Ludum Dare 30: Awe
Das im Jahr 1894 erschienene Brockhaus Konversations-Lexikon bezeichnet Ehrfurcht als den höchsten Grad der Ehrerbietung und „das Gefühl der Hingabe an dasjenige, was man höher schätzt als sich selbst, sei es eine Person oder eine geistige Macht, wie Vaterland, Wissenschaft, Kirche, Staat, Menschheit, Gottheit“. Ob das Entwicklerteam von Oddly Shaped Pixels (der Entwickler R3nD und seine zwei Katzen Chelsea und Kira) diese Definition gelesen hat, darf bezweifelt werden. Trotzdem programmierte es für Ludum Dare 30 ein Spiel, das den englischen Namen der Ehrfurcht trägt: Awe.
Ehrfurcht sollte der Spieler in Awe im Wesentlichen vor dem noch leblosen Planeten haben, der sich auf dem Bildschirm gleichmäßig um sich selbst dreht. Seine Bestandteile sind ein paar wenige Polygone, deren Oberfläche klickbar sind. Ein Klick produziert nicht nur einen Ton, sondern lässt auch eine Farbe aufleuchten und markiert eine Stelle in einer Reihe von Dreiecken. Im Spielverlauf gilt es, die Dreiecke der Reihe nach anzuspielen, wobei jede gelungene Reihe den Planeten neu belebt: mit Bäumen etwa, Vulkanen oder Wolken. Die wiederum produzieren bei einem Klick neue Farben, neue Farben machen es möglich, neue Reihen zu spielen und neue Reihen produzieren wieder neues Leben auf dem Planeten.
Awe spielt sich auf diese Weise wie eine stetige Aufwärtsspirale. Die unbelebte Einöde der ersten Spielsekunde verwandelt sich in ein paar Minuten in einen dicht bepflanzten Planeten, das Herumklicken auf selbigem fühlt sich schnell an wie das Spiel auf dem bizarren Instrument eines exzentrischen Straßenmusikers. Ein bisschen erinnert mich das Spiel gar an Solitär – am Anfang will noch nichts so recht zusammenpassen, später fügt sich jedoch plötzlich alles und wirkt, als sei es von irgendwem von Anfang an genau so geplant gewesen.
Das war es in Wirklichkeit allerdings nicht, denn wie die Karten zu Beginn von Solitär wird jede Partie von Awe zu Beginn neu gemischt. Die Reihenfolgen, die gespielt werden müssen, ändern sich bei jedem Neustart. Wer möchte, kann Awe auch online mit einem zufällig ausgewählten zweiten Spieler ausprobieren – falls einer zur Verfügung steht versteht sich.