Adventure! Restart! Adventure! Restart! ADVENTURE! Retire.
Bevor Desktop Dungeons in diesem Monat erschienen ist, hat es bereits einen erstaunlich langen und bisweilen beschwerlichen Weg hinter sich gebracht. Annähernd vier Jahre in Entwicklung und fast genauso lang als Vorabversion frei spielbar, hat dieses charmante, kleine Roguelike-Rollenspiel nun endlich seine kaum noch für möglich gehaltene Marktreife erlangt und ist in seiner finalen Pracht bei Steam käuflich zu erwerben. Hübscher und eingängiger als zuvor, aber genauso gnadenlos und reizend, im doppelten Wortsinne. Ein Spiel für die Kaffeepause, das jedoch so schwer wieder wegzulegen ist, dass Schlafenzug und Herzrasen zu ernstzunehmenden gesundheitlichen Begleiterscheinungen geraten können.
Dass es einmal so weit kommen könnte, ahnen wohl nur die Wenigsten, wenn sie zum ersten Mal in die putzig gezeichnete Spielwelt von Desktop Dungeons eindringen. Ähnlich wie bei Spelunky oder den Gremlins täuscht jedoch die niedliche Fassade nur die ersten Minuten über das unbarmherzige Grauen hinweg, das sich zweifelsohne dahinter verbirgt. Denn zwischen all den süßen Kobolden, Golems und den etwas aus der Welt gefallenen Fleischklumpen aus Super Meat Boy, ist das eigene Ableben stets nur einen unüberlegten Mausklick entfernt. Spätestens nach den Einführungsleveln wird somit zwar deutlich, wie komplex und unerbittlich das Spiel in seinem harten Kern ist, durch seine kurzweiligen Abschnitte und dem konstant aufrechtgehaltenen Gefühl, ganz knapp am Erfolg vorbeigeschrammt zu sein, hält es jedoch gekonnt die Balance zwischen Lust und Frust.
Der Drang, nach dem Scheitern sein Glück direkt erneut zu suchen, wird zudem durch das Freischalten von weiteren rollenspieltypischen Völkern und Klassen, sowie dem dauerhaften Ausbau des eigenen Königreiches befeuert. Denn während man nach dem Verlassen eines Verlieses stets seine gesammelte Erfahrung, entdeckte Zaubersprüche (mit so herrlich ironischen Namen wie WEYTWUT oder BYSSEPS) und gefundene Gegenstände verliert, bleiben errichtete Gebäude und deren Vorzüge, ähnlich wie auch bei Rogue Legacy, erhalten. Hierdurch gelangt letztlich doch noch ein willkommener Schimmer vorzeigbaren Fortschritts in diese sonst so flüchtige Welt hinein.
In seiner Essenz ist Desktop Dungeons jedoch mehr Rätsel- als Rollenspiel, das eine vorausschauende Vorgehensweise gleichsam wie ein Schachspiel einfordert. Eine Runde kann sich bis zum letzten Schlag wie ein sicherer Sieg anfühlen und dann doch an Ermangelung eines einzigen Heiltranks fehlschlagen. Das geschickte, wenn nicht gar perfekte Haushalten mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen bildet das Fundament des Überlebens, dessen Regeln durch die optionale Anbetung verschiedener Götter zusätzlich modifiziert werden können. So verachtet ein Gott möglicherweise den Einsatz von Magie, stärkt dafür jedoch die Angriffskraft des Spielers, während ein anderer zwar die Lebenspunkte mindert, im Gegenzug dafür aber einen Teil der Lebensenergie durch das Attackieren eines Monsters wiederherstellt. Die Regeneration von Lebens- und Manapunkten stellt in diesem Spiel allgemein eine Besonderheit dar, da diese mit jedem Schritt in unerschlossene Bereiche der Karte zu einem Teil wiederhergestellt werden. Dieser Umstand führt letztlich dazu, dass jeder noch so unbedeutend wirkende Zug am Ende über Sieg und Niederlage entscheiden kann, da jedes verfrühte Aufdecken eine verlorene Erholungsmöglichkeit im entscheidenden Moment bedeutet. Eine Situation, in der man sich immer wieder vorfinden wird.
Eine ebenso zentrale Ressource ist unbestreitbar auch die gesammelte Erfahrung, sowohl die in Charakterlevel ausgedrückte, wie auch die des Spielers selbst, der mit zunehmender Spielzeit lernt, die Feinheiten des Systems zu seinem Vorteil zu nutzen. Wer sich zum Beispiel stets davor drückt, sich der Herausforderung höherstufiger Monster zu stellen, wird dauerhaft keinen Erfolg haben. Hierbei ist mathematisches Geschick und klinische Präzision gefragt, denn das Spiel fragt nicht sicherheitshalber noch einmal nach, ob man diesen letzten fatalen Klick wirklich durchziehen möchte. Das jeweils angemessene Vorgehen hierbei setzt also Geduld und vor allem viel Kopfarbeit voraus. Seinen Schädel haut man nämlich bei der Lösungssuche sicher nicht nur einmal auf den Tisch.
Desktop Dungeons reiht sich durch seine unbarmherzige und doch stets aufs Neue motivierende Art nahtlos in die erstaunliche Erfolgsgeschichte des Roguelike-Genres ein, auch wenn es genau genommen ja eigentlich schon seit Jahren ein fester Bestandteil davon ist. Es beweist, dass in solch gut ausbalancierten Spielen selbst aus größten Frustmomenten positive Geschichten entstehen können. Das Spiel ist ein Lehrer, der seinem Schüler nichts erklärt, sondern ihn alles selbst entdecken lässt. Die bleibende Erfahrung ist schließlich nicht die Zahl neben dem Charakterportrait. Man sammelt sie vor dem Bildschirm. Und man lernt nie aus.
6 Kommentare zu “Desktop Dungeons”
2 Trackbacks zu “Desktop Dungeons”
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Artikel ist Spot on, das Spiel ist der Wahnsinn und ich schon komplett abhängig.
Ich hatte damals die alpha schon mit Vergnügen gespielt, das Spiel dann aber ein wenig aus den Augen verloren. Umso größer war die Freude, als es plötzlich auf Steam releast wurde. Seitdem hab ich schon fast 20 Stunden reingesteckt, und es gibt noch soviel zu entdecken.
Wer anfangs Probleme hat, dem empfehle ich auf Youtube mal nach “Jay plays indie games” zu suchen. Der Typ hat schon die Beta komplett gestreamt und hat jetzt nochmal ein neues LetsPlay angefangen. Ein echter Pro, bei dem man sich den ein oder anderen Trick noch abgucken kann.
Tja, könnte mir gefallen. Gibt es aber leider nicht für Linux. Abwarten.
Verdammt guter Soundtrack. <3
Ich wünschte, sie hätten sich den furchtbaren Meta-Game-Gold-Grinding-Quatsch gespart und stattdessen ein intrinsisch motivierendes ELO-artiges System aufgesetzt. Das wäre nicht nur im Sinne der langfristigen kompetitiven Validität gewesen, sondern auch wesentlich schneller und weniger aufwändig zu implementieren. So stößt mich das typische RPG-Balkenfüllen jetzt schon ziemlich ab und ich bleibe lieber bei der kostenlosen Alpha-Version. Der einzige Vorteil der Vollversion ist das (brilliante) Artwork.
Desktop Dungeons gehört zu den besten 10 Videospielen des Jahres (allein schon, weil es ein wirklich designtes Spiel ist und nicht einfach eine Wiederholung von schon tausendfach Gesehenem), aber es hätte noch viel, viel besser sein können… schade!
“…langfristige kompetitive Validität…”
Bin mir nicht sicher, was du damit meinst.
1. Das Spiel hat keinen Multiplayer-Modus, d.h. kompetitiv ist man im Grunde nur sich selbst gegenüber. Die Lernkurve ist steil, aber durch die vielen Kontextmenüs und die Puzzledungeons bleiben am Ende eigentlich keine Fragen offen.
2. An welcher Stelle du da einen ELO-Score einbauen möchtest, verstehe ich auch nicht. Rogue-likes starten ja per definitionem immer wieder von vorne, nur der Spieler wird mit jeder Runde besser, weil er mehr versteht. Wozu einen zusätzlichen Score, wenn man seinen Fortschritt direkt an der immer größer werden Stadt ablesen kann?
3. Um mal in deinem Jargon zu bleiben, könnte man diese Erweiterung der eigenen Stadt im Spielverlauf als hinreichende”intrinsische Motivation” sehen.
4. Ein wirkliches Grinding sehe ich auch nicht. Das Gold, das man für schon absolvierte Dungeons beim wiederholten Spielen bekommt, ist vernachlässigbar klein. Dadurch steigt doch die Motivation, sich eine neue Tatik für den Dungeon zu überlegen, den man immer noch nicht geschafft hat.
Grinding ist in diesem Spiel absolut unnötig, wenn man weiss wie es richtig gespielt wird.
Zusammenfassend: Ich kann keinen deiner Kritikpunkte nachvollziehen, sondern bin der Meinung, dass DD bezüglich Spielprogress, Balancing und Motivation geniale Spieldesign-Entscheidungen getroffen hat.
Die Jungs von QCF haben nicht umsonst fast drei Jahre lang dran getüftelt.
Jetzt noch ein HD-Upgrade für das (hier stimm ich dir zu) großartige Artwork, und DD ist ein moderner Klassiker.
Bert,
1. Richtig. Man ist kompetitiv gegenüber sich selbst und auch dem Spiel. Der “Gegenspieler” ist der Zufallsgenerator. Mehr unten.
2. Das ist es ja gerade. Der eigene spielerische Fortschritt wird durch das Metagame (die “Stadt”) verwässert. Ein ELO-Score würde den persönlich geistigen Fortschritt des Spielers lediglich angemessen widerspiegeln. Im vorhandenen Metagame jedoch hast du Dinge wie “Preparations” zum Freischalten und mitnehmen (gegen Gold). Dann weißt du nie, ob du nun aufgrund deines Skills oder doch aufgrund der richtigen “Preparation” gewonnen hast. Und genau das schränkt eben die kompetitive Validität ein. Genau das lenkt ab von deinem eigenes Dazulernen.
3. Das ist nicht mein Jargon, sondern ein völlig etablierter Begriff in der Motivationsforschung. (Ich empfehle Daniel Pinks “Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us”.)
Des Weiteren sind die Stadterweiterungen dementsprechend natürlich ganz klassisch EXtrinsische Belohnungen. Das Spiel belohnt auch intrinsisch (d.h. spielen um des Spielens willen): Es fühlt sich sehr gut an, höherlevelige Monster zu besiegen und das wird im Spiel ja auch durch die entsprechenden Erfahrungsboni forciert. Aber es schwebt eben immer auch dieses extrinsische Damoklesschwert über allem.
4. Eben WEIL das Gold vernachlässigbar klein ist, ist es ja so ein Grinding. Aber das ist wie oben angedeutet ja nicht mal das größte Problem.
5. Das einzig Geniale am Spiel ist das Design selbst (sprich: die Spielmechanik). Und das existierte ziemlich genau so schon vor Jahren in der frei verfügbaren Alphaversion. Seither haben sich die Entwickler nur mit dem unnötigem Aufplustern eines in sich geschlossenen Systems beschäftigt und somit eine meiner größten Spielehoffnungen der letzten Jahre zu einem “nur” guten Produkt gemacht.