Jamestown: Legend of the Lost Colony

Beim gestrigen Stöbern auf Steam stieß ich zufällig auf ein Spiel, in das ich mich binnen weniger Augenblicke verschoss. Ein Shoot’em up — oder auch Bullet Hell Shooter, wie in gewissen Kreisen zu sagen gepflegt wird. Da ich nicht der Gruppe stressresistenter Spieler mit Drahtseilnerven angehöre und dieses actionlastige Genre in der Vergangenheit eher mied, überraschte mich meine Zuneigung zunächst. Während einer Feuerpause entschied ich mich dann, meine Faszination für Jamestown: Legend of the Lost Colony mit euch zu teilen.

Ich rezensiere also ein Shoot’em up. Ich. Das ist ungefähr so, als würde ein Vegetarier nach jahrelangem Verzicht auf tierische Produkte ein saftiges Steak in die Pfanne werfen und es nach kurzer Bratzeit euphorisch verspeisen. So fühlte ich mich und es fühlte sich verdammt gut an. Hallo, willkommen in Jamestown.


(Link zum Video)

Wir schreiben das Jahr 1619 und wir sind auf dem Mars und das kommt mir alles spanisch vor. Und englisch. Großbritannien hat nämlich den roten Planten kolonisiert und die bösen Spanier beanspruchen das Territorium für sich. Mittels steampunk‘scher Waffengewalt gilt es nun, sich den Invasoren entgegen zu stellen.

Bei diesem Genre gilt: Ruhe bewahren. Denn bei genauerer Betrachtung entpuppt sich das vermeintliche Wirrwarr aus Gegnerwellen und Lasersalven als berechenbares Feuerwerk, das auf konkreten und relativ schnell erlernbaren Mustern basiert. Dafür bedarf es keines Mathematikstudiums, sondern nur etwas Konzentration und Geschick. Damit möchte ich nicht sagen, Jamestown sei ein Kinderspiel. Nein, aber es scheint vor allem niemals unfair, was schließlich dafür Sorge trägt, dass wutentbrannte Frustration eher in Ausnahmefällen in Erscheinung tritt. Genau diese Frustration führte nämlich beim Genre-Kollegen Satazius dazu, dass ich irgendwann völlig entnervt das Joypad in die Ecke warf und dem Spiel seitdem fernblieb. Ein sich ständig wiederholdendes Scheitern in Jamestown schuldet man aber in erster Linie der eigenen Unaufmerksamkeit oder temporärer Grobmotorik.

Dampfbetriebene Panzer, Flugmaschinen und Konquistadoren verwandeln die Mars-Kolonie in ein Minenfeld aus Pixelkugeln. (Der letzte Satz gehörte urprünglich Señor Dennis. Ich erbeute die Zeile kurzerhand während meines Streifzugs durch Titél-Magaziño.) Jamestown ist wunderschön. Hier wurde der Pixel nicht nur als plumpes Stilmittel eingesetzt, denn obwohl die visuelle Einschränkung rasch das Gefühl vermittelt, man hätte sich auf eine Zeitreise begeben, wirkt das Erscheinungsbild niemals altbacken. Es wurde vonseiten des Designers merklich nicht nur Hand, sondern auch Herz angelegt.

„Mars is waiting. Bring your friends.“

Ein weiteres Highlight des Top-Down-Shooters ist der lokale Mehrspieler-Modus, bei dem bis zu vier Teilnehmer kooperativ aus allen Rohren feuern. Das mag chaotisch klingen und wer Chaos anstrebt, bekommt auch genau dieses geboten. Wer jedoch einige Grundregeln des effizienten Zusammenspiels einfließen lässt, wird mit einem runden Spielfluss und so mancher nach oben gestreckten Faust eines Mitspielers belohnt.

Ein besonderes Augenmerk verdient der Soundtrack von Jamestown. Denn anstatt auf knarzende Chiptunebeats zu setzen, wie man es vom grafischen Retrolook des Spiels durchaus erwarten könnte, überrascht der Komponist Francisco Cerda mit epischen Klängen, die mitreißen und beflügeln. Ich empfand das beim Spielen nicht nur auf eine positive Weise stilbrechend, sondern auch extrem clever, weil es dem tendenziell sinnbefreiten Dauerfeuer eine gewisse Eleganz, Wertigkeit und emotionale Verbundenheit verleiht.

Jamestown ist seit Juni 2011 bei Steam für PC und Mac verfügbar, im November würzte der Entwickler Final Form Games mit etwas DLC nach. Ich rate zum Erwerb des Jamestown Deluxe Pack, das nicht nur den DLC, sondern auch besagten Soundtrack enthält. Werte Leser, kauft dieses Spiel. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, euch alle voll doof zu finden.