Jeder auf der Welt kennt die Route 66, doch nur sehr wenige die Kentucky Route Zero. Ein Point'n'Click-Adventure will diese Straße erkunden und nimmt den Spieler mit in eine atmosphärisch dichte Welt mit vielen Fragezeichen.
Ich habe den Hund Homer genannt. Ich hätte ihn auch Blue nennen können, aber für mich machte er mehr den Eindruck, eine Mischung aus griechischem Poet und amerikanischer Zeichentrickfigur zu sein. Homer ist ein dürrer, müder Köter und trägt einen Hut. Er begleitete mich durch den ersten von fünf Akten des Point’n’Click-Adventures Kentucky Route Zero.
Aus der Asche der 2013er IGF-Nominierungen emporgestiegen, präsentieren Entwickler Jake Elliott und Tamas Kemenczy ein visuelles wie inhaltliches Kleinod. Auf meinem alten Laptop schoben sich die Figuren zwar nur träge über den Bildschirm, aber das tat dem Spielerlebnis keinen Abbruch, denn so konnte ich die schwer in Worte zu fassenden Szenerien länger betrachten und in mich aufsaugen.
Als LKW-Fahrer Conway bin ich auf den Highways von Kentucky unterwegs. Zusammen mit meinem treuen Begleiter Homer strande ich an einer Tankstelle und Frage nach dem Weg. Der nette Tankwart will zunächst wissen, wie mein Hund heißt und dirigiert mich anschließend in guter alter Adventuremanier in den Keller, um den Strom einzuschalten, damit ich seinen Computer benutzen kann, in dem schließlich die gewünschte Routenbeschreibung abgespeichert ist. Mein Ziel ist Dogwood Drive und der einzige Weg dorthin führt über die geheimnisvolle Route Zero …
Mehr möchte ich nicht über die Geschichte verraten, denn hier liegt der Kern des gesamten Spiels verborgen. Ich könnte euch auch gar nicht viel mehr erzählen, weil ich nicht genau weiß, was all die rätselhaften Begegnungen und Ereignisse zu bedeuten haben. Als erster Akt einer fünfteiligen Serie werden nur Fragen aufgeworfen und keine davon beantwortet. Ist das Erlebte real? Warum schieben zwei Männer ein Propellerflugzeug über die Landstraße und wieso verschwinden Figuren gerne mal von einem Moment auf den anderen? Eins ist aber verdammt sicher: Meine Neugierde ist geweckt.
Stellt euch vor, David Lynch würde an einem seiner ruhigen Tage ein Adventuregame entwerfen — und ihr wisst ungefähr, mit welcher Atmosphäre Kentucky Route Zero aufwartet. Neben einer minimalistischen, aber sehr effektiven Musikuntermalung sticht natürlich die Optik besonders hervor. Ohne sie wäre das Spiel nur halb so interessant. Auch hier ist die Devise: weniger ist mehr und dieses Mehr ist an vielen Stellen atemberaubend. Klare Linien, große einfarbige Flächen und wenige Lichtquellen an der richtigen Stelle zaubern ein dichtes Panorama auf den Bildschirm. Dazu noch einige kreative Übergänge von Szenenbild zu Szenenbild und der Indie-Feingeist in mir jubelt jauchzend auf.
Die Entwicklung von Kentucky Route Zero wurde durch eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne initiiert, welche moderate $8.500 einbrachte. Nach einem angepeilten Veröffentlichungstermin im Herbst 2011 erschien der erste Akt mit leichter Verspätung Anfang 2013. Die weiteren Teile sollen in einem Abstand von je zwei bis drei Monaten folgen. Ich sehne ihnen in fiebriger Erwartung entgegen.
11 Kommentare zu “Kentucky Route Zero”
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Sieht stark aus und kommt für mich überraschend. Mal ganz angenehm, wenn man bedenkt, dass man IGF-Finalisten sonst bis zum Erbrechen kennt. ;-)
Jo, kam für mich auch ziemlich aus dem nichts. Bereits die Webseite sieht so fantastisch aus (diese Kamerafahrt im Trailer \o/ ). Schön dass es offenbar auch gut erzählt.
Wäre da nicht mein generelles Problem mit Adventures und dass ich hier noch 2 1/2 preisgekrönte Adventures ungespielt rumliegen… ich bin mal knauserig und warte bis zum entsprechenden Steamsale.
Wow! Die hatten mich beim ersten Bild.
Und meine verkackte Prepaid Karte nicht aufgeladen.
Ich hasse Euch.
Toll!
Hab’s eben durchgespielt und Lynch trifft es schon ganz gut. Ein bisschen Jarmush ist auch noch drin.
Gefühlsmäßig irgendwo zu verorten zwischen dem leichten Schauer im Nacken wenn man etwas sieht, was man nicht hätte sehen sollen, aber nicht weiß warum und dem langsamen Hineindriften in sonderbare Situationen wenn man lange Zeit nicht geschlafen hat und einfach mal “Ja” sagt zu komischen Vorschlägen morgens um halb Vier. Oder so.
Schönes, schauriges, sonderbares Ding ist das mit einem richtig guten Spielfluss. Ich bin sehr gespannt auf die kommenden Episoden.
****achtung Spoiler. also alle, dies nicht gespielt haben, weglesen.***
Ist nach dem Entdecken der Route Zero wirklich schon Schluss mit Act 1? Da gibts kein “to be continued”, sondern zack, desktop. ich finds dann nämlich zwar sehr schön, aber halt auch sehr, sehr kurz. ich hatte jetzt drei “große” locations (minen, equus oils und weavers haus) sowie einige der kleineren text-only-szenen. ach ja, und die flugzeug-jungs. wars das, oder überseh ich da was?
Ging bei mir auch direkt zurück zum Desktop, da ist also wirklich der Schluss. Hätte mir auch ein paar mehr “echte” Orte anstelle der reinen Textbeschreibungen für einige Szenen gewünscht, aber da mussten dann wohl in der Entwicklung doch Kompromisse eingegangen werden.
ok, danke!
Was ist nur aus dem Triple A-Team geworden ??!?
Bin auch gerade durch.
@Dennis: „Hineindriften in sonderbare Situationen wenn man lange Zeit nicht geschlafen hat und einfach mal “Ja” sagt zu komischen Vorschlägen morgens um halb Vier. Oder so.“
Das trifft es ganz genau. Sehr schön, sehr sehr seltsam. Und trotz des linearen Großen und Ganzen gefielen mir all die kleinen Details besonders gern (aufploppende Orte auf der Karte, die zwar betreten, aber nur in Textform dargestellt werden; die Spoiler! versteckten Bereiche in den verlassenen Minenschächten, wenn man die Spur wechselt und nach links fährt; etc). Bin sehr sehr gespannt, wie’s weiter geht.
@mandaya: Bei mir stand am Ende groß END OF ACT 1, habe aber auch die v2 gespielt. Danach ging’s aber auch gleich zurück auf den Desktop, der Rausschmiss hätte da etwas sanfter ausfallen können.
Genau, die neue Version hat diese Klarstellung erst hinzugefügt -- laut der überaus charmant formulierten patchnotes. Der plötzliche, schwarze Schirm und folgende Sprung zum Desktop kam schon sehr abrupt.
Kentucky Route Zero hat sich ja tatsächlich langsam in das Bewusstsein der Spieler hineingemausert. Tolle Entwicklung. Unglaublich interessante Übergänge (gerade das Haus auf dem Hügel) sind schon recht augenöffnend. Das Ganze wirkt trotz Kickstarter und Indie Wurzeln enorm poliert. Uniforme Ästhetik, klare Erzählstruktur und eine interessante Thematik: man darf auf die nächste Episode gespannt sein.
Laut den Machern dürfen wir ja durchaus erwarten, dass die “Entscheidungen” -ich denne das mal vorsichtig so- auch Einfluss auf spätere Episoden nehmen werden.