Little Inferno

Little Inferno ist ein digitales, gamifiziertes Spielzeug über Videospiele für Leute, die gerne über Spielzeuge und Gamifizierung reden. Little Inferno ist auch das neue Spiel der World of Goo-Macher Gabler und Gray (und Allan Blomquist ist auch dabei). Little Inferno ist natürlich auch ein Spiel darüber, Dinge zu verbrennen — und ich verstehe es nicht. Oder ich verstehe es sehr gut. Ein Erklärungsversuch…

Wenn es so einfach wäre, Little Inferno als digitales Kaminfeuer abzustempeln, müsste ich diesen Text nicht schreiben. Sicherlich geht es im ersten Spiel der neugegründeten Tomorrow Corporation darum, unterschiedliche, sonderbare Objekte in einen Kamin zu stopfen und ihnen beim Verbrennen zuzuschauen. Aber vielleicht muss man für Little Inferno etwas weiter ausholen.

In ihrem Buch Reality is Broken beschreibt die Aktivistin und Spielemacherin Jane McGonnigal Herodots Geschichte der Lydier. Von Feinden belagert, bemerkten die Lydier, dass ihre Vorräte nicht für die ganze Stadt reichen können. Als Gegenmaßnahme erfanden sie simple Würfelspiele. Jeden zweiten Tag wurde gegessen. Den Rest der Zeit gespielt. So abgelenkt vom Hunger, überdauerten die Lydier die Belagerung. Zumindest bis sich die Hälfte der Stadt entschloss, auszuziehen und eine neue Heimat zu suchen, um den Anderen das Überleben zu ermöglichen.

In Little Inferno ist es keine Hungersnot, die die kleine Welt bedroht, sondern eine Eiszeit. Um die Bevölkerung warmzuhalten, wurden die Little Infernos — als Kamine getarnte Spielzeuge — an die Bevölkerung verteilt. Um die Leute dazu zu bewegen, alles nicht lebensnotwendige zu verbrennen, wird die Benutzung des Kamins zum Spiel. Die Puppe verbrennen bringt Punkte ein, die gegen Videospielkonsolen, Wein, Spielzeuge eingetauscht werden und die selbstverständlich alle ebenfalls in die Flammen wandern.

Soweit jedenfalls die Erklärung des etwas sonderbaren Spielprinzips in der Welt von Little Inferno. Was im Spiel dann folgt, ist nochmal um einiges interessanter. Little Inferno geht der Frage nach, wie sich ein Spiel spielt, das mit den Grundgedanken farmvillesker Social Games entwickelt wurde, aber keinerlei Möglichkeit bietet, im Spiel echtes Geld auszugeben.

Neue Gegenstände zum Verbrennen müssen nämlich aus einem Katalog bestellt werden und je weiter man sich im Spiel befindet, desto länger dauert die Ankunft neuer Objekte. Indem Gegenstände in richtiger Kombination in Flammen aufgehen, werden aber kleine Puzzle gelöst, die mit Stempeln belohnt werden, die wiederrum die Wartezeit verkürzen. Aber: Um erstmal die Gegenstände für das korrekte Verbrennen zu kriegen ist Warten angesagt. Kurz: Stempel sind rar und über kurz oder lang habe ich in Little Inferno vor allem oft eine Sache gemachtt: Nichts.

Ich habe gewartet. Oft um Stempel zu sparen, oft weil ich ungeduldig schon alle Stempel aufgebraucht habe. Und es gibt keine Möglichkeit, die Kreditkarte zu belasten. Keine Art, sich die Wartezeit zu verkürzen wenn die Stempel einmal alle sind. Die Momente des sinnlosen Wartens in einem Spiel — ich nutze die Zeit zum: Duschen, Spülen, Lesen — frustrieren. Sie regen auf. Sie sind gemein und widersprechen allem, was ich von einem Spiel erwarte. Und doch: Es sind eben diese Momente des Leerlaufs, die dazu anregen, über die eigentliche Sinnlosigkeit der Spielmechaniken nachzudenken. Jedes Mal, wenn Little Inferno vom Spieler verlangt acht Minuten für ein neues Spielzeug zu warten, das in kürzester Zeit verbrennt, stellt die Frage: Was zum Teufel machst du hier eigentlich? Warum spielst du?

Die Antwort, die Little Inferno auf diese Frage gibt, ist — soviel darf verraten werden — überraschend. Sie ist, wie Errant Signal eindrücklich erklärt, völlig befreit von Zynik oder beißender Kritik gegen Gamedesignkriminelle wie Zynga. Little Inferno sagt: Wir klicken auf Kühe und bestellen Farmville-Felder, weil sie etwas in uns anregen. Weil sie uns, zumindest für kurze Zeit, etwas geben, was uns Freude bereitet, uns wichtig erscheint. Aber eines können sie nicht — mit ihren simplen Methoden Spieler für immer an sich binden. Sie brennen lichterloh, solange sie neu sind und bunt und lustig. Und kurz darauf sind sie nicht viel mehr als Asche auf dem Kaminaltar des neuesten Heimunterhaltungskamins.