Vom Videospieler zum Technopapst in 140 bpm.
Ich habe schon immer gern gespielt. Zuerst mit farbigen Bauklötzchen, anschließend mit Videospielen und irgendwann kamen schließlich auch Musikinstrumente dazu. Lange Zeit sah ich diese drei als separate, völlig unterschiedliche Spielarten an, doch FRACT OSC würfelt sie alle zusammen und herausgekommen ist ein überraschend harmonisches Zusammenspiel, das nicht nur regelmäßig den Bass droppen lässt, sondern meine Kinnlade gleich mit.
Die Welt, in die man kommentarlos hineingeworfen wird, ist karg und leblos, größtenteils dunkel und nur von einigen neonfarbenen Tupfern erhellt. Diese Textur- und Detaillosigkeit mutet ein wenig wie eine Mixtur aus der Tron-Ästhetik und dem Grafiksetup eines ambitionierten Quake 3-Spielers an, wirkt aber stimmungsvoll und durchdacht. Allein die in der Landschaft verteilten Überreste riesiger Maschinen, deren Ursprung im Verborgenen bleibt, geben ihr Struktur und dienen anfangs zusammen mit verschiedenen Farb- und Symbolcodes als rudimentäre Orientierungsmöglichkeiten in einer ansonsten informationslosen Umgebung. Dann werden die Klänge zu ihrer Sprache, die ich zunehmend zu verstehen und zu interpretieren lerne.
Im Kern bleibt FRACT OSC dabei mehr Spielzeug als Spiel. Ein virtuelles Frickelinstrument für Freunde elektronischer Soundkulissen. Viele Rätsel löse ich anhand von Hilfsmitteln, die mich stark an die grafischen Oberflächen professioneller DAWs erinnern, an Step Sequencer und Klangregler, nur massiv vereinfacht, damit sie intuitiv auch für Laien der Musikproduktion bedienbar bleiben. Während ich diese modifiziere, setze ich nicht nur einzelne Fragmente der teils gigantischen Apparate wieder zusammen, sondern kreiere gleichzeitig auch immer komplexer klingende Beats und Melodien. Das kann sich bisweilen anhören, als sei Giorgio Moroder in den 1980ern betrunken auf seinem Keyboard eingeschlafen, aber tatsächlich auch wie die Rausschmeißnummer nach einer durchzechten Nacht im Berghain.
Möglich wird dies durch die eingesetzten Live-Sequencer, die nicht mit vorgefertigten Sounddateien arbeiten, sondern mich die Klänge direkt erzeugen und modifizieren lassen. Mit zunehmendem Spielfortschritt schalte ich zudem immer neue Klangerzeuger und –modifikationsmöglichkeiten frei, mit denen ich im Spielhub frei herumexperimentieren und ganze Stücke komponieren kann. Diese lassen sich exportieren und mit anderen teilen, so dass FRACT OSC am Ende sogar das Potenzial in sich birgt, einen neuen Stern am elektrisch beleuchteten Musikfirmament zum Scheinen zu bringen. Bleibt also nur zu hoffen, dass dieses mächtige Werkzeug nicht in die falschen Hände gerät. Sonst sähe ich mich womöglich endgültig dazu gezwungen, David Guetta die seelenlosen Klauen abzuschmirgeln.
Wer ein wenig mehr über die tollen Menschen erfahren möchte, die hinter FRACT OSC stehen, dem sei hiermit noch dringend das von Dennis Kogel im Rahmen der GDC 2013 geführte Interview mit dem Entwicklerpärchen Richard E. Flanagan und Quynh Nguyen empfohlen.
Ein Kommentar zu “FRACT OSC: Synthhaft schön”
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The long, tricky road to release for musical exploration game Fract OSC