Sterben werd’ ich, um zu leben: Life of Pixel
Retro-Gaming ist ein forderndes Hobby. Zeit und Platz gleichermaßend beanspruchend, bildet es nicht selten den Lebensmittelpunkt seiner Anhängerschaft, zieht sie hin zu Börsen, Messen und Baumarktparkplatztrödelmärkten. All jenen, die weniger investieren und trotzdem einen spielerischen Einblick in die Geschichte der Videospiele gewinnen möchten, bietet Life of Pixel dazu die Möglichkeit.
Die Geschichte, die eher als narrativer Rahmen denn als ausgeklügelte Erzählung bezeichnet werden kann, entsendet ein kleines, grünes Pixel auf einen Selbstfindungstrip durch die Jahrzehnte und Geräte, von denen gleich zehn an der Zahl zur Auswahl stehen – darunter neben Klassikern wie dem C64 oder dem Super Nintendo auch seltenere Exemplare wie der BBC Micro.
Jeweils im Hinblick auf deren audio-visuellen Eigenarten imitiert, sollen acht Level pro Konsole und Heimcomputer einen Einblick in die Funktionsweise dieser technischen Urgesteine gewähren, während das Pixel geschickt an zahlreichen Hindernissen und Gegnern vorbeigeschleust werden muss. In klassischer Jump’n’run-Manier gilt es, tödlichen Stacheln und Widersachern auszuweichen, Gräben und Gewässer zu überwinden, um eine bestimmte Anzahl von Edelsteinen zu sammeln und damit die oft gut versteckten Ausgänge der Levels zu öffnen. Darüber hinaus sind überall besondere Objekte versteckt, über die Extras freigeschaltet werden können, so etwa drei weitere, zunächst nicht anwählbare Konsolen.
Das Spiel zollt dabei nicht nur den kreativen und technischen Meisterleistungen der vergangenen Jahrzehnte Tribut, sondern auch dem frühgeschichtlichen Frustpensum. Einen angemessenen Ausgleich etwa in Form zusätzlicher Speichermöglichkeiten gibt es selbst in den zunehmend komplexer werdenden Leveln nicht. Auf Fehler folgen sofortiger Tod und Schreikrämpfe, wenn das rettende Ziel bereits in Sicht und doch wegen eines Fehltritts nicht mehr erreichbar ist.
Was sich zunächst dem offenkundigen Authentizitätsanspruch des britischen Studios Super Icon zuschreiben ließe, ist leider allzu oft ein Resultat uninspirierten Leveldesigns, das lediglich mit dem Ziel im Blick konzipiert wurde, möglichst schwer zu meistern zu sein, ohne dabei kreative Herausforderungen zu bieten. Ein Paradebeispiel hierfür ist ein Segment, das ausschließlich aus freischwebenden Swimming Pools besteht, an deren Ränder Juwelen verteilt sind. Dass der grüne, kantige Protagonist nicht schwimmen kann, versteht sich von selbst, und so gilt es, mit wohlabgestimmten Sprüngen weder in die kleinen noch in das am unteren Bildschirmrand lauernde, große Gewässer zu fallen.
Das jedoch gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil meist nur ein kleiner Level-Ausschnitt auf dem Bildschirm zu sehen und es daher kaum möglich ist, dessen Struktur komplett zu überblicken. Trotz der späterhin eingeräumten Möglichkeit eines weiter schweifenden Blicks nach oben und unten, resultiert diese Tatsache immer wieder in Sprüngen in die Ungewissheit – ein Designfehler, den schon vor zwanzig Jahren niemand mehr klaglos akzeptieren wollte und der heute umso schwerer wiegt.
Überhaupt scheint es, als hätten die Entwickler_innen, geleitet von ihrem Wunsch, einen möglichst originalgetreuen Zugang zu alter Hard- und Software zu bieten, übersehen, dass auch die damaligen Spiele weit mehr auszeichnete als der jeweilige Zeitgeist – zumindest jene, die auch heute noch gerne gespielt werden. Life of Pixel ist grafisch und musikalisch ungeheuer vielseitig, spielerisch jedoch eine ständige Wiederholung. Zwar lassen spielmechanische Details hier und da neue Ideen aufblitzen, im Wesentlichen bleibt es jedoch bei der Aufgabe, die in ihren Grundzügen identischen Hindernisse zu überwinden, Juwelen zu sammeln und Türen zu erreichen. Gepaart mit dem zum Teil horrenden Schwierigkeitsgrad, entsteht ein Spielerlebnis, das nie lange währt, weil es schlicht auf mannigfaltige Weise zu nervtötend ist.
Life of Pixel ist damit genauso sperrig wie eine ZX Spectrum-Ausstellung auf einer Retrobörse, wie jene textlastigen Kompendien, zu denen es durch seinen spielerischen Zugang zum Thema einen Ausgleich hätte schaffen können. Es wird vor allem Spieler_innen anziehen, die ohnehin mit den diversen Geräten ausgewachsen und dementsprechend frustresistent sind, die sich bereits bestens auskennen und daher auch die an sich wohlgemeinten und -platzierten Informationen nicht benötigen, die nach der Auswahl eines Geräts Auskunft über seine Charakteristika geben.
Auf den Parklatzflohmärkten werden sich also auch weiterhin vornehmlich die Alteingesessenen der Retroszene umtreiben.
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