Rat Race
Während meiner Kindheit hatte ich drei Hamster. Einer davon fraß meinen Goldfisch.
Natürlich stellte dieser Akt der Vertilgung sowohl Hamster als auch Goldfisch vor scheinbar unüberwindbare, logistische Schwierigkeiten, allerdings meisterten Hamster und Fisch zum Leidwesen des Letzteren diese Probleme bravorös. Ich fand den vermissten Goldfisch einige Wochen später mit abgetrenntem Kopf hinter meinem Kleiderschrank. Ja, meine Hamster durften stets ihren liebevoll eingerichteten Käfig verlassen und Tag ein Tag aus mein Zimmer durchwühlen. Mit allen Konsequenzen. Als Kind war mir völlig klar: Das Leben in einem kleinen Käfig könnte nie so schön sein wie in einem viel größeren Käfig!
20 Jahre später wache ich in Rattenpisse auf und betrachte die Zeitung. Sie wurde in meinem Käfig ausgelegt und beinhaltet einen Text über deutsche Indiespieleentwicker. Als Ratte durchstreife ich die Grenzen meiner Welt, die aus ganzen drei Etagen und einem nicht überwindbaren Metallkäfig besteht.
Die Simulation Rat Race lässt den Spieler in Egoperspektive das Leben als kleines, eingesperrtes Nagetier erleben. Man beginnt in der obersten Ebene des Käfigs und arbeitet sich bis in die dritte Etage hinab. Mit Spannung betritt man die hölzerne Leiter, um tiefer zu wandern und erwartet vielleicht eine befreundete Ratte oder gleich zwei. Weiß doch jeder, wie gesellig Ratten sind.
Man bekommt weder Ratte, noch Abenteuer, noch Aufgabe, noch mehr als ein paar Sonnenblumenkerne. Alles was man zu erwarten hat: Langeweile. Hier ein bisschen fressen, dort ein bisschen aus der Tränke trinken, den Gesprächen lauschen, die man nicht versteht, Laufrad, Schlafen, Trinken, Essen, Häufchen machen, Essen, Schlafen, … Man könnte ja versuchen, alles so schnell wie möglich hintereinander zu erledigen? Doch halt. Man erwischt sich selbst, wie man in antrainierter Computerspielermanier verzweifelt nach der nächsten Aufgabe giert. In einem Notgame wie Rat Race allerdings ist manchmal der Weg das Ziel. Auch wenn dieser Weg langweilig und repetitiv ist. Es fühlt sich nicht schön an eine Ratte in einem Käfig zu sein, aber das soll es – vermutlich – auch nicht.
Was bleibt, ist das gute Gefühl, dass Nichtstun auch ein Befreiungsschlag sein kann. Ich muss keine schwierigen Entscheidungen treffen und die produktive Kraft von Langeweile ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Das Wichtigste für mich aber ist: Ja, es war damals eine gute Entscheidung meinen Hamstern so viel Freiraum wie möglich zu bieten. Auch wenn es einem kleinen Fisch das Leben kostete.
Rat Race ist eine Produktion des Entwicklerduos Rat King Entertainment aus Halle, die die Simulation beim diesjährigen Notgame Fest eingereicht haben. Das Notgame Fest findet vom 19. bis 23. August 2013 parallel zur Gamescom in Köln statt. Ob die Einreichung Erfolg hat wird sich noch zeigen, doch wer Rat King einmal kennenlernen möchte, kann das auf dem Notgame Fest tun.
3 Kommentare zu “Rat Race”
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*piep*
Hatte der Hamster ein ordentliches Gerichtsverfahren? Die Beweislast ist ja nun nicht so groß, als das nicht auch jemand anderes den Goldfisch geköpft hätte haben können…
So mancher Griff zum Möhrchen im Glas (in Verbindung einem herzhaften Biss) endete schon mit der Enthauptung des einen oder anderen Goldfisches. Wer weiß, wer da die Leiche nicht alles hinter dem Schrank versteckt hätte haben können…
Hab das mal auf ausprobiert und finde es einen netten Gameplay Ansatz, der solide umgesetzt wurde. Besonders gut ist der Verzicht auf ein HUD oder eine Erläuterung zum Gameplay. Dadurch wirk das Spiel zwar ziellos, aber das ist es im Grunde ja dann auch. Wäre vll. noch schön gewesen, wenn es ein paar mehr Ereignisse von Außen gegeben hätte.