Teslagrad vereint anspruchsvolle Puzzles mit Plattformer-Einlagen,
die zum Haareraufen sind.
Als ich kurz vor Beginn meiner Studentenzeit die ersten Schritte in meine eigene Wohnung tat, lachten mich zwei Kabel an, die aus der Wand ragten. Um herauszufinden, ob sie derzeit Strom leiten, fasste ich sie kurzerhand an, was mir nicht nur zwei kleine Brandblasen an den Fingern und ein bisschen Herzgepolter bescherte, sondern auch mein Verhältnis zu elektrischem Strom nachhaltig beeinflusste. Wie von diesen beiden Kabeln, war ich auch von Teslagrad magisch angezogen, einem Puzzle-Plattformer des norwegischen Entwicklerstudios Rain Games. Handgezeichnete Figuren und der rustikale Charme einer Welt, die an das frühe industrielle Russland angelehnt ist, übten auf mich nahezu elektromagnetische Kräfte aus.
Schon in den ersten Minuten ragt Teslagrad aus dem Durcheinander unzähliger Indie-Puzzle-Plattformer heraus, die heute auf diversen Distributionsplattformen feilgeboten werden. Nicht durch eine besondere Spielmechanik, noch nicht einmal durch die detailverliebte Grafik oder die guten Animationen. Besonders wird das Spiel durch seine wortlose Erzählweise. Es ist zwar nicht klar, warum der namenlose Protagonist von den rotbemäntelten Soldaten über die Dächer seiner Heimatstadt gejagt wird. Aber allein diese Szene vermittelt mir die Botschaft, dass ich in Teslagrad kein gewöhnliches Kind verkörpere. Mit einem Tutorial hält sich das Spiel nicht auf – nach wenigen Minuten lande ich in einem düsteren Industriekomplex, dem eigentlichen Schauplatz.
Dominant sind hier nicht Schalter- und Türenrätsel, sondern zwei physikalische Phänomene: Elektrizität und Magnetismus. Bestimmte Objekte lassen sich positiv oder negativ aufladen, wobei gleich geladene Teilchen sich bekanntermaßen abstoßen und gegenpolig geladene Objekte sich anziehen. Wie welches Teil geladen ist, liegt in meiner Hand. Mit zwei verschiedenen Angriffsarten bin ich allein Herr über Plus- und Minuspol. Dieses einfache Prinzip nutzen die Entwickler in nahezu jedem neuen Raum für ein anderes Rätsel, kaum einmal wiederholt sich ein Puzzle-Aufbau. Hier lässt sich eine Wand nur verschieben, wenn der Magnet über ihr richtig geladen ist, dort müssen riesige Roboter in Gang gesetzt werden um den Weg durch die Lava freizumachen. Später findet sich zudem eine Spezialfähigkeit, mit der der Protagonist sich als Blitz über kurze Strecken teleportieren kann, außerdem eine elektromagnetische Kapuze, mit deren Hilfe ich ihn selbst verschiedenpolig auflade. Manchmal erinnert das Labyrinth aus verschiedenen Räumen angenehm an Super Metroid.
Kein Problem, denke ich mir, jedes Rätsel ist lösbar. Woran ich in Teslagrad immer wieder scheitere, sind nicht die Puzzles, sondern die Geschicklichkeitseinlagen. Das Spiel verbindet beides zu einer unheiligen Melange, die soviel Geduld und so viele Versuche fordert, wie kaum ein anderes aktuelles Spiel. Den zweiten Endboss, einen mechanischer Riesenvogel, muss ich rund 30 Mal bekämpfen, bevor er endlich vor meinen Füßen klappernd zusammenbricht. Bis es soweit ist, spielen sich auch vor dem Bildschirm diverse Zusammenbrüche ab, ein Gamepad steht während des Kampfes nach einem Wutanfall kurz vor dem Exitus. Dabei muss ich mir eingestehen: Unfair ist Teslagrad nie. Wenn ich zum hundertsten Mal den Löffel abgebe, ins Gras beiße, Staub fresse oder das Zeitliche segne, bin ich stets selbst schuld. Frustrierend wird das Spiel lediglich dann, wenn ich die Lösung eines Rätsels zwar kenne, meine motorischen Fähigkeiten aber nicht ausreichen, sie auch in die Tat umzusetzen.
Zwischen Puzzles und Fingerübungen am Gamepad gibt es in Teslagrad nur kleine Verschnaufpausen. In ihnen nehmen sich die Entwickler Zeit, die Geschichte voranzutreiben – eine kleine Kinoaufführung verrät mir etwa mehr über den Hintergrund des Komplexes, in dem ich mich befinde. Immer wieder finde ich kleine Kapseln, die Bilder enthalten, aus denen sich nach und nach ein stimmiges Bild ergibt. Teslagrad bleibt dabei wortlos bis schließlich, nach vielen Höhen und Tiefen, die ersten Worte über den Bildschirm flimmern: Credits. Bis es soweit ist, erlebt der Spieler viele Höhen und Tiefen –- das befriedigende Gefühl, eine der Herausforderungen in Teslagrad gelöst zu haben, entschädigt dabei für alle Anstrengungen.
2 Kommentare zu “Teslagrad”
Kommentare sind geschlossen.
Teslagrad ist ein sehr gutes Spiel, obwohl der Schwierigkeitsgrad, ,manchmal doch sehr hoch ist. Erinnert mich sehr an Braid und die Mechanik des Umpolens ist sehr interessant und auch sehr gut ins Spiel eingebaut. Die Grafik gefällt mir persönlich auch sehr gut.
Für mich einer der besseren Titel in letzter Zeit.
Endlich wieder was für Linux -- danke für den Text, klingt interessant.