeugt. Die anderen hat man dann wenigstens mal angesehen und kann sich selbst bestätigen, dass man nicht den regulären Preis bezahlt hat.
Und im Gegensatz zum Autor dieses Textes, habe ich mir meine Argumente nicht zusammenfantasiert: Das sagen mehrheitlich sowohl die beteiligten Publisher, als auch die Entwickler selbst.
Erst einmal vielen Dank für das “Kompliment”, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob wir uns gerade gegenseitig mit Ironie beschießen.
Es gibt genügend valide Gegenargumente zu meinen Thesen, keine Frage. Ich möchte mich damit auch nicht als Alleinhüter der absoluten Wahrheit präsentieren, sondern nur meine Eindrücke und Bedenken äußern. Ich fände es dementsprechend auch angemessen, wenn du deine völlig in Ordnung gehende gegenteilige Position etwas differenzierter darlegen könntest, da “schwacher Inhalt” und “absoluter Quatsch” sicherlich im Auge des Betrachters stimmig erscheinen, allerdings genauso wenig allgemeine Gültigkeit besitzt wie mein Text.
Das ist leider auch nicht mehr als eine Behauptung. Dass sich der gezahlte Preis auf die Wertschätzung eines Produktes auswirkt, ist hingegen zumindest bei wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt worden. Hier z.B. eine, die besagt, dass selbst ein guter Preis für ein hochwertigeres Produkt nicht mehr gezahlt wird, wenn man stattdessen ein minderwertiges für lau haben kann: http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/wissenswert/studie-zum-verhalten-von-verbrauchern-was-nichts-kostet-ist-viel-wert/2985614.html
Qualität setzt sich demnach nicht unbedingt durch, solange man quantitativ überlegene Alternativen parat hat.
Genauso ist es erstmal nur eine Behauptung, dass hierdurch mehr Spiele auf den Festplatten landen würden. Es ist aber natürlich nicht unwahrscheinlich, dass du damit recht hast, von daher gehen wir einfach davon aus, dass dem so ist. Dadurch, dass sich durch Bundle-Käufe nun aber direkt 6-8 neue Spiele auf dem Rechner befinden, muss es sich die Aufmerksamkeit des Spielers mit diesen teilen. Sollte also ein Spiel nicht von Anfang an fesseln, ist es relativ unwahrscheinlich, dass man ihm eine zweite Chance gibt, da man unmittelbare Alternativen vorfindet. Angenommen, ein Spiel zündet sofort, bedeutet das wiederum, dass sich die anderen Spiele hintenanstellen müssen, womöglich so lange, dass längst wieder ein-zwei neue Bundles auf der Festplatte gelandet sind und die mit spannender wirkenden Titeln aufwarten können. Man hat also sein Spiel an den Mann gebracht, so richtig angekommen ist es bei ihm aber nicht. Klar hat der Entwickler nun seinen Anteil aus den Bundleeinnahmen ziehen können, dies ist jedoch nicht mehr als eine Einmalzahlung, die laut der auch im Text verlinkten Statistiken sicher kurzfristig ausreichend sein dürften, jedoch den langfristigen Wert des Spiels in den Keller treiben und das Renommé des Entwicklers als Centspielproduzent brandmarken. Wenn man denn aus besagten Gründen überhaupt wirklich Notiz von ihm genommen hat.
Vielleicht bemerkst du beim erneuten Durchlesen den Widerspruch. Der Gruppenzwang ist mitnichten Unfug, wenn er als die lohnenswerteste Einnahmequelle unter Indie-Entwicklern gilt. Genau das macht den Gruppenzwang aus und genau das führt dazu, dass separate Verkäufe zu mehr als den Betrag einer Packung Tiefkühlpommes langfristig als unattraktiv und untragbar wahrgenommen werden. Zunächst auf Seiten der Kunden (s. die Verlinkung des Steamforum-Eintrags von Desktop Dungeon im Text oder die zahlreichen Anmerkungen von Spielern bei Gone Home an selber Stelle) und folglich eben auch auf Seiten der Entwickler.
Es gibt bereits jetzt, nicht zuletzt Dank auch dank Smartphones und Tablets, eine unheimliche Schwemme an neuen Titeln jede Woche. Diese Masse an Neuem führt auch zu einem unübersehbaren Qualitätsabfall, wenn man die Gesamtheit des Indie-Outputs betrachtet. Es gibt Horden an Copycat-Spielen, Reißbrett-Titeln und einfach nur grausam fehlerhaftes Zeug, weil heutzutage jeder, der ein Word-Dokument öffnen kann, anscheinend auch ein wenig Pixel schieben will, um damit einen schnellen Euro einzuheimsen. Der Indiemarkt ist nicht zuletzt aufgrund der etlichen Humble Bundles und Steam Sales in den letzten Jahren massiv expandiert, auch die dadurch produzierte Ausschussware trägt ihren Teil dazu bei, dass sich das Ausgabeverhalten und die Aufmerksamkeitsspanne der Spieler sich zum Negativen entwickelt.
Ich würde doch sehr staunen, wenn du tatsächlich jeden Entwickler danach gefragt hast, was leider für die Gültigkeit dieser Aussage notwendig wäre. Mir ist bekannt, dass einige Entwickler etwas in die Richtung gesagt haben, aber zu Lady Gaga passt das Spotify-Modell eben auch besser, als zu einer aufstrebenden Indie-Band, die hierdurch nahezu leer ausgeht. Klar, momentan erhält jeder Teilnehmer am Bundle den gleichen Anteil an Einnahmen, aber zum Einen wird es durch den Überfluss an neuen Titeln schwerer werden, überhaupt in einem zu landen, zum anderen ändern sich Geschäftsmodelle eben auch mal schnell, wie man bei den THQ und Origin-Bundles gesehen hat.
Es mag also sein, dass du nicht mit meinen Eindrücken konform gehst, aber ganz so herbeifantasiert wie du es gern hättest, sind sie sicherlich nicht.
Danke für den Beitrag, sehr interessant. Meine Gedanken dazu:
Ich hab mir FEZ, Monaco, Little Inferno etc. beim release geholt und selbstverständlich auf steam den vollen preis(10-15 euro) gezahlt. Dass selbige Spiele kaum drei Monate später für ein Appel und ein Ei auf humblebundle verfügbar gemacht wurden störte mich wenig, denn ich bekomme als ehrlicher Mensch eine Chance, diese Entwickler ein weiteres Mal zu unterstützen. Und auch wenn meine Steam Bibliothek überfüllt ist, hab ich unter dieser überwältigenden Masse an Spielen einige Schätze angezockt, die ich zuvor komplett ignoriert hätte. Ich bin der Meinung dass der Wert von Dingen, gerade WEIL sie digital sind sehr schnell verfällt und viele Entwickler wissen das und rechnen damit(Ich sehe Entwickler websites, die Torrent-Download-Links für ihre eigenen Spiele anbieten). Wenn ich für ein neues Auto bezahle, gilt es als Gebrauchtwagen, und wenn ich ein paar hundert Kilometer damit fahre verliert so ne Karre mal eben 35% an Wert. So läuft das nunmal in der freien Marktwirtschaft