Mit bunten, poppigen Wrestlern und Monstern zeigt Guacamelee!
wie Kulturgeschichte in Spielen verpackt werden kann.
Guacamelee! für Playstation und Vita war beim IGF für Excellence in Visual Arts nominiert und es sieht umwerfend aus. Mit seinen strahlenden Farben, bunten Monstern und bizarren Figuren ist das Spiel über einen heldenhaften Luchador purer Pop. Es ist aber eben nicht nur schicke Präsentation, sondern ein erstaunlich cleveres Action-Spiel und der Beweis dafür, wie gut ein Spiel nur sein kann, wenn es um eine Kernidee herum entsteht.
Der Kern in Guacamelee! ist der Día de los Muertos, der mexikanische Tag der Toten, an dem die Verstorbenen aus dem Jenseits in unsere Welt kommen, um ihre Familien zu besuchen. Ein dämonischer Matador nimmt sich das Fest zum Anlass, die Tochter von El Presidente zu entführen und dadurch something something something sowohl die Welt der Toten als auch die der Lebenden zu unterjochen. Um beide Welten zu retten, legt Held Juan die Maske eines Luchadors aus der Unterwelt an und prügelt zusammen mit einem optionalen Coop-Partner gegen die Höllenbrut an.
Das Thema der beiden Welten zieht sich durch das gesamte Spiel, angefangen bei der Geschichte bis zu jedem Aspekt der Spielmechaniken. Nur wenige Stunden nach Spielbeginn lernt Luchador Juan, wie man auf Knopfdruck zwischen der Welt der Toten und der Lebenden springt. Der Wechsel schmeißt Farbpalette und Musik um, verändert aber — noch wichtiger — den Aufbau der Welt. Wo in der Welt der Lebenden eine zu hohe Mauer oder eine verschlossene Tür steht, picknicken in der Totenwelt Skelette und halten Juan die Tür auf. Zusammen mit neuen Fähigkeiten wie einem magischen Aufwärtshaken, der logischerweise von einem notgeilen Werziegenmann gelehrt wird, erschließt man sich nach und nach die Spielwelt.
Die Fähigkeit, zwischen den Welten zu wechseln, ist aber auch für den Kampf im Spiel essentiell, denn die Skelette und Dämonen, die erst verprügelt und dann mit wahnwitzigen Würfen ausgeschaltet werden müssen, kommen mal aus der Totenwelt und mal aus unserer. Nur in der passenden Welt können die Gegner ausgeschaltet werden. Das funktioniert ähnlich wie im Vertikalshooter Ikaruga, verknüpft bei Guacamelee! aber elegant Spielwelt und Spielmechanik.
In einer Briefserie zum wundervollen Year Walk zwischen Christof Zurschmitten und Rainer Sigl, hat sich Christof darüber beklagt, dass sich nur so wenige Spiele auf die lokale Mythenwelt ihrer Macher beziehen. Guacamelee! ist so ein seltenes Spiel. Die Macher, Drinkbox Studios aus Toronto, haben mir auf der GDC erklärt, dass sie sich für die mexikanische Mythenwelt entschieden haben, weil ihr Grafikdesigner Augusto Quijano, ein Mexikaner, vorgeschlagen hat, sich mit seiner Kultur auseinanderzusetzen. Guacamelee! zeigt, mit wie viel Respekt, Verständnis und Spaß Drinkbox an diese Aufgabe gegangen sind.
Mit seiner Weltenwechsel-Mechanik drückt Guacamelee! das Verhältnis mexikanischer Popkultur zum Tod aus. Die Welt der Toten ist kein Höllenschlund, sondern eine Parallelwelt, die man als natürlichen Teil des Lebens begreifen muss, um in Guacamelee! zu bestehen. Dass dieses kleine Stück Kulturgeschichte in ein wunderschönes und verdammt spaßiges Prügelspiel um verrückte Luchadores, magische Hühner und Skelettkrieger verpackt wurde, muss man Drinkbox hoch anrechnen.
12 Kommentare zu “Guacamelee!”
Ein Trackback zu “Guacamelee!”
Kommentare sind geschlossen.
Sieht echt nice aus
, aber wer zur Hölle hat schon eine PS3/Vita?Seit gestern: Ich, um Guacamelee in der Bahn zu spielen =)
Was meinst du mit “Wer hat eine PS3″??? Jeder Spieler, der auf Qualität steht. Die einzige Platform mit exklusiven Meisterwerken?
Also, die PS Vita. Ich habe nicht vor, mit der PS3 Bahn zu fahren…oder…vielleicht doch?
Was? Du hast jetzt wirklich eine Vita gekauft?! Und den 3DS gleich mit, oder wie? UND SOWAS ERFAHRE ICH AUF SUPERLEVEL?!
pwnd!
Whoops!
Haaaaahaaaa, er hat ne Vita gekauft!
Einer der besten Spiele, die ich dieses Jahr gespielt habe. Und das nicht nur, weil ich Mexikaner bin.
“…dass sich nur so wenige Spiele auf die lokale Mythenwelt ihrer Macher beziehen.”
Kleiner Einspruch. Natürlich sind Inhalte von Videospielen zum Großteil, wie die gesamte Popkultur, globalisiert zw. standardisiert. Aber dahinter verbirgt sich vielfach auch nichts anderes als die Popularisierung lokaler Mythen, Sagen und Märchen… der prototypische Drache etwa, Feen, Zwerge, Hexen und was sonst noch alles so im mitteleuropäischen Raum rumspukt und uns von jeder zweiten Spieleverpackung anstarrt.
Nicht zu vergessen, viele Spiele aus dem asiatischen Raum schwelgen reichlich in lokaler Mythologie, vor allem im Rollenspiel-, Horror und Visual-Novel Bereich.
Was natürlich fehlt, in Produktion wie Rezeption, sind Spiele aus kleineren oder weniger populären Kulturkreisen… aus Osteuropa kommt hier grade mal Metro und The Witcher an, aus Afrika effektiv gar nichts. God of War oder Titan Quest stammen nicht aus Griechenland und bei Ubi Montreal klopft man sich auf die Schulter, wenn man eine Europareise macht um sich Venedig dann doch mal in echt anzuschauen.
Indiegames haben da tatsächlich eine Chance das zu verbessern, aber stehen natürlich auch im Spannungsfeld des globalen Mediennetzes.
Jupp, so haben Rainer und ich die Diskussion auch gestartet: Mit der Einsicht, dass “Year Walk” eines der (zu) seltenen Spiel ist, dass sich aus kleineren und weniger populären Kulturkreisen speist.
(Osteuropa hat übrigens auch noch die Stalker-Spiele und Icepick Lodge zu bieten… sofern man überhaupt noch feststellen kann, aus welch verwaberten Ursümpfen deren ihre Spiele herkommen.)
Aber ja, man freut sich halt umso mehr auf so was wie Zeno Clash 2″ (obwohl auch da die chilenischen Folkolore durch eher psychotrope Substanzen gefiltert wird, schätze ich).
Und “Guacamelee”, wie ich dank diesem Text gerade gelernt habe.
Insofern: Danke, Dennis, ich weiss die Empfehlung zu schätzen.
(Umso mehr, als du das Risiko, Opfer häuslicher Gewalt zu werden, der Ehrlichkeit halber tapfer in Kauf nimmst. DAS ist journalistische Integrität.)
schaut sehr schön aus, aber mich nervt allmählich, dass es immer nur und nur und nur um luchadores und/oder den tag der toten geht, wenn mexiko südamerika verwurstet wird.